erste Version: 3/2020
letzte Bearbeitung: 3/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Kriminelle Adelige und tödliche Sklaven

F1662.

Wir hatten es zu oft erlebt, daß sie uns Dinge nur deshalb verboten haben, weil wir sie wollten

Vorgeschichte: F1661. Treron XZB12-5-13: Tharr war unglücklich gewesen, als der König ihn in den Palast rief und er war immer noch unglücklich, als er zu uns zurückkehrte

Seman LZB7-200-30 erzählt:
Ich habe schon viele Befehlshaber auf der Zuchtstation kommen und gehen sehen und auf jeden von ihnen hätte ich gerne verzichtet. Das Schlimmste war, daß man immer erst ein paar Monate braucht, um den neuesten Idioten erst einmal so weit einzunorden, daß man überhaupt Gelegenheit findet, seine eigentliche Arbeit zu tun. Daher erwartete ich nichts Gutes, als schon wieder ein Neuer kommen sollte.

Das erste, was mich verblüffte war, daß er mit mir sprechen wollte, bevor er sich mit dem vorherigen Befehlshaber trifft. Ich hatte schon Gerüchte gehört, daß die Kriegssklaven Tharr vom Licht mögen, aber ich glaubte eigentlich nicht, daß das an etwas anderem liegen könnte, als daran, daß sie etwas komisch sind, wie jeder weiß, der die Krieger kennt. Mir ist unverständlich, wie man einen Freigeborenen mögen könnte. Da ist doch einer schlimmer als der andere.

Immerhin war Tharr nicht die Sorte, die den Strafer benutzt, statt guten Tag zu sagen. Irgendwie schien er auch das Wort freigeboren nicht zu mögen, trotzdem bestrafte er mich nicht sondern erklärte, daß er als Sklave im Palast zur Welt gekommen war und vor allen Dingen nicht mit einigen Adeligen, die er im Laufe seines Lebens erlebt hatte, in dieselbe Schublade gesteckt werden wollte. Man hätte bei denen ja den Eindruck, sie würden glauben daß ein Raumschiff fliegt, weil es Angst vor ihnen hat. Das klang, als hätte er sogar so etwas wie Humor, statt der sadischischen Neigungen, die Freigeborene normalerweise mit Humor verwechseln.

Dann erklärte er mir, er wolle eine Führung durch die Zuchtstation, bei der er vor allem mit denjenigen erfahrenen Zuchtmenschen reden wolle, die bei ihresgleichen besonders angesehen seien. Ich fragte mich, warum ihn das interessierte. Dafür hatte sich noch nie ein Freigeborener interessiert. Ich führte ihn also durch die Zuchtstation und ließ ihn mit einigen Leuten reden, was uns immerhin eine Gelegenheit geben würde, ihn schneller gut genug kennenzulernen, um ihn von den gößten Dummheiten abzuhalten.

Er fragte jeden von ihnen, was sie meinten, was man hier als erstes verbessern müßte, aber niemand war da sehr offen. Wir hatten es zu oft erlebt, daß sie uns Dinge nur deshalb verboten haben, weil wir sie wollten.

Danach redete er mit seinem Vorgänger und schließlich mit den Freigeborenen. Das allerdings war etwas komisch, denn er schien sie danach sortiert zu haben, wie verträglich oder im Gegenteil unausstehlich sie sind. Und was er ihnen sagte, verblüffte mich auch, als ich die Reden neben meiner Arbeit abhörte. Er hat ihnen nämlich als allererstes die Benutzung des Strafers verboten, es sei denn wir hätten jemanden umgebracht oder so. Das meldete ich an die anderen weiter, weil das wirklich ein Punkt war, den jeder wissen sollte. Ich glaubte aber nicht, daß das funktionieren würde. Es klappte dann auch nicht sofort. In den ersten Tagen ließ er all diejenigen einsperren, die Spaß daran haben, Leute mit dem Strafer zu foltern, bis zie zuckend am Boden liegen. Das war doch schon mal ein guter Anfang. Fast alle. Einer hatte sich ärgerlicherweise an das Verbot gehalten, so daß er die Strafe, die ihm zustand, nicht bekam. Am nächsten Tag hatte Tharr dann viel weniger Strafen zu verteilen, obwohl er diesmal auch Leute bestraft hat, die den Strafer nicht ganz so lange benutzt haben. Das lag aber nicht daran, daß es keine Kandidaten für solche Strafen gegeben hätte, nur gab es sehr viele Leute, die sich gedacht hatten, daß sie den Strafer dann doch lieber gar nicht benutzen, obwohl sie sonst immer fast so schlimm gewesen waren wie die, die Tharr am ersten Tag in den Bau geschickt hatte. Es wurde in der folgenden Zeit noch besser, denn Tharr tat sein Bestes, um den Leuten die Benutzung des Strafers völlig abzugewöhnen. Er ging halt schrittweise vor. Außerdem malte Tharr Graphiken, die zeigten, daß wir jetzt bei der Arbeit viel mehr schafften. Komischerweise wollten die Freigeborenen das zuerst nicht glauben und behaupteten die Graphiken wären gefälscht. Man sollte meinen, daß selbst die geringe Intelligenz von Freigeborenen ausreicht, um zu begreifen, daß ein Techniker der gerade gefoltert wird, nicht gleichzeitig arbeiten kann.

Noch verblüffender war allerdings, daß sich Tharr einen Plan, den ich für völlig unrealistisch gehalten hatte, als die Krieger ihn aufgestellt hatten, vorknöpfte und zu verstehen versuchte, weil er ihn umsetzen wollte. Schließlich ging ich in das Krankenhaus der Krieger zu Treron und fragte ihn, ob der "befreundete Offizier" von dem dieser Plan gehandelt hatte, in seinem Kopf immer schon Tharr gewesen sei.
"Nein. Der Plan ist älter als meine Bekanntschaft mit Tharr. Aber Tharr hat schon, als er der Kapitän der Thorion geworden ist, einen ganz ähnlichen Plan vorgeschlagen, wenn auch so schwammig wie Freigeborene das immer machen." antwortete der alte Krieger.
Ich fragte ihn, wie um alles auf der Welt sie auf den Gedanken gekommen seien, daß es einen Freigeborenen geben könne, der sich freiwillig bemühen würde, uns an die Macht zu bringen. Der Aspekt stand nämlich ausdrücklich in dem Plan der Kriegssklaven drin und Tharr hatte ihn gelesen.
"Wieso? Glaubst du etwa, daß wir schlechtere Herrscher wären, als der typische freigeborene Kriminelle?" fragte Treron.
"Nein natürlich nicht. Noch schlechter geht ja kaum." antwortete ich.
"Eben und wir können dafür sorgen, daß die Kriminellen nicht mehr zum Zuge kommen." sagte Treron.
Ich fragte ihn, wie das funktionieren sollte schließlich gab es Strafer, der jeden innerhalb von wenigen Sekunden völlig handlungsunfähig machten.
"Freigeborene sprechen durchaus auf Erziehung an. Zumindest haben wir es auch ohne die Unterstützung von Tharr geschafft, jeden, der nicht gerade kriminell war, innerhalb von zwei Wochen die Benutzung des Strafers abzugewöhnen. Die schlimmste Kriminellen haben wir beseitigt und der Rest hat dann zumindest gelernt, daß man als Krimineller so weit von uns entfernt sein sollte wie möglich. Mit Tharr klappte das bei den meisten schon am ersten Tag und die Kriminellen hatten sich innerhalb von zwei Wochen den Strafer abgewöhnt." erklärte er.
Ich konnte das nicht glauben. Es ging schon seit Jahren das Gerücht um, daß in den Bereichen der Krieger der Strafer nicht benutzt wurde, aber das hatte niemand, der nicht dort arbeitete, glauben können.

Ich konnte es immer noch nicht glauben. Dann dachte ich, daß Tharr ja wollte, daß man mit ihm redet und daß er jedenfalls den Strafer nicht benutzt, also war es kein Risiko, ihm die Frage zu stellen. Als er den Eindruck machte, für ein Gespräch aufgelegt zu sein, fragte ich ihn daher, ob denn bei den Kriegssklaven wirklich kein Strafer benutzt wird. Tharr erklärte, daß er, bevor er an seinem zweiten Tag zu den Krieggsklaven auf der Thorion rein sollte, die schlimmsten Gerüchte über sie gehört hätte, aber er hätte sich trotzdem gedacht, daß es sicherlich immer klug ist, es zuerst mit Freundlichkeit zu versuchen. Zu seinem Erstaunen hätten sie sich als sehr angenehme Untergebene herausgestellt, die sich im vorauseilendem Gehorsam geübt und ihn vor den kriminellen Adeligen geschützt hatten. Er hätte sie dann, als er sie besser gekannt hätte, gefragt, warum niemand anders vor ihm so etwas je erlebt hatte und sie hatten erklärt, daß er der erste gewesen wäre, der nicht zuerst den Strafer benutzt hatte und dem man das nicht erst einmal abgewöhnen muß. Er hatte das gar nicht glauben können, denn im königlichen Palast, wo er aufgewachsen war, wäre es verboten gewesen, den Strafer ohne triftigen Grund zu verwenden und jeder, der das tat, würde des Palastes verwiesen. Das hatte ich schon gehört gehabt, aber auch nicht glauben können, schließlich war es einer von diesen Königen, die sich vom hohen Licht nennen, gewesen, der den Strafer zuerst eingeführt hatte. Wahrscheinlich stammte der Name von dem Ereignis, wo ihnen die Birne durchgebrannt ist, weil sie eine Überspannung abbekommen hat. Da sie danach die Realität nicht mehr durch denken erschließen konnten, glaubten sie dann, sie wären durch dieses Ereignis erleuchtet worden.

Wie auch immer. Tharr erklärte mir, daß die Kriegssklaven etwas taten, was er nach seinen spärlichen Erfahrungen mit dem Strafer für unmöglich gehalten hätte. Sie brachten es nämlich fertig, sich so zu verhalten, als würde der Strafer nicht funktionieren, wenn sie nur zwei bis drei solche Straferimpulse abbekommen und dann das genaue Gegenteil von dem zu tun, was ihnen gesagt worden war. Bei den meisten würde das bewirkten, daß sie sich dann erinnern, daß man auch ohne Strafer mit Leuten reden kann, sagte er in so einem ironischen Ton, wie ich ihn bisher nur von Unseresgleichen kenne. Freigeborene Sklaven sind meist zu verängstigt, um noch Humor aufzubringen.

Kersti

Fortsetzung:
F1663. Tharr vom Licht: Mit den Technikern war es ganz anders als mit den Kriegssklaven. Sie waren wesentlich reservierter

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben