425Kersti:

Sorien, eine hochgewachsene, blonde Frau erzählt beim Abendessen folgendes Märchen:

Der Göttliche Wunsch

Einmal vor langer Zeit, lebten alle Geschöpfe in Harmonie und die Welt war ein blühender Garten. Die Uralte Macht, die alles geschaffen hatte, freute sich an ihrer Schönheit. Heimlich wünschte sie, daß ihr Liebling, das Wesen, das Namen geben kann, es wählen würde, göttlich zu werden. Doch dies kann auch die Schöpfermacht nicht für ihre Geschöpfe entscheiden.

So lebte das Wesen, das Namen geben kann, im Garten. Wenn es nicht aß oder trank, gab es anderen Wesen schöne Namen. Es war glücklich, denn es lebte, wie es seine Art war und die Schlange Weisheit war sein Berater. Eines Tages fiel auf, daß es keinen Namen hatte. Da ging es zur Uralten Macht und sagte:
"Ich wünsche mir einen Namen."
"Gut. Ich nenne dich "Mensch"." antwortete die Uralte Macht.

Lange lebte der Mensch, glücklich im Garten, bis ihm auffiel, daß alle Tiere einen Gefährten hatten, der zu ihnen paßte. Also sagte er zur Uralten Macht:
"Ich wünsche mir einen Gefährten, der zu mir paßt."
Also versetzte die Uralte Macht den Menschen in einen Schlaf, teilte ihn in der Mitte und nannte einen Teil "Mann", den anderen "Frau".

Lange lebten Mann und Frau glücklich, verwandelten sich für ihre Spiele in jede Gestalt, die ihnen gefiel. Nur wie die Uralte Macht konnten sie nicht sein, denn ihr Schöpfer war ihnen unbegreiflich. Also gingen die Menschen zur ihr und sagten:
"Wir wünscht uns, zu werden wie du."
Da freute sich die uralte Macht und antwortete:
"Diesen Wunsch, kann ich nicht erfüllen, denn Göttlichkeit muß sich jeder selber erarbeiten, indem er Himmel und Hölle ganz durchquert und alles Leid der Welt kennenlernt. Wollt ihr trotzdem werden wie ich?"
"Ja" antworteten die Menschen.
"Gut." antwortete die Macht und erklärte der Schlange Weisheit den Weg zur Göttlichkeit.

Nachdenklich blickte die Schlange zu den Früchten am Baum der Erkenntnis auf.
"Wenn die Früchte der Erkenntnis zu essen, wirklich den Weg zur Göttlichkeit weist, warum warnte die Uralte Macht: "Ihr werdet des Todes sterben, wenn ihr sie eßt!"? Was ist "Erkenntnis"? Was "gut", "böse" oder "Tod"? Wenn die Uralte Macht es sagt, dann wird das richtig sein." sagte sich die Schlange Weisheit und riet den Menschen, von der Erkenntnis zu essen. Sie hörten darauf, wie sie bisher jedem Rat der Schlange Weisheit gefolgt waren.

So lernten sie ein wenig über die Bedeutung der Worte "gut" und "böse". Da kamen sich die Menschen so klug vor, daß sie meinten, sie bräuchten keine Weisheit mehr. Die Schlange Weisheit verlor die Fähigkeit zu gehen, denn kein Mensch schenkt ihr mehr Beachtung und gibt ihr Gelegenheit, sich aufzurichten. Seither treffen Menschen oft Entscheidungen, mit denen sie einander sinnloses Leid antun, und der Garten der Uralten Macht kommt ihnen nicht mehr schön vor.

Doch es heißt, wenn die Menschen in ferner Zukunft alle Früchte der Erkenntnis gegessen haben, wird die Weisheit Flügel bekommen und uns lehren, wie ein Gott zur rechten Zeit neue Welten zu erschaffen.

Aufmerksam, hören die anderen ihr zu, danach kritisieren sie die Geschichte wie üblich. Am nächsten Tag als ihr an einer neuen Stelle das Lager aufgeschlagen habt, überreden dich die anderen, auch ein Märchen zu erzählen. Aufmerksam, ohne dich zu unterbrechen, hören sie dir zu. Als du mit deiner Geschichte fertig bist kritisieren sie beinahe jedes einzelne Wort.

Am frühen Nachmittag des nächsten Tages erreicht die kleine Karawane schließlich eine Handelsstadt. Ein letztes mal ladet ihr die Traglasten ab und erkundet dann mit eurem Lohn in der Hand den Marktplatz.

Die Fortsetzung dieser Geschichte findet ihr in Buch 6 Nr.99


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