2/2012

Reinkarnationserinnerung - Niemand braucht Sklavenjungen

F148.

"So, jetzt mußt du nicht mehr so leiden."

Ich sah zuerst das Mädchen und dann die Jungen heiraten und stellte fest, daß ihre jungen Frauen sehr ängstlich waren, als die Hochzeitsnacht begann. Entsprechend der Sitten unseres Landes hatten sie ihre Männer nicht sehen dürfen, bevor sie sie heirateten und sollten nun mit einem Fremden ins Bett. Immerhin erzählte mir jede später, die Nacht wäre schön gewesen und die Hebamme bestätigte mir, daß sie nicht verletzt worden waren. Nun ja, in meinem Buch hatte ich auch ziemlich unmißverständlich geschrieben woran die Dinia letztlich bei der dritten Geburt gestorben war.

Ich überlebte meinen Herrn und sah seine Söhne die Herrschaft übernehmen. Danach wurden in unserem Haushalt keine Eunuchen mehr gekauft und keine kleinen Jungen kastriert. Ich beriet seine Söhne bei ihren politischen Entscheidungen und war bei allen wichtigen Besprechungen anwesend, vorgeblich um alle notwendigen schriftlichen Dokumente zu verfassen, tatsächlich jedoch, damit ich nachher sagte, wie ich über die verschiedenen Leute denke.

In diesem Leben wurde ich relativ alt. Ich war kaum dreißig gewesen, als das Pferd auf mich gefallen war. Als mein Pferd zu alt wurde, um mich noch zu tragen, schenkten sie mir ein Neues und als das an Alterschwäche starb ein weiteres. Ich sah Dinias Enkel und Urenkel heranwachsen und heiraten und auch für sie war ich eine wichtige Person, deren Rat sie in allen Lebenslagen lesen wollten.

Nun ja, vielleicht lag es auch nur daran, daß ich ihnen geduldig zugehört habe, statt ständig Weisheiten zu erzählen, die sie nicht hören wollten. Da schreiben recht anstrengend ist im Vergleich zum Sprechen, lernt man, sich auf das Wesentliche zu beschränken.

In dem Jahr, als Dinias erstes Ururenkelchen zur Welt kam - ein süßes kleines Mädchen - bekam ich eine Erkältung, die ich nie wieder richtig los wurde und die immer schlimmer wurde. Woche für Woche wurde es schlimmer und mir war bald klar, daß ich irgendwann an einem diese Hustenanfälle sterben würde, die immer schlimmer wurden. Als ich das erste mal Blut hustete erschreckte mich das, denn ich wollte diese Familie, in der ich mich so wohl fühlte, nicht verlassen. Ich wollte sehen, wie Dinias Urenkelchen gehen und sprechen, lesen und schreiben lernt, ich wollte das Mädchen heranwachsen und heiraten sehen. Ich kämpfte zornig gegen die Krankheit an und wollte sie nicht akzeptieren. Doch ich hustete jeden Tag mehr Blut und der Arzt wußte nichts dagegen zu tun. Und in den Büchern stand - wie ich wußte auch nichts was mir half.

Ich fand das gemein: Wenn man sich das Leben endlich mal so eingerichtet hat, wie man will, muß man sterben! Und ich wunderte mich über mich selbst - warum konnte ich mich ausgerechnet damit nicht abfinden, daß ich als bestimmt Hundertjähriger, der noch die Ururenkelin seiner Geliebten gesehen hat, sterbe. Es ist ja nicht so, daß ich ein Jugendlicher gewesen wäre, der das ganze Leben noch vor sich haben sollte. Ich war uralt, verkrüppelt, stumm, kastriert und ich fürchtete mich nicht vor dem Tod, fand auch nicht die Schmerzen schlimm, sondern war nur empört, daß ich nicht noch ein Kind aufwachsen sehen konnte, das ich liebte? Ja, ich mußte mir nicht einmal Sorgen machen, daß dem Kind etwas passiert. Die Familie würde gut für es sorgen. Was war denn mit mir los?

Mein empörtes Aufbegehren nutzte mir natürlich nichts, ich war bis ins hohe Alter relativ gesund geblieben, doch jetzt versagte mir der Körper den Dienst. Er war nicht mehr stark genug, um die Krankheit zu besiegen und wurde immer schwächer. Bald konnte ich nicht mehr aufstehen vor Schwäche - und wunderte mich irgendwo über meine Wut über diesen Tod, den ich vor mir sah. Wenn ich wach war, saß immer jemand am Bett und das genoß ich. Mal eine der Frauen, mal einer der Männer, mal waren es auch die Kinder, die mich aber nicht anfassen sollten. Ihnen war gesagt worden, sie sollten wenigstens einen Meter Abstand halten, damit sie sich nicht anstecken.

Irgendwann saß Edil, der jetzige Hausherr an meinem Bett. Ich hatte wieder einen dieser heftigen Hustenanfälle, bei denen ich so viel Blut spuckte. Ich sah eine plötzliche Handbewegung, spürte einen kurzen Schmerz am Hals, dann war ich plötzlich über meinem Körper. Er hatte mir die Kehle durchgeschnitten.
"Dieser Idiot!" dachte ich.
"So, jetzt mußt du nicht mehr so leiden." hörte ich ihn sagen.

Mit der Erkenntnis, daß er es nicht böse gemeint hatte, brach ich in Tränen aus.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


FF132. Kersti: Fortsetzung: Das innere Licht
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
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