erste Version: 2/2020
letzte Bearbeitung: 2/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Kriminelle Adelige und tödliche Sklaven

F1628.

Ich fragte mich, wo Tharr vom Licht die Arroganz hernahm, Adeligen wirklich richtig schlechte Bewertungen zu geben

Vorgeschichte: F1634. Tharr vom Licht: Die Kriegssklaven waren die ersten gewesen, die mir mal den Rücken freigehalten hatten und das rechnete ich ihnen hoch an

Sim vom Licht erzählt:
Tharr vom Licht hatte sich irgendwann freiwillig als Kapitän auf die Thorion versetzen lassen. Gut, dafür hatte er eine vorzeitige Bevörderung bekommen, trotzdem gab es keinen Sinn, da dienen zu wollen, wo all die Verbrecher hinkamen. Dann stellte ich fest, daß er offensichtlich wußte, was er tat. Es gab auf seiner ersten Fahrt keinen Todesfall, bevor die Schlacht begann. Auch auf dem Rückflug starben selbst von den Verletzten, die an Bord genommen worden waren, weniger als normal, obwohl er für diese Zahl Patienten nicht genug medizinisches Personal gehabt hatte. Er begründete das damit, daß er XZB12s als Hilfspfleger eingesetzt hätte, um alle versorgen zu können, aber das gab nicht wirklich Sinn. Sie hatten ja bekanntlich nicht einmal erste Hilfe gelernt. Wie er es geschafft hatte mit einem Flug der Landefähre so viel Leute an Bord zu nehmen, war mir völlig unverständlich und es wurde auch nicht erklärt. Es gab auch keinen Sinn, warum jede Mannschaft, die er in den Fängen gehabt hatte, nachher wirklich gute Arbeit leistete. Außerdem fragte ich mich, wo er eigentlich die Arroganz hernahm, Adeligen wirklich richtig schlechte Bewertungen zu geben, so schlecht, wie man sie unfähigen Leuten aus einfacheren Verhältnissen gibt.

Aus irgendeinem rätselhaften Grund kam das positiv bei dem König an und er meinte, Tharr solle mein Nachfolger werden, wenn er sich in den ersten Jahren als kompetent zeigt. Nun, mal sehen. Ich kannte ihn noch nicht und deshalb wußte ich nicht, wieso er eigentlich überhaupt noch lebte. Natürlich war er im Palast aufgewachsen aber er war eben eines von vielen Sklavenkindern gewesen. Ich hatte ihn höchstens flüchtig gesehen.

Dann stellte er sich mir vor.

Tharr vom Licht war im erstaunlichen Maße auf Krawall gebürstet. Erstaunlich deshalb, weil er ja offensichtlich jeglichen Ärger, den er bekommen hatte, nur deshalb bekommen hatte, weil er zu kompetent war. Für meine Begriffe war so eine steile Karriere, wie dieser junge Mann sie hingelegt hatte, einfach nicht mit dieser rebellischen Ader, die er hatte, vereinbar. Natürlich hatte er diese Karriere hingelegt, also war meine Sicht darauf ein Vorurteil. Mir gefiel Tharr, aber ich muß sagen, daß meine Sympathie die Art von Sympathie war, die man hegt, wenn man mit Leuten umgeht, die all die Dinge wagen, die zu tun man selbst nie gewagt hätte. Und da ich gute Gründe hatte, vorsichtig zu sein, hatte ich Zweifel an der Vernunft hinter meiner Haltung gegenüber dem jungen Mann.

Tharr wischte meine Bedenken mit einer Geste zur Seite und erklärte mir, daß ihm Vorsicht nur in sofern etwas gebracht hätte, daß er die beinahe tödlichen Fallen, die ihm in seiner Jugend gestellt worden seien, rechtzeitig bemerkt hatte. Die Art von Vorsicht, die mit kuschen zu tun hätte, hätte ihm nie auch nur fünf Zentimeter weitergeholfen. Ich fragte mich, warum er dann noch lebte, denn unter den Adeligen gibt es Kriminelle. Natürlich wurde für deren Verhalten ein völlig anderes Wort verwendet als für die Kriminalität der Straßenräuber. Bei ihnen galten Morde auch nicht als Verbrechen, sondern als etwas was ihnen rechtmäßig zusteht und die meisten Adeligen schienen dieses Verhalten auch noch für ein Zeichen von Mut zu halten, während sie sich einbildeten, daß die Verbrechen der Unterschicht etwas völlig Anderes wären. Ich konnte nur einen Unterschied entdecken: Die Verbrechen der Straßenräuber erforderten mehr Mut und mehr Kompetenz, weil man immerhin in der Lage sein mußte, sich dem Arm des Gesetzes zu entziehen, um da einigermaßen erfolgreich zu sein. Adelige Kriminelle brauchten nicht einmal das. Sie wurden für ihre Verbrechen niemals belangt. Gut, im Palast gab es dafür immerhin Palastverweis. Damit sind unsere Haussklaven geschützt aber mehr auch nicht.

Ich fragte mich sowieso schon seit Jahren, warum Tharr noch lebte. Er war offensichtlich, als er kaum von der Universität gekommen war, schon so erfolgreich gewesen, daß man ihn hatte loswerden wollen und als er nach einer Fahrt auf der Thorion noch nicht tot war, versuchten sie zehn Jahre lang, ob es nicht beim nächsten Versuch doch noch klappt.
"Sag mal Tharr, warum hast du dich eigentlich, kaum daß du von der Thorion weg warst, gesagt, daß du dahin zurück willst?" fragte ich ihn.
"Weil das sicherer war." antwortete er.
Das verstand ich nicht. Auf einem normalen Schiff gab es zwei bis drei Kriminelle, auf der Thorion waren es die Hälfte der Offiziere. Das konnte überhaupt nicht sicherer sein. Ich fragte also nach.
"Die wirklich gefährlichen Typen, die Mordanschläge begehen, sind etwa zehn Prozent der Mannschaft. Der Rest ist lediglich lästig. Und spätestens nach einer Woche sind die Mörder tot und die anderen verängstigt. Außerdem braucht man nur zu den Kriegssklaven reinzugehen, dann ist man jeden, der ein Problem ist, erst einmal für geraume Zeit los."
Ich fragte ihn, ob ihm denn bei den Sklaven drinnen nie ein seltsamer Unfall begegnet sei.
"Nein. Ich wurde immer höflich begrüßt. Sie haben sich bemüht, mir möglichst angenehme Untergebene zu sein und sich im vorauseilendem Gehorsam geübt. Ich brauchte gar nichts tun, damit alles was ich dort mache, wie am Schnürchen klappt." antwortete er.
Das hatte ich noch nie gehört. Was mir Leute, die die Thorion überlebt hatten, erzählt haben, ging weit auseinander, aber daß die Kriegssklaven wußten, wie man gehorsam und höflich ist, war mir bisher unbekannt gewesen. Außerdem ging hartnäckig das Gerücht um, sie würden Offiziere, die ihnen nicht genehm sind, einfach bei der Rückkehr in die Landefähre erschießen. Es gab für dieses Gerücht keinen Beweis, das war aber auch nicht weiter verwunderlich, denn ich konnte mir schon vorstellen, daß die Techniker recht dankbar sind, wenn man diejenigen Adeligen aus ihrem Umfeld entfernt, die dazu neigen sie zu foltern.
"Weißt du, warum sie sich so verhalten haben?" fragte ich.
"Das hatte zwei Gründe. Einerseits hatte ich bei Sklaven einen guten Ruf und das war auch bei ihnen angekommen, bevor ich ihnen das erste mal persönlich begegnet bin. Andererseits habe ich sie behandelt, wie jeden Untergebenen. Zuerst einmal bin ich höflich und freundlich und erst wenn jemand Ärger macht, greife ich zu anderen Mitteln. Die Kriegssklaven waren es offensichtlich nicht gewöhnt, daß man sie wie Menschen behandelt, also haben sie das sehr positiv aufgenommen." antwortete er.

Ich weiß nicht, warum ich drei Tage brauchte, bis ich dahinterkam. Danach fragte ich mich, wie ich eigentlich so blind hatte sein können. Ganz grundlos war meine Begriffsstutzigkeit natürlich nicht, denn die XZB12s hatten den Ruf von hirnlosen Muskelprotzen oder furchterregenden Raubtieren. Da ich nie einen von ihnen kennengelernt hatte, war ich nicht auf den Gedanken gekommen, daß das falsch sein könnte.

Was Tharr mir über sie erzählte, paßte gar nicht in dieses Bild. Dummköpfe sind entweder massiv gewalttätig wenn man sie mißhandelt oder aber unterwürfig. Um diejenigen, die einen nicht bedrohen, mit Gehorsam zu belohnen und die anderen in Angst und Schrecken zu versetzen, ohne einen konkreten Ansatzpunkt für Strafen zu bieten, braucht man deutlich mehr Intelligenz und eigentlich auch Bildung. Das war seltsam, denn sie wurden zwar an den Waffen ausgebildet, die sie benutzen sollten, jegliche andere Bildung wurde ihnen aber gezielt vorenthalten. Ihre Gerüchteküche mußte eine Qualität haben, die deutlich über dem stand, was anderswo als solche fungiert. Das gab nicht wirklich Sinn, denn sie sollten eigentlich keinerlei Informationsquellen haben, da ihnen kein Kontakt mit Leuten erlaubt war, mit denen sie nicht unbedingt zu tun haben mußten, damit sie erwachsen werden und in den Krieg geschickt werden können.

Nun und Tharr hatte offensichtlich erkannt, daß sie, sowohl was ihren Charakter anging, als auch in ihrer Intelligenz besser waren als ihr Ruf und er hatte sich mit ihnen verbündet, um zu überleben.

Kersti

Fortsetzung:
F1630. Tharr vom Licht: Ich stellte fest, daß selbst der König schleimig sein kann

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben