erste Version: 12/2018
letzte Bearbeitung: 12/2018

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1147.

"Eine solche Schulleiterin entläßt man." sagte Khar.

Vorgeschichte: F1146. Tharon: Ich sorgte dafür, daß Khar und Ehon in ihre zukünftigen Aufgaben als Leiter unseres Standortes so schnell wie machbar eingeführt wurden

Rios erzählt:
Ich hätte von vorneherein gesagt, daß ich die ersten Male mit Khar in den Rat gehen sollte, denn wegen seiner Unerfahrenheit brauchte er noch dringender jemanden, der für ihn die Wogen glättet, als Tharon. Die Sitzung schien aber irgendwie funktioniert zu haben. Auch die zweite und dritte Sitzung funktionierte anstandslos.

Dann wurde Tharon wieder einmal krank und schickte mich mit Khar in den Rat. Der Junge äußerte Ideen, die von Tharon hätten stammen können und er war dabei so ungeschickt, wie Tharon gewesen war, als er als etwa dreißigjähriger neu im Rat war. Miriam, das alte Miststück krittelte ständig an ihm herum. Khar konnte jede ihrer Kritiken widerlegen, ich mußte nur gelegentlich etwas genauer erklären, wo ihm nicht die passenden Worte einfielen, um es verständlich auszudrücken.

Plötzlich sagte Miriam:
"Eins muß ich dir aber sagen Khar, ich finde es absolut herzlos, wie du dich so in den Vordergrund drängen kannst und Tharon seinen Posten wegnehmen willst, wenn er zu krank ist, sich zu wehren!"
Ich sah Khars schockiertes Gesicht und wie sich seine Augen sofort mit Tränen füllten und fuhr sie an:
"Wenn hier jemand ein herzloses Miststück ist, das sich einen Rang anmaßt, den es nie hätte bekommen dürfen, dann bist du das, Miriam! Du als Pädagogin müßtest es nun wirklich besser wissen als ständig auf einem armen Jungen herumzuhacken, der erst noch lernen muß, wie er seine Rolle ausfüllt!"
Als sie mir widersprach sagte ich ihr, daß ich ständig ihre Arbeit hatte machen müssen, damit sie nicht gerade die begabtesten Jungen mit ihrer arroganten bösartigen Art völlig kaputt macht und es sprudelte der ganze Ärger aus mir heraus, der sich in den ganzen Jahren in mir angesammelt hatte.

Offensichtlich waren die anderen mit mir einer Meinung und sagten ihr auch so einiges.
"Ruhe!" brüllte Khar.
Ich warf ihm einen Blick zu. Er hatte recht. Ich hatte die Beherrschung verloren und zwar völlig! Das dumme war, daß Miriam genau den Punkt getroffen hatte. Khar saß tatsächlich im Rat, weil Tharon zu krank ist. So krank, daß wir uns fragten, wie lange er noch zu leben hat. Nur war Tharon kein solcher Idiot, ihn daran hindern zu wollen, sondern er hatte Khar in den Rat geschickt, weil er ihn ausreichend ausgebildet und eingeführt haben wollte, bevor er stirbt. Und Khar war kein solcher Idiot, einen solchen Posten haben zu wollen, schließlich hatte er längst begriffen, daß Verantwortung vor allen Dingen viel Arbeit bedeutet, die niemand richtig würdigt. Das war ja auch genau der Grund gewesen, weshalb ich mit Khar, als ich ihm lieber Zeit gelassen hätte, um sich auszuruhen, oder eine Therapie, weil seine beiden wichtigsten Bezugspersonen so schwer verletzt worden waren, ihm stattdessen einem Grundkurs über Kommunikation mit wesentlich dümmeren Menschen gegeben habe, für den er eigentlich wesentlich zu jung war. Er hat zu dem Zeitpunkt zwar auswendig gelernte Sätze angewendet, aber nicht wirklich verstehen können, worum es dabei geht. Da Khar erst jetzt die emotionale Reife für so etwas hat, trägt der Kurs erst jetzt seine Früchte, wie ich beobachten kann.

Dieses blöde Weibsstück war die einzige, die nicht auf Khar gehört hatte, sondern immer noch ihren Mist darüber laberte, wie arrogant Khar angeblich wäre, Erwachsene anzubrüllen. Khar sah sie auf eine Weise an, wo ich an ihrer Stelle Angst gehabt hätte, daß mich allein sein Blick zu einem Häufchen Asche verbrennt.
"Miriam, offensichtlich sind sie die einzige an diesem Tisch, die nicht weiß, wann der Junge recht hat. Sie halten jetzt augenblicklich ihre Klappe." befahl ich.
Miriam starrte mich an.
"Und Rios hat übrigens recht. Eine Schulleiterin muß sich nicht mit jedem der Schüler verstehen, aber sie darf ganz bestimmt nicht in die Schule gehen und einem vierjährigen Schüler ein Buch wegnehmen, weil es angeblich nur für Erwachsene ist. Ich habe immer gewartet, bis du vorgelesen hat oder mit jemanden weg warst, wenn ich in die Bibliothek gehen wollte, weil ich mir dann die Bücher ausleihen konnte, die ich wollte. Außerdem hat des Bibliothekar immer gesagt, daß er mich zum Tragen braucht, damit ich mir in der Unibibliothek die Bücher ausleihen kann, die ich will. Und das haben mir alle so erzählt, die früher Abitur gemacht haben als normal." sagte Khar.
Ich war entsetzt. Ich hatte gedacht, wir hätten dieses Bücherproblem schon vor Jahren gelöst. Als wenn jemals ein Kind sich freiwillig ein Buch ausleihen würde, das es nicht versteht! Offensichtlich hatte sie nur angefangen, das vor den Führungspersönlichkeiten zu verstecken. Was macht man eigentlich mit einer Schulleiterin, die ihre Schüler gewaltsam am lernen hindern will und sich das nicht einmal verbieten läßt. Ich stellte diese Frage laut.
"Eine solche Schulleiterin entläßt man." sagte Khar.
Ganz so einfach war das natürlich nicht und Khar konnte sich auch nur erlauben, das so zu sagen, weil er eben noch nicht unser Anführer war sondern eine Art Praktikant im Rat. Sie war hier zuhause. Das war eine Lebensgemeinschaft und kein Arbeitsverhältnis und zu sagen, daß sie nicht mehr Schulleiterin ist, würde ziemlich sicher nicht bewirken, daß sie damit aufhört. Meine Güte, als Khar zu uns gekommen ist, war er noch im Kindergartenalter und hat Bücher gelesen, die sie durchaus auch gelesen hätte. Offensichtlich war sie nicht intellektuell überfordert von dem Jungen gewesen sondern fand es tatsächlich - ja was eigentlich? - wenn ein Vierjähriger schon seinen Grundschulabschluß hat und jetzt Erwachsenenbücher liest, weil er die interessanter findet. Er hat dann mit zehn Abitur gemacht. Daß er nicht mit acht schon fertig war, lag daran, daß er den letzten Biologiekurs zwei Jahre lang hat schleifen lassen, weil er die Inhalte des Medizinstudiums interessanter fand. Wir erinnerten ihn regelmäßig daran, daß er seinen Abschluß in Medizin aber nur dann bekommt, wenn er vorher sein Abitur hat. Schließlich fragte er, ob er nicht einen Biologie-Grundstudiumsschein zu Dinosauriern stattdessen machen könnte, weil er sich einfach nicht überwinden könnte sich mit den langweiligen Gymnasialbüchern zu beschäftigen. Für den wurde ihn dann ein Oberstufenschein bestätigt, weil er den Umfang einer kleinen Doktorarbeit hatte. Sein Abitur hatte er damit natürlich aber für einen Doktor hatte er doch noch zu wenig Biologie studiert.

Ich hatte danach keinen Einfluß mehr auf das Ergebnis der Diskussion. Alle redeten durcheinander weil sie nur eines wollten - eine möglichst sichere Methode, daß sie niemandem mehr die Bücher verbieten kann, die er lesen will. Ich hätte nicht gedacht, daß Miriam es sich dermaßen mit jedem ihrer ehemaligen Schüler verdorben hatte. Und mit deren Eltern. Na ja, so stimmt das sicherlich nicht. Es hat ja immer auch Kinder gegeben, die freiwillig zu ihr gegangen sind, das waren nur nicht die, die hier im Rat sitzen. Da sie es offensichtlich immer wichtiger gefunden hatte, Kindern, die nichts mit ihr zu tun haben wollten, Bücher zu verbieten, als die, die gerne von ihr lernen wollten, zu unterrichten, gab es eindeutig genug Leute, die ihr das Betreten der Schule schlicht verbieten wollten und notfalls eine Wache aufstellen, damit sie nie wieder in die Schule kommt.
"Wenn ich mir das recht überlegte, wäre es schön, wenn man sie irgendwo anketten würde, wo nur die zu ihr kommen brauchen, die etwas mit ihr zu tun haben wollen. Es darf ruhig in einer ruhigen Ecke der Schule sein, aber frei rumlaufen lassen kann man sie nicht." dachte ich mir, sprach das aber nicht aus. So sehr mir der Gedanke gefiel, war es einfach nicht angemessen, das in die Tat umzusetzen.
Außerdem wollten alle, daß sie die Bibliothek nur unter Aufsicht betreten darf. Wenn sich der Rat so einig ist, kann ich ihn nicht überstimmen, auch wenn ich beinahe Mitleid mit Miriam bekam, die am Boden zerstört wirkte. Andererseits hatte sie sich das verdient. Wirklich. Und Khar hatte recht, eine Schulleiterin, die den Schülern das lernen verbietet, entläßt man.

Nur warum kommt ein Mensch auf eine so absurde Idee? Wie kommt jemand auf den Gedanken, einem Kind unbedingt die Bücher verbieten zu wollen, die es lesen will? Warum ist das so wichtig, daß man dafür unbedingt hinter einem Kind herrennen will, das offensichtlich seine gesamte Intelligenz nutzt, um dem nicht ausgesetzt zu sein?

Khar hatte ja auch nicht zu viel gelesen. Er hatte durchaus noch Zeit gefunden Reitlehrer in den Wahnsinn zu treiben indem er auf junge halb zugerittene Hengste gestiegen ist und mit ihnen Unsinn zu machen, für die sich ein kleiner Junge schon mit einem Hengst verbünden muß, um auf so viele absurde Ideen zu kommen. Wenn ich es mir recht überlege, war es glaube ich immer derselbe junge Hengst, auf den niemand, der noch bei Verstand ist, ein Kind hätte steigen lassen. Khar hatte natürlich niemanden gefragt, ob er auf das Pferd steigen darf, sondern hatte es immer heimlich gemacht. Khar hatte auch Gelegenheit gefunden als Vierjähriger das Uhrwerk der großen Standuhr zu zerlegen, um zu sehen, wie es funktioniert. Der Uhrmacher hat nachher lange gerätselt wie die Zahnräder eigentlich ursprünglich drin waren. Und die Kindergärtner - da war ich mir sicher - waren sehr froh, daß er nicht seine gesamte Intelligenz darauf verwendete irgendwelche Geräte zu konstruieren oder sonstige Ideen umzusetzen mit der ein intelligenter fünfjähriger Junge einen ganzen Kindergarten kopfstellen oder auch nur mit seinen wichtigen Bauwerken zu einem Hindernislauf umfunktionieren kann.

Ich wollte gerade schreiben, alle wären froh gewesen, wenn er nur gelesen hätte - aber nein, das stimmt nicht. Ich habe mich immer, wenn ich mal wieder das Bedürfnis hatte, etwas Lustiges zu hören, erkundigt, was Khar mal wieder angestellt hat. Es gab immer eine neue Schote, über die ich herzlich lachen konnte.

Wie auch immer - nachdem geklärt war, daß niemand mehr Miriam als Schulleiterin haben wollte, war die Frage, wen wir stattdessen wählen würden und wir einigten uns auf Anna.

Kersti

Fortsetzung:
F1148. Khar: Ich dachte mir, daß Miriam ganz schön wahnsinnig sein mußte, wenn sie nicht merkte, daß hier ganz extreme Maßnahmen ergriffen worden waren, um das Überleben der Gruppe zu gewährleisten, die für die Leute, die da so schnell bevördert worden waren, schädlich waren