F1516.

Ich erklärte, daß eine Diskussion über einen funktionierenden Friedensvertrag, davon handeln müsse, warum wir die Echsen und umgekehrt sie uns für Barbaren halten

Vorgeschichte: F1515. Danien Wolf: "Darauf bin ich gekommen, aber das ist so irrational wie die Verschwörungstheorien von eben. Geson mußte eine Entscheidung treffen, sonst wären wir alle fünf gestorben." sagte Sillvar

Danien Wolf erzählt:
Am nächsten Tag begannen die eigentlichen Gespräche darüber, was ein funktionierender Friedensvertrag alles enthalten muß. Ich hatte meine Zimmer an einem Ende des Ganges, nahe beim Eingang der Zimmerflucht und folgte dem Gang zum anderen Ende, während ich ein Zimmer nach dem anderen aufschloß, um die Leute zum Konferenzsaal mitzunehmen, der dort die gesamte Breite des Gebäudes einnahm. Wir 17 Leute machten den Saal noch längst nicht voll, aber ich ging davon aus, daß wir nicht allein bleiben würden, schließlich wollten diverse Echsenpolitiker mit uns reden.

Ich hieß die Leute zuerst willkommen, erklärte ihnen, daß sie sich ab jetzt frei in der Zimmerflucht bewegen konnten und daß der Grund, warum ich das vorher nicht zugelassen hatte gewesen war, daß jeder mir so viele Verschwörungtheorien geliefert hätte, daß ich mir dachte, daß es klüger ist mit jedem einzeln zu reden, weil ich glaube, daß es den Echsen ernst ist und selbst wenn sich einige Menschen und Echsen dessen immer noch nicht sicher sind, wäre es am klügsten, im wesentlichen zu handeln, als würden wir annehmen, daß es ihnen ernst ist, weil das das einzige ist, was uns weiterhelfen würde, sowohl persönlich als auch politisch. Außerdem wäre ein solches Vorgehen auch das Beste, was wir tun könntren, um eventuelle Zweifler davon zu überzeugen, daß der Friedensvertrag wünschenswert ist.

Ich erinnerte daran, daß das selbstverständlich kein Grund ist, die Geheimhaltung schleifen zu lassen. Dann forderte ich den Ingenieursoffizier Deris LZB83-541-27 auf, seinen Kollegen doch bitte mal zu erklären, warum ich von ihm keine solchen Verschwörungstheorien zu hören bekommen hatte.

Deris hielt daraufhin einen längeren Vortrag darüber, welche Überwachungsgeräte in jedem öffentlichen Gebäude unserer beiden Heimatplaneten eingebaut sind und daß selbst unsere Privaträume normalerweise diverse Geräte enthalten, die ein kompetenter Hacker benutzen kann, um jeden unserer Schritte überwachen zu können. Er erklärte, daß er davon ausginge, daß die Echsen vergleichbare technische Anlagen hätten. Selbstverständlich würde man sich unter normalen Umständen keine Sorgen machen, daß man überwacht werden könnte, weil sich niemand diese Mühe ohne triftigen Grund macht. Aber unter den gegebenen Umständen könnte man davon ausgehen, daß das Thema so wichtig für die Echsen wäre, daß sie tatsächlich jede unser Emails gelesen hätten und jedes unserer privaten Worte abgehört hätten.

Ich hörte ihm zu und dachte mir, daß mir dadurch einiges klar wurde, was ich an den Technikern bisher nicht verstanden hatte. Beispielsweise hatte es immer Leute gegeben, die meinen Ingenieursoffizier nie zu sehen bekamen und ihre Reparaturwünsche nur schriftlich einreichen konnten. Mir war aufgefallen, daß das meist Leute waren, von denen ich mich auch nach Kräften ferngehalten hätte, wenn ich nicht ihr Vorgesetzter sondern ein Zuchtmensch gewesen wäre. Nur konnte ich mir bisher nicht erklären, wie sie es schafften, daß es nicht einmal zufällige Begegnungen gab, denn normalerweise gingen sie schon wie jeder andere durch die Gänge des Raumschiffes. Diese Gedanken sprach ich aber nicht aus, weil ich nicht dachte, daß das dem Techniker recht gewesen wäre. Schließlich wüßte ich nicht, was falsch daran sein könnte, wenn man die Kameras benutzt, um unangenehmen Typen auszuweichen, die sonst nur zum Spaß den Strafer verwenden würden, um einen zu foltern und die sich so ein Benehmen von ihren Vorgesetzten auch nicht wirkungsvoll verbieten lassen. Das heißt, wann immer ich nicht hingucke, machen sie so etwas trotz Verbot.

Als er fertig war bedankte ich mich bei ihm und als dann der Höchstrangige von uns Gefangenen die naheliegende Frage stellte, ob das denn schon zu Problemen geführt hätte, schließlich wüßte er, was ihm in der letzten Zeit für Gedanken gekommen wären, erteilte ich meiner Sekretärin das Wort.

Sie erklärte, daß wir beobachtet worden seien und daß sie im Grunde ganz froh darum sei, weil sich dadurch die Gelegenheit ergeben hätte, mit ihren Vorgesetzten darüber zu reden, wie negativ das Bild der Menschen von den Echsen sei und wie man mit so etwas klug umgeht. Sie sei der Ansicht, daß ihre Vorgesetzten ein wirkliches Interesse an einem Frieden hätten, daß so etwas aber bei allem guten Willen schwer zu erreiche sei, weil es auf beiden Seiten viele Vorurteile und viel alten Haß gebe, den man bei jedem Plan, einen Frieden zu erreichen, mit einkalkulieren müsse, um weder zu früh aufzugeben, noch sich durch Dinge aus der Bahn werfen zu lassen, die eigentlich vorhersehbar gewesen seien. Außerdem könnten wir uns ja vorstellen, daß sie als Mensch ein sehr großes Interesse an einem Friedensvertrag hätte, bei dem eine der wichtigsten Bedingungen wäre, daß keine Menschen mehr geschlachtet werden.

Ich dachte mir, daß das das klarste Wort über Schlachtungen sei, was ich von einem durch Echsen gezüchteten Menschen je gehört hatte. Andererseits war sie da wie unsere Zuchtmenschen. Man traut ja auch unseren gezüchteten Kriegern nicht zu, daß sie jemals den Befehl verweigern würden. Offensichtlich haben sie das aber getan, als wir ihnen ohne jeden nachvollziehbaren Grund verbieten wollten, unsere Fußsoldaten vom Planeten zu retten. Gezüchtete Menschen übertreten durchaus gesetzte Regeln, das aber nur dann, wenn sie sich vorher ausgerechnet haben, daß sie damit durchkommen und dafür am Ende sogar belobigt werden. Die gute Frau meinte das ganz bestimmt ernst, aber sie würde es den Echsen gegenüber damit begründen, daß sie ja unser Vertrauen gewinnen müsse, damit wir reibungslos mit ihr zusammenarbeiten können.

Ich erklärte, daß eine Diskussion darüber, was ein funktionierender Friedensvertrag wäre, genau mit den Dingen beginnen müsse, die davon handeln, warum wir die Echsen für Barbaren halten und umgekehrt sie uns für Barbaren halten, weil das die wichtigsten neuralgischen Punkte unserer Beziehungen sind. Außerdem wäre es sehr klug, sich bewußt zu machen, daß Echsen sind wie Menschen: Wenn man ein Gesellschaftssystem grundlegend ändern will, finden sich immer Leute, die die Änderung für böse erklären werden, weil man das noch nie so gemacht hat. So etwas ist irrational, aber die Echsen werden damit zu kämpfen haben, genau wie unsere Regierungen damit zu kämpfen haben, wann immer sie Reformen durchbringen wollen.

Einer von unseren Ungeziefer-Offizieren meinte daraufhin, daß man das ja gemerkt hätte. Jeder könne sehen, daß die Glühwürmchen deshalb ständig massiven Personalmangel hätten, weil in ihren Schiffen nicht jeder einen Raumanzug hätte. Trotzdem hätte es ohne vernünftigen Grund heftigsten Widerstand gegen die Ein-Raumanzug-pro-Mensch-Regel gegeben. Ein Glühwürmchen konterte, jeder könne ja sehen daß die Ungeziefer unnötig viele Leute auf den Schiffen hätten, und das alles nur, weil sie darauf beständen, daß man genug Leute haben müßte, um im Gefechtsfall auch alles von Hand reparieren zu können, obwohl das schon prinzipiell unmöglich ist. Letztlich wäre in unseren Schiffen vieles nur deshalb nicht automatisiert, weil wir der Religion anhängen würden, alles von Hand machen zu müssen. Ich würgte die Diskussion mit den drei Worten "Genau das meine ich." ab und bat die Kontrahenten zum Thema zurückzukehren, weil wir dieses Problem hier jedenfalls nicht lösen könnten.

Nachdem ich so die Eckpunkte abgesteckt hatte, wurde nicht viel Wichtiges mehr besprochen, außer daß die Zuchtmenschen vorschlugen, alle wichtigen Diskussionspunkte in ein Diskussionforum einzutragen, was sich selbstverständlich auch die Echsen ansehen konnten und sollten.

Kersti

Fortsetzung:
F1517. Danien Wolf: In den folgenden Tagen stellte ich fest, daß jeder - gleich ob Echse oder Mensch - mit mir reden wollte, wann immer er ein Problem sah

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben