171Kersti:

Bald hast, bis du einen Platz gefunden, der dir für dein Vorhaben geeignet erscheint. Ein großer Baum schützt dich vor den brennenden Sonnenstrahlen des heißen Tages, viele Leute kommen vorbei, doch es gibt auch Platz, um stehenzubleiben und zuzuhören. Also setzt du dich hin und beginnst zu erzählen.
"Es war einmal ein Waldelf, der in den leuchtenden Wäldern seiner Heimat nicht sang, spielte und glücklich war, wie die Waldelfen in ihrer Heimat eigentlich immer zu sein scheinen. Deshalb zog er aus, um das Glück zu suchen.

Die Leute gehen vorüber, ohne dich zu beachten.
"Er wanderte nach Süden in das Land der Silbernen Gärten, wo Tag und Nacht ein einziges Lied, ein Tanz, ein Fest sind. Dort feierte der Waldelf mit. Die Tage in diesem Land vergingen wie ein silberner Traum, ohne Pause, ohne Sorgen, doch als der Waldelf eines Nachts in einem kurzen Augenblick der Ruhe darüber nachdachte, ob er glücklich sei, konnte er sich diese Frage nicht beantworten. Also feierte er weiter, und je länger er im Land der Silbernen Gärten weilte, desto deutlichter wurde ihm, daß er sich in Wahrheit langweilte.

Niemand würdigt dich eines Blickes. Die Menschen unterhalten sich, scherzen und lachen, als gäbe es dich überhaupt gar nicht.
"So überlegte der Waldelf, was ihn glücklich machen könnte und ihm fielen viele Dinge ein, von denen er glaubte:
"Wenn ich das kaufen könnte, wäre ich glücklich."
Also wanderte er auf langen, gefahrvollen Wegen in das Land des goldenen Sandes und brachte von dort so viel Gold mit, daß er sich davon alles kaufen konnte, was er sich je gewünscht hatte. Lange Zeit lebte er im Lande Noramis und kaufte sich von seinem Golde alles, was man mit Geld kaufen kann. Doch jedesmal, wenn er darüber nachdachte, ob er glücklich sei, fiel ihm noch etwas ein, das zu seinem Glück fehlte.
Der Waldelf ließ sich wundervolle Säle bauen, in denen er Bankette feierte, wie man sie nur aus Märchen kennt. Er ließ Gärten pflanzen, deren Schönheit im ganzen Lande gerühmt wurde. Er umgab sich mit weisen Männern, mit Sängern, Märchenerzählern, schönen Frauen und hübschen Knaben, er probierte mancherlei Zauberkräuter. Jahre vergingen so, vielleicht Jahrhunderte, doch glücklich wurde er nicht.

Du hast immer noch keinen Menschen gefunden, der dir ein paar Sekunden zu- gehört hat.
"Es würde lange dauern, alles aufzuzählen, was der Waldelf auf seiner Suche nach dem Glück ausprobierte. Er wurde Sänger und wandernder Geschichtenerzähler, lernte zaubern, Flöte spielen, trieb Handel, zähmte eine große Silberschlange und ritt mit ihr durch die Lüfte, dressierte wilde Tiere, feierte Liebesorgien, Er probierte alles aus, von dem man meinen könnte, es mache glücklich.

Jahre, Jahrhunderte vergingen so, doch der Waldelf wurde nicht glücklich.
Die Leute schenken dir so wenig Beachtung, daß du beinahe selbst beginnst zu überlegen, ob du dir vielleicht nur einbildest, daß du im Zauberschloß wirklich existierst.

"So saß der Waldelf eines Abends trübsinnig auf dem Marktplatz einer kleinen Stadt und beobachtete die Leute um sich herum. Auch von diesen schien keiner glücklich zu sein. Langsam zweifelte der Waldelf daran, daß es Glück überhaupt gibt. Irgendwann raffte er sich schließlich auf und entschied:

"Für mich habe ich schon auf jede denkbare Art nach Glück gesucht, jetzt will ich einmal sehen, ob ich nicht andere glücklich machen kann."

So begann der Glückssucher für andere nach Glück zu suchen. Manchen Leuten machte er Dinge zum Geschenk, die sie sich ein ganzes Leben lang gewünscht hatten. Er lehrte einem Kind das Lautenspiel, leistete einer einsamen alten Frau, deren Leben leer und sinnlos geworden war, Gesellschaft. Er erlöste einen Werwolf von seinem Fluch, so daß er wieder als Mensch unter Menschen leben konnte, führte einige Wanderer zur Silberwiese, damit sie sich an der sagenhaften Schönheit der Einhörner ergötzten ... "
In deinen Hut herrscht gähnende Leere. Langsam fragst du dich, ob das, was du machst, überhaupt einen Sinn hat. Entmutigt brichst du ab. Flüchtig kommt dir in den Sinn, daß irgendein Weiser gesagt haben soll: "Ich denke, also bin ich." Leider hat er nicht bemerkt, daß das überhauptnichts nützt, wenn die an- deren es nicht merken. Entmutigt hältst du inne.
 
Kersti / 175: Du suchst einen besseren Platz und erzähltst die Geschichte noch einmal.
Kersti / 170: Du hörst der Geschichtenerzählerin zu.
Kersti / 173: Du erzählst eine selbsterfundene Geschichte.


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