F1512.

Ich führte Gespräche, erzählte meine Geschichte und beantwortete Verschwörungstheorien, die den menschlichen Offizieren dazu eingefallen waren und erklärte, warum das so nicht stimmen konnte

Vorgeschichte: F1511. Danien Wolf: Die stellvertretende Regierungsvorsitzende Err sa Diama fragte mich, ob wirklich Menschen essen das wäre, weshalb die Menschen nicht auf ihre Friedensangebote eingehen

Danien Wolf erzählt:
Die stellvertretende Regierungsvorsitzende Err sa Diama wies mir im Gefängnistrakt, der wie ein luxuriöses Bürogebäude wirkte und der Regierung gehörte, drei Zimmer und eine einheimische menschliche Sekretärin für die Arbeit zu. Dort hatte ich auch täglich einen Gesprächstermin mit einem Regierungsvertreter. Sie hatte mir erklärt, daß sie so oft wie möglich selber kommen würde, aber um den Kontakt eng genug zu halten würde sie halt jemanden anders schicken, wenn sie aufgrund ihrer vielen anderen Verpflichtungen nicht kommen könnte. Das Intranet des Gefängnistrakts war physikalisch von Internet getrennt, ich selber hatte aber einen Zugang, mit dem ich das Internet frei und mit den Freigaben einer Echse benutzen konnte.

Ich hatte mein Vorgehen mit Err sa Diama abgesprochen. Grundsätzlich hielt ich es für sinnvoll, mit jedem zuerst einzeln zu sprechen und während dieser Gespräche jeden Abend die Emails zu beantworten. Später würden wir dann irgendwann die Türen öffenen, so daß wir nicht nur das Computernetz im Gebäudetrakt sondern auch die Konferenzsääle für die Gespräche nutzen konnten.

Die Eingangsgespräche waren langwierig, denn meine Gesprächspartner hatten dasselbe Problem, was ich gehabt hatte, als Aannann mir mitteilte, daß ich nicht völlig aufgegessen werden sollte und später als Err sa Diama mir nach und nach klar machte, daß sie ihre ganze Kultur umzukrempeln versuchen würden, nur um mit uns einen Frieden zu bekommen, der diesen Namen verdient. Meine Mitgefangenen hatten schon ernste Schwierigkeiten, ihren Augen zu trauen, daß sie nicht die üblichen monatelangen Foltern erlebten. Diese Art sich zu verhalten war so untypisch für das, was sie von den Reptos kannten, daß dadurch gleich das ganze Weltbild kopfgestellt war.

Ich ging also jeden Tag zu einem anderen und führte mit jedem ein langes Gespräch, in dessen Verlauf ich jedes mal meine gesamte Geschichte von der Gefangenname bis zu dem augenblicklichen Gespräch erzählte, inklusive der mißlungenen Fluchtversuche. Danach setzte ich mich in mein eigenes Büro und beantwortete Emails mit den erstaunlichsten Verschwörungstheorien, die den hochrangigen Offizieren zu meiner Erzählung eingefallen waren und erklärte, warum das so nicht stimmen konnte. Meine Sekretärin war ernsthaft entsetzt, wenn sie las, was für Unterstellungen ihnen so eingefallen waren. Ich mußte bei jeder zweiten Email herzlich lachen, weil die Ideen, auf die sie dabei kamen, so irre waren.

Ich hatte mich natürlich über mich selbst gewundert, als ich auf jede gute Nachricht mit immer noch krauseren Theorien reagiert hatte, warum das ganz bestimmt nur eine ganz besonders bösartige Art von Betrug sein könne. Man sollte meinen, wenn ich am Leben bleibe und dann noch einen Frieden vermitteln kann, wäre das etwas, worüber man sich einfach freut, aber nein, ich habe plötzlich angefangen den Echsen, die ich auch mit all ihren positiven Eigenarten kannte, bösartige Pläne zu unterstellen, auf die ich vorher, als sie mich noch ganz eindeutig als Nahrungsmittel, das mit seiner Rolle zufrieden zu sein hat, klassifiziert hatten, gar nicht gekommen war. Ich hatte es nicht gewagt, mich mit irgendeinem darüber zu unterhalten, denn wenn ich mich schon nicht verstanden hatte, wie hätten sie mich dann verstehen können?

Die weitaus meisten dieser Unterstellungen waren völlig absurder Unsinn, der sich sofort als der Schwachsinn, der es war, aussortieren ließ. Es blieben aber einige Ideen übrig, die zumindest ein wenig stichhaltig gewirkt hatten. Da ich es mir einerseits nicht hatte leisten können, es mir mit den hochrangigen Echsen zu verderben, andererseits aber für meinen eigenen Seelenfrieden stichhaltige Widerlegungen meiner Verschwörungstheorien brauchte, suchte ich nach unauffälligen Möglichkeiten, sie zu überprüfen und fand meist auch etwas, das funktionierte, schon weil die Echsen bereit waren, mich alles besichtigen zu lassen, was kein wichtiges Staatsgeheimnis war.

Mit der Zeit kam ich zu dem Schluß, daß es ein angeborener psychologischer Mechanismus war, der gar nicht so unvernünftig war, wie es mir erschien. Schließlich sind sowohl Menschen als auch Echsen Wesen, die man immer wieder mal bei Betrug erwischt und wenn etwas völlig Unerwartetes passiert, macht es daher Sinn, zu prüfen ob einen jemand betrügen will.

Ich erklärte meine Sekretärin also, daß ich auch auf solche Gedanken gekommen war, gab ihr davon ein paar Kostproben die weitaus absurder waren als die Ideen, die ich zugeschickt bekam. Danach erklärte ich ihr, wie ich mir diesen absurd erscheinenden psychologischen Mechanismus erklärte und daß sie mir das schrieben, weil sie sich über sich selber wunderten und meinten daß ich eine vertrauenswürdige Person wäre, mit der sie den Unsinn aussortieren könnten. Sie wirkte immer noch entsetzt und verwirrt. Drei Tage nach diesem Gespräch erklärte sie mir aber, daß sie entdeckt hätte, daß es ihr genauso gegangen wäre, nur halt nicht mit genau denselben Ideen, weil sie sich über ganz andere Dinge gewundert hatte, als die Echsen plötzlich die gesamte Gesellschaft umkrempeln wollten.

Ich benutzte meine eigenen absurden Ideen um meine Kollegen dazu zu bringen, ebenfalls die völligen Absurditäten auszupacken, so daß meine Sekretärin auch das zu sehen bekam und dadurch begriff, daß meine Deutung richtig war. Allerdings merkte ich auch, daß meine Kollegen mir nicht völlig vertrauten, denn sie dachten sich einige sehr kreative Tricks aus, um auf höfliche und für Echsen nicht erkennbare Weise zu prüfen, ob ich wirklich derjenige war, der ich zu sein behauptete. Ich beantwortete also diverse Anspielungen auf Interne Witze unserer Armee und amusierte mich im Stillen darüber, auf was ein Mensch alles kommen kann.

Kersti

Fortsetzung:
F1513. Danien Wolf: Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Zuchtmenschen die Fantasie fehlte, um Verschwörungstheorien zu erfinden, daher mußte der Grund für ihr Schweigen woanders liegen

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben