513Kersti:

Da lacht Torajin der Sänger. Er erklärt:
"In Wahrheit ist deine Geschichte nicht schlecht. Ganz egal, wie gut du sie erzählt hättest, es wäre möglich gewesen, es noch besser zu machen. Wir kritisieren uns, wenn wir mit einer Karawane unterwegs sind, immer gegenseitig, weil wir fast alle gelegentlich durch Erzählen Geld verdienen und deshalb auf erzählerisches Können angewiesen sind."

Als keiner der anderen mehr etwas zu deiner Geschichte zu sagen weiß, geht ihr schlafen. Eine friedliche Nacht, in der du die zweite Wache übernimmst, und ein anstrengender Tag vergehen. Am darauffolgenden Abend erzählt Jora eine Geschichte, die vorgestern mit ihren raubtierhaften Sprüngen als erste zwischen dir, dem Fremden und dem jungen Mann gestanden hat, der Wache hielt und dir so ähnlich sieht. Jetzt wirkt ihr Gesicht sanft und freundlich. Rätselhafte Zeichen sind auf ihrem Mantel aufgestickt und ihre Stimme klingt weich und warm, als sie erzählt:

Die Suche nach dem Glück

Es war einmal ein Waldelf, der in den leuchtenden Wäldern seiner Heimat nicht sang, spielte und glücklich war, wie die Waldelfen es dort immer zu sein scheinen. Deshalb zog er aus, um das Glück zu suchen. Er wanderte nach Süden in das Land der Silbernen Gärten, wo Tag und Nacht ein einziges Lied, ein Tanz, ein Fest sind. Dort feierte er mit. Die Tage vergingen wie ein Traum, ohne Pause, ohne Sorgen. Doch als der Waldelf eines Nachts in einem kurzen Augenblick der Ruhe nachdachte, ob er glücklich sei, konnte er sich das nicht beantworten. Also feierte er weiter. Und je länger er im Land der Silbernen Gärten weilte, desto deutlichter wurde ihm, daß er sich in Wahrheit langweilte.

So überlegte der Waldelf erneut, was ihn glücklich machen könnte. Ihm fiel vieles ein, von dem er glaubte:
"Wenn ich das kaufen könnte, wäre ich glücklich."

Also wanderte er auf langen, gefahrvollen Wegen in das Land des goldenen Sandes und brachte von dort genug Gold mit, um sich all diese Wünsche zu erfüllen. Sieben Jahre lebte er im Lande Noramis und kaufte sich von seinem Golde alles, was man mit Geld kaufen kann. Doch jedesmal, wenn er nachdachte, ob er glücklich sei, fiel ihm noch etwas ein, das zu seinem Glück fehlte. Der Waldelf ließ sich wundervolle Säle bauen, in denen er Bankette feierte, wie man sie nur aus Märchen kennt. Er ließ Gärten pflanzen, deren Schönheit im ganzen Lande gerühmt wurde. Er umgab sich mit weisen Männern, mit Sängern, Märchenerzählern, schönen Frauen und hübschen Knaben. Er probierte mancherlei Zauberkräuter. Sieben Jahre vergingen so, doch glücklich wurde er nicht.

Es würde lange dauern, alles aufzuzählen, was der Waldelf auf seiner Suche nach dem Glück ausprobierte. Er wurde Sänger und wandernder Geschichtenerzähler, lernte zaubern, Flöte spielen, trieb Handel, zähmte eine große Silberschlange und ritt mit ihr durch die Lüfte, dressierte wilde Tiere, feierte Liebesorgien, Er probierte alles aus, von dem man meinen könnte, es mache glücklich.

Vier mal sieben Jahre vergingen, doch der Waldelf wurde nicht glücklich.

So saß er eines Abends trübsinnig auf dem Marktplatz einer kleinen Stadt und beobachtete die Leute um sich herum. Auch von diesen schien keiner glücklich zu sein. Er begann zu bezweifeln, daß es Glück gibt. Schließlich raffte er sich auf und entschied:
"Für mich habe ich schon auf jede denkbare Art nach Glück gesucht, jetzt will ich einmal sehen, ob ich nicht andere glücklich machen kann."

So begann der Glückssucher, für andere nach Glück zu suchen. Manchen Leuten machte er Dinge zum Geschenk, die sie sich ein ganzes Leben lang gewünscht hatten. Er lehrte einem Kind das Lautenspiel, leistete einer einsamen, alten Frau Gesellschaft, deren Leben leer und sinnlos geworden war. Er erlöste einen Werwolf von seinem Fluch, so daß er als Mensch unter Menschen leben konnte, führte einige Wanderer zur Silberwiese, damit sie sich an der sagenhaften Schönheit der Einhörner ergötzten...

Sieben Jahre gingen ins Land. Der Waldelf zog von Ort zu Ort, und versuchte, Menschen glücklich zu machen. Doch er war sich nicht sicher, ob er auch nur in einem Fall Erfolg hatte. Trotzdem arbeitete er immer weiter in dieser Weise.

Sieben mal sieben Jahre nachdem er zu seiner Suche nach dem Glück aufgebrochen war, kam der Waldelf auf seinen Wanderungen in einen Wald. Je weiter er dem Weg folgte, um so dichter standen die Bäume, desto knorriger waren ihre Äste und die Stämme wurden immer dicker. Das sanfte grüne Licht, das durch das dichte Blätterdach fiel, ließ die uralten Pflanzen fremdartig und zauberhaft erscheinen. Die Blätter schienen sich Geheimnisse zuzuraunen, leise zu lachen. Mehrmals ertappte der Elf sich dabei, wie er sich umdrehte, weil er glaubte einen Troll oder Gnom gesehen zu haben, doch wenn er genauer hinschaute, war es nur ein seltsam geformter Aststumpf, eine Wurzel oder ein Stein. Irgendwann sah er vor sich das helle Licht der Sonne auf den Boden dringen und trat hinaus auf eine Lichtung. Vor ihm stand eine schlanke Frau, deren helles Haar in einem unsichtbaren Wind zu wehen schien. Auf ihre eigene, helle Art wirkte die Frau ebenso verzaubert wie der dunkle Wald, genauso unwirklich und fremdartig. Doch sie schien nicht beängstigend, sondern schön und gut. Freundlich begrüßte sie den Neuankömmling:
"Willkommen auf meiner Lichtung, Elf. Ich bin Fajona Tausenfee, die die Menschheit liebt. Ich beobachte nun schon seit langem, wie du versuchst, Menschen glücklich zu machen. Solcher Eifer sollte belohnt werden. Du hast einen Wunsch frei, aber du darfst dir nur etwas wünschenl das ganz für dich alleine ist."

Da begann der Waldelf zu überlegen, was er sich wünschen könne. Er grübelte und grübelte, doch je länger er nachdachte, desto weniger wollte ihm einfallen. Ihm wurde klar, daß er endlich glücklich war.

Und wenn er nicht gerade einmal traurig ist, ist er das auch heute noch.

beendet die Erzählerin ihre Geschichte. Die anderen kritisieren wie üblich und ihr geht schlafen.

Am frühen Nachmittag des nächsten Tages erreicht die Karawane schließlich eine kleine Handelsstadt. Nachdem die Traglasten abgeladen sind, verlaßt ihr die Karawanserei. Der Karawanenleiter kauft für jeden von euch Ersatz für ein Stück eurer Ausrüstung und bietet euch eine Stelle bei der Bewachung seiner nächsten Karawane an. Du kannst die Musik der Spielleute hören, das Geschrei der Marktfrauen, Schafe blöken, Hühner gackern, Hunde bellen. Händler verkaufen bunte Tücher, Schmuck, Gewürze, Waffen, Werkzeuge, alles, was man im Leben braucht. Du riechst Gebäck, Kuchen, warme Semmeln, Schmalzbrot. Auch Spießbraten wird verkauft. Leider hast du keine Kupfermünze in deinem Beutel. Was tust du in der Stadt?
 
Kersti / 543: Du gehst durch eine rote Tür, die plötzlich in der Wand eines Hauses am Rande des Marktplatzes vor dir aufgetaucht ist.
Kersti / 549: Du erkundest den Marktplatz.


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