erste Version: 10/2018
letzte Bearbeitung: 10/2018

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1141.

Wenn man das tiefe Glück erfahren hat, bei seiner wahren Berufung angekommen zu sein, kann man den Preis, den man dafür - immer - zu zahlen hat, besser akzeptieren

Vorgeschichte: F1140. Khar: Tharon verstand auch, warum ich es so befriedigend gefunden hatte, diesen ganzen Dämonen und Engeln in den Höllen zu helfen

Tharon erzählt:
Wir versuchen schon lange einen von diesen Exorzisten der Gefährten Jesu und ihrer Vorgängerorganisationen in die Finger zu bekommen, um sie umzudrehen. Das ist uns bisher aber noch nie gelungen, denn wenn man einen von ihnen fängt, ist er am nächsten Tag tot. Dabei ist der Körper immer völlig unverletzt. Ich weiß nicht, was sie glauben, was wir mit unseren Gefangenen tun und auch nicht, warum sie so völlig immun gegen die Erkenntnis sind, daß sie möglicherweise auf dem völlig falschen Dampfer sein könnten.

Ich weiß auch nicht, wie sie eigentlich den verschiedenen magischen Fallen entkommen sind, mit denen wir versucht haben, sie feinstofflich festzuhalten. Und noch viel rätselhafter ist mir, warum sie eigentlich noch nie auf den Gedanken gekommen sind, daß mit ihren Exorzismen irgendetwas komisch ist. Tatsächlich wären wir hochzufrieden, wenn sie regelmäßig alle halbe Jahr einen von uns mit einem dieser Exorzismen in irgendeine dieser Höllen verfrachten würden, ohne all den Mist zu bauen, den sie sonst noch machen wie die Seele vorher zerreißen. Ich habe mich auch gefragt, ob sie das vielleicht gar nicht wissen wollen. Vielleicht suchen sie ja, ohne es selbst wirklich zu wissen, unsere Hilfe.

Jedenfalls stecken wir in der absurden Situation fest, daß wir auf die Angriffe unserer größten Feinde angewiesen sind, um die Höllen mit unseren eigenen Leuten wiederzufinden und unsere Freunde befreien und heilen zu können. Dann sind dieselben Leute auch noch die größte Gefahr, mit der wir zu kämpfen haben, weil sie die Seelen ihrer Opfer so verkrüppeln, daß sie nicht mehr Herr über ihren eigenen Willen sind.

Gleichzeitig haben wir in den Höllen Verbündete, die seelisch so verletzt sind, daß sie nicht in der Lage sind, zu begreifen, was wir wirklich erreichen wollen und warum es funktionieren kann. Da sie aber nicht begreifen, worum es uns wirklich geht, weil das, was wir wollen, außerhalb ihres Vorstellungsvermögens liegt, haben wir da die zweite absurde Situation, nämlich daß unsere Verbündeten immer wieder mal unsere Pläne sabotieren, weil sie im Versuch, uns zu unterstützen, genau das falsche tun.

Auf der anderen Seite des Plans - bei den verbündeten Engeln - ist die Situation mindestens genauso absurd, allerdings habe ich da bei weitem nicht so genauen Einblick. Man merkt ihnen nur regelmäßig an, daß sie sich oft genauso verzweifelt fragen, wie sie uns den Fehler schon wieder erklären sollen. Als wenn wir nicht dieselbe Art an Problemen hätten!

Glücklicherweise nimmt die Zahl der Leute, die weit genug geheilt sind, daß sie den gesamten Plan verstanden haben, mit jedem Jahr zu, so das unsere Chancen sich nach und nach verbessern.

Ich hörte zu, wie Khar mir erzählte, wie er in dieser Hölle mit den ganzen Engeln ausgerechnet Michaela zu Hilfe gerufen hat, vor der er als kleines Kind solche Angst gehabt hatte und beobachtete dabei Körpersprache und Mienenspiel des jungen Mannes.

Anfangs, als ich nach meiner Verletzung wieder aufgewacht war, hatte der Junge wie ein aus dem Nest gefallenes Küken gewirkt. Er hatte verantwortungsbewußt und kompetent seine Pflicht getan, aber sich ganz offensichtlich nach Geborgenheit gesehnt. Ich hatte mich bemüht, ihm den Eindruck zu vermitteln, wir hätten alles im Griff. Es ist nur ziemlich schwierig dies überzeugend rüberzubringen, wenn man gerade bei einem Kampf beide Beine verloren hat, vor Schwäche kaum die Augen offen halten kann und Lügen auch falsch wären. Aber ein Lächeln und etwas Humor an den richtigen Stellen bewirkt da eine ganze Menge.

Das schien auch gut genug funktioniert zu haben, denn er wirkte bald eher wie ein Jugendlicher. Nicht wie die rebellische Sorte, sondern wie ein Junge, der sich bewußt ist, eine verantwortungsvolle Aufgabe übertragen bekommen zu haben und als verantwortungsbewußter und kompetenter Erwachsener anerkannt werden will, aber nicht merkt, daß genau das noch ein sehr kindlicher Zug ist, den wirklich Erwachsene außerordentlich niedlich finden. Ich beobachtete immer wieder amusiert, wie er Erwachsenen Anweisungen erteilte, wenn seine Aufgaben das erforderten, die dann auch widerspruchslos ausgeführt wurden. Das lag natürlich daran, daß er dabei sehr höflich war und außerdem genau das sagte, was die Situation gerade erforderte. Jeder, der ihm widersprochen hätte, hätte sich schlicht lächerlich gemacht.

Schon vor seinem unerwarteten Ausflug in die Höllen war mir wieder eine Veränderung aufgefallen. Sein Verhalten war bestimmter geworden und von mehr Selbstsicherheit getragen. Er wirkte wie ein kompetenter Erwachsener. Ich war der Ansicht, daß er auch den Rang brauchte, der zu seinem neuen Auftreten paßte, sonst würde das zu sozialen Verwerfungen führen. Also sorgte ich dafür, daß er zum Ritter geschlagen wurde. Er reagierte darauf, wie ich es erwartet hatte. Er machte das so beiläufig mit, daß klar war, daß er eine solche Zeremonie längst nicht mehr brauchte, um sich bewußt zu sein, wer er ist und was seine Pflichten sind. Sie bestätigte nur etwas, das schon längst Tatsache war, statt wie das bei den meisten jungen Männern ist, wenn sie zum Ritter geschlagen werden, etwas vorwegzunehmen, in das sie erst noch hineinwachsen müssen.

Bei unserem jetzigen Gespräch hatte sich wieder etwas verändert. Er strahlte eine tiefe innere Zufriedenheit aus, das Gefühl, da angekommen zu sein, wo er hingehörte. Das ist besonders bemerkenswert, weil er sich in demselben Gespräch offensichtlich der ganzen Gefahren, die mit unserem Beruf verbunden sind, wesentlich bewußter wurde. Andererseits war das natürlich kein Wunder. Wenn man das tiefe Glück erfahren hat, das es bedeutet, bei seiner wahren Berufung angekommen zu sein, dann kann man natürlich den Preis, den man dafür - immer - zu zahlen hat besser akzeptieren. Also wird man sich dessen auch leichter bewußt.

Wir bemühen uns, die Menschen zu finden, für die unser Beruf eine echte Berufung ist, aber es gibt natürlich viel mehr von denen bei uns, denen einfach niemand anders eine Chance geben wollte. Wenn man beispielsweise Khiris fragt, wie er es findet, ein Schwarzer Ritter zu sein, so sagt er immer, daß er sehr zufrieden ist. Er gibt sich rührend Mühe, alles richtig zu machen und macht, wo immer es nicht um Menschen sondern um Dämonen geht, seine Sache sehr gut. Wenn man ihn aber genau beobachtet, dann fehlt etwas zu diesem tiefen Glücksgefühl, das ich bei meinem Beruf empfinde. Man hat immer den Eindruck, er will eigentlich uns gefallen und bloß nicht zurück in die Höllen.

Kersti

Fortsetzung:
F1143. Tharon: Da Khar, egal ob ich abwesend, zu krank oder tot sein würde, immer wieder die magische Leitung zufallen würde, berief ich ihn in den Rat