4/2010
Vor dem ersten Behandlungsversuch hatten sie drei Wochen bis drei Monate für die Heilung veranschlagt gehabt, tatsächlich dauerte es drei Jahre, bis ich völlig geheilt war. Drei Jahre mit quälenden Schmerzen und regelmäßigen Regiebesprechungen, die mir vor Augen führten, wie mies es mir ging. Drei Jahre, in denen ich am liebsten gestorben wäre, damit die Schmerzen aufhören.
Jeredi drehte also während im Krankenhaus mein Arm regeneriert wurde den Film über meine Kindheit und Jugend. Und nach meinem Arbeitsvertrag, bekam ich jede Scene davon zu sehen. Das war dann auch so ungefähr das einzige, was mich in der Zeit ausreichend von den Schmerzen ablenkte, daß ich nicht ständig nur sterben wollte. Denn der Film gefiel mir und er wurde auch ein richtiger Puplikumserfolg.
Die Pressekampagne gegen Festrana, die auf Jeremias Ermordung aufbaute hatte Erfolg: sie brachte uns Hinweise aus der Bevölkerung ein, die dazu führten, daß der Mörder gefaßt wurde - und was viel wichtiger war - es konnte noch während ich im Krankenhaus war nachgewiesen werden, daß er tatsächlich von der Firma Festrana kam und das führte dazu, daß jeder, der von da ab mit Festrana Handel trieb, sich strafbar machte.
Nach Abschluß der Behandlung stellte sich wieder mal das Regiebesprechungsproblem: Da gab es drei Jahre, die sich angefühlt hatten wie Folter - und daraus sollte dann ein Film zusammengeschnitten werden, den die Leute gerne ansehen, die mich aus dem letzten Film über meine Kindheit und Jugend kennen und mögen.
Vor der Behandlung war mir durchaus klar gewesen, daß das geht, nachher konnte ich es mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen. Und vor allen Dingen wollte ich nichts vom Krankenhaus mehr sehen oder hören. Ein Wunsch, der selbstverständlich nicht in Erfüllung ging, denn der Film mußte fertig werden, um das Geld für meine Behandlung wieder einzuspielen.
Es gab also Interviews, in denen ich gefragt wurde, ob sich dieser lange Krankenhausaufenthalt
denn gelohnt hatte und wo ich besser nicht antworten sollte:
"Nein, das sind da alles Sadisten, die mich nur gefoltert haben."
Klar, so hatte ich es die meiste Zeit empfunden, aber gerecht wäre es nicht gewesen.
Glücklicherweise war das erste Interview mit
meinem alten Bekannten Ered. Er war für einen Menschen wirklich schon sehr alt und sein
Sohn machte inzwischen die Zeitung. Aber mit
ihm konnte ich offen über meine Gefühle reden
und dann in Ruhe überlegen, wie man das denn
für die Zeitung darstellt. Er hat im Grunde
mehr Zeit damit verbracht, mich zu trösten
und im Arm zu halten, als damit, über den
Zeitungsartikel zu reden, trotzdem hatten wir
nachher eine Formulierung die einigermaßen
richtig war, aber das Ganze nicht zu negativ
darstellt:
"Hat es sich denn gelohnt, die drei Jahre im Krankenhaus durchzustehen, um wieder einen
gesunden Arm zu haben?"
"Ich glaube nicht, daß ich den Mut gehabt hätte, mich darauf einzulassen, wenn ich das
geahnt hätte. Zeitweise wäre ich lieber gestorben als das noch länger zu ertragen. Und
im Augenblick fühle ich mich immer noch zu erschöpft und ausgelaugt, um mich wirklich
zu freuen, daß ich gesund bin. Aber ich glaube schon, daß ich in ein zwei Jahren finden
werde, daß sich die Strapaze gelohnt hat."
Um ehrlich zu sein, habe ich zu dem Zeitpunkt nicht glauben können, daß ich jemals finden würde, daß sich die Quälerei gelohnt hat.
Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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