erste Version: 7/2020
letzte Bearbeitung: 7/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Turin vom hohen Licht

F1803.

Jedes einzelne Mitglied des Hochadels konnte mir schlicht gestohlen bleiben, weil mir noch keiner von dieser Bagage untergekommen war, mit dem etwas anzufangen gewesen wäre

Vorgeschichte: F1802. Turin vom hohen Licht: Daraufhin erzählte Diro mir, was er von den Offizieren hielt, die er so kannte und das war ganz schön kraus

Selis vom Schnee erzählt:
Ich war überhaupt nicht begeistert, als mein Kapitän, Kanis vom Silberspring, mir mitteilte, daß ein Prinz auf unser Schiff kommen würde. Jedes einzelne Mitglied des Hochadels konnte mir schlicht gestohlen bleiben, weil mir noch keiner von dieser Bagage untergekommen war, mit dem etwas anzufangen gewesen wäre. Bestenfalls waren sie einfach faul und unfähig und oft auch noch kriminell. Trotzdem muß man natürlich aufpassen, daß diesen Kindchen nichts passiert, weil man sonst die Sorte Ärger bekommt, mit der man nicht klarkommt. Ich frage mich, warum diese Idioten nicht zuhause bleiben, wo sie wenigstens keinen Schaden anrichten.

Ich erklärte also einer kleinen Gruppe Untergebenen, auf die ich mich verlassen konnte, welche Art Probleme wir bekommen, wenn dem Prinzen etwas passiert und was sie unternehmen sollten, damit ihm nichts passiert, ohne daß er bemerkt, daß er bewacht wird, denn wenn auffällt, daß sie verhätschelt werden, wird das auch übel genommen.

Das erste, was mir gemeldet wurde, war daß er sich ausgerechnet mit Diro vom Karst unterhielt, für den es meiner Ansicht nach nur ein angemessenes Schiff gab: Die Thorion. Leider war wer immer die Versetzungen vornahm, noch nicht zu dem Schluß gekommen. Ich hielt ihn jedenfalls nach dem, was mir die Techniker so über ihn erzählt hatten, für einen dutzendfachen Mörder und hoch gefährlich und ich vermutete deshalb auch, daß er für den Mord an Salir, Turins älterem Bruder verantwortlich war, denn keiner der sonst auf dem Schiff gewesen war, hatte einen so schlimmen Ruf. Diro hatte sich in den letzten sieben Jahren zwar so geführt, daß er keinen offiziellen Tadel mehr eingesteckt hatte, aber nach dem was man so von den Technikern hört, war er mit den Jahren nur geschickter darin geworden, seine Verbrechen zu verbergen und wenn er seine Arbeit nicht tut, würde ein Tadel bei ihm, einem Mitglied des Hochadels sowieso nichts bringen.

Ich bestellte also den Prinzen zu mir und stellte überrascht fest, daß er mich vorschriftsmäßig grüßte und sich in jeder Hinsicht respektvoll verhielt. Er reagierte genau so wie ein Kadett aus weitaus einfacheren Verhältnissen reagiert hätte, wenn der erste Offizier ihn sehen will, nämlich unsicher ob er etwas falsch gemacht hat und deshalb Ärger kriegt. Entsprechend rechtfertigte er sich auch für das Gespräch mit Diro, schien ihn aber nicht als Gefahr wahrgenommen zu haben, sondern als jemand mit kuriosen Ansichten, auf die ein normaler Mensch nicht kommen würde.

Als Beispiel erklärte er, daß ein Stipendiat wie ich, der so früh einen so hohen Posten erreicht hatte sicherlich außergewöhnlich fähig wäre. Diro sei jedoch der Ansicht gewesen, ich wäre etwas dumm, weil ich glauben würde, man müsse nur recht lieb zu den Sklaven sein damit sie gehorchen. Ehrlich gesagt war Diro ein rotes Tuch für mich, weil er genau die Sorte Mensch war, wegen der man eine Wache vor jeden Arbeitstrupp stellen muß, damit die Adeligen Idioten sie so weit in Frieden lassen, daß sie ihre Arbeit erledigen können. Die adeligen Idioten wissen vielleicht nicht, daß man das Lebenshaltungssystem warten muß, damit man Luft zum atmen hat, die Techniker wissen das aber sehr wohl, daher sind sie durchaus motiviert, ihre Arbeit zu tun.

Der Prinz wirkte so schockiert von meinem Ausbruch, daß ich dachte, ich bin zu weit gegangen, doch statt etwas Kritisches zu sagen, fragte er mich nur, ob das denn so ein großes Problem war. Ich erklärte ihm, daß ich auf den meisten Schiffen, auf denen ich bisher gedient hatte befürchtet hatte, jederzeit fällt das Lebenshaltungssystem aus, weil es zu schlecht gewartet ist. Dann fragte er mich, ob bei der Pinard, einem Schiff, das ohne erkennbaren Grund verloren gegangen war, ob ich glauben würde, daß es schlecht gewartet worden sei. Ich war mir tatsächlich sicher, daß das der Fall war, denn ich hatte ein Jahr auf dem Schiff gedient und wußte, daß dort ungefähr alles im Argen gewesen war. Erst nachdem er sich für meine Ratschläge höflich bedankt und sich verabschiedet hatte, fiel mir ein, was ich noch über dieses Schiff gehört hatte. In diesem Schiff war ein Bruder des Prinzen umgekommen, Ranold vom hohen Licht. Ich fragte mich erschrocken, ob jetzt irgend ein armer Hund dafür Ärger bekommt, der gar nichts dafür kann.

Noch bevor das Schiff abflog, geschah etwas Überraschendes. Im letzten Augenblick wurde der technische Offizier durch einen jüngeren unerfahreneren Offizier ersetzt. Wir waren natürlich froh, ihn los zu sein und ehrlich gesagt fand ich, er hätte es verdient, als ich hörte daß er auf die Thorion versetzt worden war. Andererseits erschreckte mich aber auch, daß ein Wort von dem Jungen reichte, um jemanden verschwinden zu lassen.

Prinz Turin benahm sich, als hätte er noch nie davon gehört, daß er ein Prinz war. Er war respektvoll gegenüber Vorgesetzten, höflich zu Untergebenen, führte Befehle aus und war fleißig bei der Arbeit. Er war auch im normalen Maße kompetent, also ein Untergebener, mit dem man zufrieden sein konnte. Ich erwische mich regelmäßig dabei, daß ich im täglichen Umgang vergaß, wie erlaucht seine Herkunft war. Das schien den Sklaven auch so zu gehen. Wenn er mit ihnen redete, klangen die Techniker eigentlich eher wie Lehrer als wie Untergebene, die Befehle befolgen. Andererseits waren alle Arbeiten für Techniker, bei denen er die Aufsicht führte, gewöhnlich schnell und sauber erledigt. Er wußte also durchaus, wie man sie zum arbeiten bringt und wenn das ist, indem man sie Lehrer spielen läßt, ist gegen die Methode offensichtlich nichts einzuwenden.

Kersti

Fortsetzung:
F1793. Diro von Karst: Jedenfalls gibt es verdeckte Möglichkeiten, einen Kontakt zu Turin herzustellen, ich mußte nur aufpassen, daß er diese Kontakte als Hilfe ansieht

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben