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Und es blieb dunkel. Die Alpträume wurden substanzloser, aber gleichzeitig absoluter, überwältigender. Innerlich schrie ich aus schierer Panik - aber da war kein Körper mehr, der schreien konnte. Ich flehte um Gnade - aber meine Stimme war unhörbar. Ich wollte weglaufen vor dieser schrecklichen Dunkelheit und Stille - aber es gab keine Beine mehr zum laufen...
Der Alptraum währte viele Ewigkeiten, bis ich jegliche Hoffnung verlor.
Dann war da Licht, schreckliches schmerzhaftes Licht. Wieder schrie ich und konnte nichts hören. Ein fürchterlicher Krach ertönte und ich schrie, doch meine Schreie waren unhörbar. Gerüche und Geschmäcke überfielen mich. Aber was ich sah, hörte und fühlte war Chaos, Licht und Dunkelheit, Stille und ohrenbetäubender Krach wechselte wirr durcheinander und tat einfach nur weh.
Wieder vergingen Ewigkeiten. Irgendwann begriff ich, daß ich steuern konnte, was ich sah und hörte. Es gab unterschiedliche Räume und ich konnte mich von einen in den anderen denken. Außerdem konnte ich die Kameras, die mir die Bilder lieferten, verstellen. Die Geräusche waren mit den Bildern gekoppelt und gehörten jeweils zu demselben Zimmer. Auch hier konnte ich die Lautstärke verstellen.
Manchmal war auch ein Mensch da. Es war der Nervenarzt, der mich gezwungen hatte immer zu sagen, welches Organ sie mir gerade herausoperierten. Ich wollte nicht mit ihm sprechen.
Aber in anderen Zimmern probierte ich es aus: ich konnte sprechen, und während ich es übte, wurden die Worte nach und nach verständlich.
Mir wurde klar, daß der Nervenarzt früher oder später die Lebenserhaltungssysteme ausstellen würde, wenn ich nicht mit ihm spreche. Aber das war mir egal. Alles war so leer und tot. Machte es einen Unterschied, wenn ich wirklich sterben mußte?
Der Nervenarzt ging regelmäßig an die Wanne mit meinem Nervensystem und Gehirn und las verschiedene Anzeigen ab. Jedesmal sah er unverschämt zufrieden aus. Ich wollte nicht, daß er zufrieden war. Und immer, wenn ich ihn sah, dachte ich an die Operationen und dann wollte ich nur noch sterben, um nicht mehr daran denken zu müssen.
Außerdem gab es noch ein draußen, wo ich Sterne und Raumschiffe sehen und an einer eine Schiffshülle entlangschauen konnte. Ich mochte das Schiff, in dem ich gefangen war, nicht, weil sich alles so tot anfühlte. Am liebsten wäre ich gestorben, aber ich konnte das Schiff nicht verlassen.
Quelle: Erinnerungen an eigene frühere Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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