12/09

Reinkarnationserinnerung

F82.

Die Wahrheit muß etwas Furchtbares sein

Ich kniete neben Chehijas Bett und hörte zu, wie sie mir erzählt, was in der Zeit geschehen war, an die ich mich nicht erinnern konnte. Es war das erste mal, daß ich aufgestanden war und der kurze Weg in ihr Zimmer hatte mich sehr erschöpft.

Die letzte Situation, an die ich mich hatte erinnern können, war, daß ich neben ihrem Kamel herritt und mich mit Chehija unterhielt. Dann brach meine eigene Erinnerung unvermittelt ab. Chehija erzählte, daß wir danach von Fremden angegriffen worden waren und daß ich sie verteidigt hatte und im Kampf verletzt worden war. Und daß der Scheich der Fremden sie zur Frau haben wollte.

Ich sinnierte darüber, wie seltsam es war, daß das für sie die größte Lebenskatastrophe war, während ich das einfach mit dem Gedanken abgehakt hatte, daß es mir sowieso nicht besser ergangen wäre, wenn man sie an einen der Männer verheiratet hätte, die in Betracht gezogen worden waren. Dabei war es mir ja objektiv betrachtet durchaus schlimmer ergangen als ihr.

Andererseits hatte sie mir erzählt, daß die Frauen bei dem Angriff einfach links liegen lassen worden waren und so brauchte ich mir um die wenigen Menschen, die mir persönlich nahestanden, keine Sorgen zu machen. Dagegen waren zwei von Chehijas Brüdern im Kampf gefallen, was natürlich schlimm für sie war. Zuerst hatte sie gedacht, ich sei auch tot aber man hatte ihr gezeigt daß ich gut gepflegt wurde, was sie ein wenig getröstet hatte.

Sanft streichelte ich mein Mädchen und ließ sie sich ausweinen.

Irgendwann kam der Scheich herein, der uns gefangen genommen hatte:
"So, jetzt wo du erfahren hast, daß es mit deinem Spielzeug nicht mehr geht, kannst du dich ja vielleicht bequemen, endlich mit mir zu schlafen, wie sich das für eine Ehefrau gehört." sagte er.
Ich war augenblicklich erbost über diese zynische Bemerkung. Dann sah ich Chehijas entsetzten Gesichtsausdruck und mir wurde klar, daß ich vergessen hatte, es ihr zu sagen, weil ich so mit der Frage beschäftigt gewesen war, wie ich hierher gekommen war. Ich ärgerte mich über mich selber, denn so hätte sie es nicht erfahren sollen.
"Und wenn du dich weiterhin verweigerst, bekommt er für jedes nein zehn Peitschenhiebe."
Sie begann zu weinen. Und ich wurde zornig. Ich glaube, wenn ich in dem Augenblick ein Schwert in der Hand gehabt hätte, dann hätte ich ihm den Kopf abgeschlagen. Das hätte die Situation natürlich nicht verbessert.

Stattdessen versuchte ich es mit argumentieren:
"Sieh mal, du bist dafür verantwortlich, daß ihre Brüder im Kampf gefallen sind, du hast Chehija entführt und mich kastriert. Damit hast du ihr genug böses getan. Wenn du noch mehr Böses oben darauf packst, wird sie nicht plötzlich anfangen, dich dafür zu lieben."
"Halt die vorlaute Schnauze, Sklave." fuhr er mich an.
"Die Wahrheit muß etwas Furchtbares sein, wenn du sie so wenig ertragen kannst." gab ich spöttisch zurück.
Er faßte nach dem Schwert. An seinem Gesichtsausdruck sah ich, daß er jetzt kurz davor stand, mir den Kopf abzuschlagen. Plötzlich wurde ich sehr ruhig, fühlte weder Zorn noch Angst, sah ihm einfach aus meiner knieenden Haltung in die Augen. Er beherrschte sich. Er brauchte mich ja noch - als Druckmittel.
"Mach daß du rauskommst, Sklave!" sagte er, viel ruhiger.
Ich stand auf, verneigte mich vor ihm und verließ hoch aufgerichtet den Raum.

Draußen lehnte ich mich vor Erschöpfung zitternd gegen die Wand. Im Raum hatte ich mir meine Schwäche nicht anmerken lassen, aber meine Kraft hatte kaum gereicht, um aus dem Zimmer zu gehen. Der Wachposten, der vor der Tür stand sah amusiert aus.
"Daß es jemand gewagt hat, ihm DAS ins Gesicht zu sagen." sagte er so leise, daß es von drinnen nicht zu hören war und nickte mir respektvoll zu. Dann half er mir zurück in mein Bett.

Später wurde ich abgeholt und erhielt zehn Peitschenhiebe.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


F83. Kersti: Fortsetzung: Ich wurde ja gebraucht - als Druckmittel!
F81. Kersti: Voriges: Merkwürdigerweise erleichterte mich die Kastration irgendwie
FI8. Kersti: Inhalt:
VA106. Kersti: Reinkarnation
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
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