erste Version: 3/2020
letzte Bearbeitung: 3/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Königssohn und Fürstensohn

F1687.

Richte Diro einen schönen Gruß aus. Wenn er nichts ißt, werde ich ihn ans Bett fesseln und eine Magensonde legen

Vorgeschichte: F1686. Diro von Karst: Wahrscheinlich war ich doch so schlimm, wie alle denken und es wäre am Besten, wenn ich tot wäre

Der Arzt Kiwar von Lenniskalden erzählt:
Ich hörte mir an, wie mir Selis seine neueste Sorge mit Diro erzählte und fragte mich, warum mich Diro eigentlich in allem an die Straßenkinder erinnerte, die ich aus meiner Kindheit kannte. Besonders erinnerte er mich an einen Jungen der ausgesprochen intelligent war und mich darum beneidete, daß ich eine Schule besuchen durfte. Ich hatte ihm dann gesagt, daß er ja meine Hausaufgaben mit mir zusammen machen könnte und er hat auch tatsächlich die öffentliche Grundschulprüfung bestanden. Ich weiß nicht, was letztlich aus ihm geworden ist, aber er hatte dieselbe Art an sich, die ich auch an Diro bemerke.

Es ist so absurd. Diro ist in Luxus aufgewachsen, so reich, daß andere sich das nicht mal in ihren Träumen zu wünschen wagen. Trotzdem hatte es ihm am allernotwendigsten gefehlt. Er war sich seine ganze Kindheit hindurch nie sicher gewesen, daß er den nächsten Tag überlebt. Teilweise beruhte diese Angst auf einer Täuschung, denn ich denke, daß den Bediensteten, die sich um das Kind hatten kümmern sollen, doch klar gewesen sein muß, daß sie das Kind ihres Herrn wohl kaum sterben lassen durften. Das hieß jedoch nicht, daß er regelmäßige Malzeiten erhielt oder daß irgendjemand ein wenig freundlich mit ihm gewesen wäre. Sie haben darauf geachtet, daß er nicht verhungert, aber es hat niemanden interessiert, ob er satt oder glücklich ist und ob ihm etwas weh tut. Er war der Prügelknabe gewesen, an dem die Bediensteten ihren Ärger über den Herrn ausgelassen hatten.

Ich überlegte mir, wie man die Depression, in die Diro offensichtlich verfallen war, am Besten durchdringen kann und kam zu dem Schluß, daß man da wahrscheinlich etwas handfester vorgehen muß.
"Richte Diro einen schönen Gruß von mir aus. Wenn er nichts ißt, werde ich ihn ans Bett fesseln und ihm eine Magensonde legen, damit er nicht verhungert."
"Das kannst du doch nicht machen!" protestierte Selis entsetzt.
"Doch, Selis. Du kennst ihn doch, wie er immer redet. Wenn man ihm so etwas sagt, wird er sich am Ende sogar noch geliebt fühlen, weil ich nicht bereit bin, ihn sterben zu lassen." antwortete ich.
Natürlich greifen Straßenkinder nicht zu einer Magensonde, weil sie so etwas nicht besitzen, aber sie hätten an dieser Stelle Prügel angedroht und das wäre von dem betroffenen Hungerleider als liebevolle Geste aufgefaßt worden.

Und wenn ich mir Selis ansehe, denke ich mir nur: Meine Güte ist der behütet aufgewachsen! Selis war als Kind nur ein Sklave gewesen, aber wie selbstsicher die Kinder der Palastsklaven oft sind, wird am Besten durch eine Anektdote illustriert, die von Diro und Tharr handelt. Als Diro im Palast mit seinem reichen prominenten Vater angeben wollte, hat ihm der jüngere Tharr darauf nämlich nur geantwortet: "Was willst du eigentlich, mein Vater ist der König." - eine Aussage die von den erwachsenen Sklaven bestätigt wurde, als würde es überhaupt keinen Unterchied machen, daß Tharr nur ein nicht erbberechtiger illegitimer Sohn und Sklave ist. Wenn man Tharr aber fragt, warum er das gesagt hat, meinte er, sein Vater wäre für ihn völlig bedeutungslos gewesen, da er ihn ja nicht einmal kannte, aber dieses arrogante Gehabe von diesem Typ hätte ihn geärgert, also hätte er sich was Passendes ausgedacht, um ihm das Maul zu stopfen. Sims Beziehung zu seinem ebenfalls königlichen Vater war deutlich enger gewesen, denn er war wie ein Bruder der Prinzen aufgewachsen, da seine Mutter deren Kindermädchen gewesen war. Trotzdem war ihm genauso wenig wie seinen Halbbrüdern, die im Gegensatz zu ihm in der Trohnfolge standen, das Gefühl vermittelt worden er wäre irgendwie wichtiger oder unwichtiger als die anderen Kinder im Palast.

Ich kann mir eine noch deutlich bessere Welt vorstellen, aber im Palast läuft doch einiges richtig, was anderswo falsch läuft. Das war auch eine sehr kluge Politik derer vom hohen Licht. Weil Sim damals wie ein Bruder der Prinzen aufgewachsen war, hatte sein königlicher Halbbruder in ihm sein Leben lang einen loyalen Verbündeten gehabt, der das Sternenreich auch noch zusammengehalten hat, als der König so in Depressionen versunken war, daß von ihm nichts Sinnvolles mehr kam.

Sim hatte auch eine Dynastie des niederen Adels gegründet, indem er alle fünf Söhne seiner Vollschwestern als seine eigenen anerkannt hatte, was natürlich nicht stimmte, aber hieß, daß sie nicht kastriert wurden. Und dann bringt dieser Idiot sich um, wenn man ihn am dringensten braucht. Schuld daran war offensichtlich eine Depression, in die er durch den Tod des Königs verfallen war. Wahrscheinlich wäre dem Palast Selis Unerfahrenheit längst zum Verhängnis geworden, wenn nicht sowohl die Raumhafenpolizei als auch die Planetare Polizei von illegitimen Königssöhnen geführt wurden, die Selis bei den Eliteübungen des Planeten darin berieten, wie man jedes einzelne fachliche Problem löst.

Kersti

Fortsetzung:
F1688. Diro von Karst: Ich raffte mich also auf und versuchte der Sicherheitschef zu sein, den er brauchte

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben