1/2012
Die beiden Männer sahen mich an und verhandelten kurz über den Preis, dann wandte Koris
sich an mich:
"Kanto, Kevis hat mir erzählt, was geschehen ist und es tut mir unendlich leid für dich."
Er sah mich erwartungsvoll an, bis ich mit einem Nicken zu erkennen gab, daß ich verstanden hatte.
"Mein Herr hat befohlen, stumme Eunuchen
als Leibwächter für seine neue Frau zu kaufen. Ich finde das nicht sehr sinnvoll, weil
ich es für wichtig halte, mit meinen Untergebenen sprechen zu können, damit ich rechtzeitig erfahre, wenn irgendwo Probleme auftauchen, aber im Endeffekt hat der Herr zu
entscheiden und deshalb habe ich an dich gedacht, denn ich weiß, daß ich mich auf dich
verlassen kann." erklärte er mir.
Ich nickte.
"Doch zuerst muß ich wissen, daß du am Leben bleiben wirst. Piß da hin."
Er zeigte auf eine Abflußrinne im Boden. Ich
gehorchte, obwohl es wegen der noch nicht
ganz verheilten Wunde sehr brannte. Jetzt war
mir auch klar, warum ich unbedingt hatte trinken sollen. Es war der Beweis, daß ich überleben würde. Bei Männern gibt es zwei Formen
der Kastration: bei den Stämmen werden nur
die Hoden entfernt, während in den Städten
auch noch der Penis abgeschnitten wird. Die
letztere ist weitaus gefährlicher als erstere, da
es dabei oft passiert, daß die Harnröhre zuwächst und wenn das geschieht, stirbt der
betroffene Sklave nachher an innerer Vergiftung. Da man solche Eunuchen für den doppelten Preis verkaufen kann, wie die, denen
nur die Hoden fehlen, machen die Händler, erheblichen Gewinn durch eine solche Kastration.
Ich ging neben Koris her durch die Stadt zum Palast. Daß er mein Vorgesetzter sein würde und die Art, wie er mit mir gesprochen hatte, gab mir zum ersten mal, seit ich im Bett der Herrin erwischt worden war, wieder so etwas wie Hoffnung. Die Sonne war gerade erst aufgegangen.
Im Herrscherhaus angekommen, befahl mir Koris, mich zu waschen. Das war keine angenehme Erfahrung, denn die Wunde wo der Penis gewesen war, war noch nicht annähernd verheilt. Andererseits war es wirklich nötig, daß das angetrocknete Blut und der Dreck aus dem Kerker abgewaschen wurde.
Ich bekam meine Uniform ausgehändigt. Dann
gingen wir in die Küche frühstücken - nach
dem ersten Bissen, ließ ich erschrocken über
den Schmerz, das Brot fallen und hielt mir die
Hände an die Kehle. Ich überlegte ich ernsthaft, ob ich nicht lieber mit dem Essen warten
wollte, bis die Stelle, wo meine Zunge gewesen
war, wenigstens einigermaßen verheilt war.
Die Kaubewegungen und das Essen, auf der
noch unverheilten Wunde riefen unglaubliche
Schmerzen hervor.
"Schmerzen?"
Koris berührte mich an der Schulter und sah
mich mitleidig an. Ich nickte.
"Es ist wichtig, daß du trotzdem ißt. Die Operation ist schon eine Woche her und wenn du
mit der ersten Malzeit noch viel länger wartest, schwächt dich der Hunger zu sehr." erklärte er mir.
Eine Woche? Die Zeit in der dunklen Zelle war mir ewig vorgekommen, dennoch hatte ich angenommen, daß es nur ein paar Tage gewesen wären, weil die Schmerzen kaum nachgelassen hatten.
Zweifelnd sah ich das Brot an. Ich machte mich auf die Schmerzen gefaßt, nahm meinen Mut zusammen und biß ab. Diesmal nahm ich einen kleineren Bissen und hielt den Kopf schräg, damit das Brot nicht wieder auf die offene Stelle fiel, wo meine Zunge gewesen war. Da sie mir fehlte, konnte ich das Brot auch nicht mehr mit der Zunge zwischen die Zähne schieben sondern es blieb da liegen, wo es hinfiel. Nach wenigen Bissen nahmen die Schmerzen so überhand, daß ich mich weigerte, weiterzuessen.
Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615,
Internetseite: https://www.kersti.de/,
Kersti_@gmx.de
Da ich es leider nie schaffe, alle Mails zu beantworten, schon mal
im voraus vielen Dank für all die netten Mails, die ich von
Lesern immer bekomme.
Werbung ist nicht erwünscht und ich bin nicht damit einverstanden, daß diese Adresse für Werbezwecke gespeichert wird.