erste Version: 9/2020
letzte Bearbeitung: 10/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Der furchterregende naive Leibwächter

F1836.

Aus dieser ganz untergeordneten Position heraus war Saman zum Leiter der Palastwache gegangen und hatte erklärt, daß man auf uns aufpassen muß, weil wir zu naiv sind, um zu bemerken, daß die Leute auf der Straße bewaffnet sind

Vorgeschichte: F1835. Saman XZB12-123-77: Obwohl sie auf dem Schlachtfeld viel besser kämpfen konnten als die meisten unserer Feinde, schienen sie sich einzubilden, daß auf einer normalen Straße niemand ein Messer oder eine Schußwaffe dabei haben kann

Theorn Tiger erzählt:
Saman XZB12-123-77 kam zu mit und sagte: "Es gibt da ein Wort das ich nicht verstehe und das heißt Privatsphäre." und als ich eine kurze Definition dafür gab, antwortete er mit einer längeren Analyse, warum Privatsphäre ein völlig verrückter Begriff ist. Während ich ihm zuhörte, als er mir auseinandersetzte, daß es doch verrückt ist die Sexualität zu verbergen, wenn doch jeder weiß, wie Kinder gezeugt werden, fiel mir zunächst gar nichts dazu ein, wie ich ihm das erklären konnte.

Außerdem kam in seiner Analyse etwas vor, was mich von dem Thema ziemlich schnell ablenkte. Er erklärte mir, daß trotz es des offiziellen Waffenverbotes üblich sei, bewaffnet auf die Straße zu gehen und daß er deshalb dafür gesorgt hätte, daß uns Leibwächter begleiten. Ich war entsetzt. Sowohl daß mir das Problem mit den Waffen entgangen war als auch, weil wir nicht einmal bemerkt hatten, daß er uns eine Leibwache zugeteilt hatte. Sie waren - wie er mir gesagt hatte in der Menge um uns herum gewesen und sollten uns unauffällig beschützen. Wir hatten nichts ungewöhnliches bemerkt, dabei waren unsere Wachleute auch unauffällig in der Menschenmenge gewesen. Das sind sie immer. Die positive Nachricht war natürlich, daß sie unsere Wachen nicht als solche erkannt hatten, sonst hätte er uns nicht für völlig ungeschützt gehalten.

Irritiert fragte ich mich, ob Saman eine wichtigere Position hatte, als mir bewußt war, aber er erklärte mir auf meine Rückfrage, daß er gerade erst von der Zuchtstation hierhergeschickt worden war und erst vor ein paar Tagen die Prüfung der Ausbildung als Wachmann bestanden hatte. Aus dieser ganz untergeordneten Position heraus war er dann zum Leiter der Palastwache gegangen und hatte ihm erklärt, daß man auf uns aufpassen muß, weil wir zu naiv sind um zu bemerken, daß die Leute auf der Straße bewaffnet sind.

Andererseits konnte es durchaus sein, daß er eine sehr viel wichtigere Position hatte als angegeben, denn immerhin hatte er Sevin angesprochen, um seine Sicherheitsmaßnahmen mit unseren abzusprechen. Überhaupt war das doch merkwürdig mit den XZB12s. Ständig wird so getan, als wären sie völlig unbedeutend, trotzdem stolpert man immer an Stellen über sie, wo man mit einem unbedeutenden Sklaven, der als Kanonenfutter in die Schlacht geschickt werden soll, niemals rechnen würde.

"Warum hat Treron uns damals eigentlich etwas zu essen gebracht?" fragte ich.
"Aus Neugier. Er wollte wissen, wie ihr so seid." antwortete Saman.
"Und das hatte keinen irgendwie wichtigeren Grund?"
"Aus Neugier. Natürlich hat er uns einen Bericht darüber geschrieben, weil wir auch alle neugierig waren." bestand Saman auf seiner anfänglichen Behauptung.
"Und warum ist er dann zum Kapitän gegangen und hat ihm gesagt, daß er sich bei uns entschuldigen soll?" fragte ich weiter.
"Weil Tharr gesagt hat, daß es wichtig ist, daß der Friedensvertrag zustande kommt."
"Tut ihr alles, was Tharr sagt?" fragte ich.
"Nein. Aber wenn Tharr das nicht gesagt hätte, wäre es sinnlos gewesen, zum Kapitän zu gehen. Dann hätten wir das Problem anders lösen müssen. Außerdem mögen wir alle Tharr." antwortete Saman.

"Mischt ihr euch eigentlich immer in die Politik ein?" fragte ich.
"Ja natürlich. Früher war das weil die Freigeborenen immer Politik machen wollten, die nicht gut für uns ist. Jetzt ist Tharr da und der will schon die richtige Politik machen, aber man muß ihm helfen, denn er ist nicht gezüchtet und hat deshalb kein richtig gutes Gehirn." erklärte Saman.
Ich fragte, ob sie uns dann für so etwas wie Kinder halten würden.
"Ach weißt du, Tharr hat einen Spitznamen. Wir nennen ihn Trerons Lieblingskindergartenkind. Das ist, weil er mal gesagt hat, er kann nicht mehr als unsere Kindergartenkinder und Treron hat dann geantwortet, daß er aber sein Lieblingskindergartenkind ist."
"Der Teron, der uns das Frühstück gebracht hat?" fragte ich.
"Ja genau der. Er ist der älteste von uns." antwortete Saman.
"So alt ist er mir aber nicht vorgekommen." antwortete ich.
"Wir werden ja auch nicht alt, weil sie uns immer in die Schlacht schicken." antwortete Saman.
Ich fragte mich, ob diese Kriegssklaven eigentlich schon begriffen hatten, wie sehr ihr Leben gerade dabei war, sich zu ändern.

Ich konnte mich noch genau an den Bericht über die Schlacht erinnern, wo uns die Effizienz dieser Kriegssklaven so entsetzt hatte. Unsere Armee hatte sie mit einer zehnfachen Übermacht eingekesselt gehabt - und obwohl sie schlechter bewaffnet waren als wir und keine Luftunterstützung bekommen hatten, hatten sie es irgendwie fertiggebracht, unsere Leute zu besiegen. Die Leute, die die Schlacht überleben sind teilweise wegen den erlittenen Traumata heute noch in psychotherapeutischer Behandlung. Ich nannte Saman diese Schlacht und fragte ihn, ob sie immer gegen eine so große Übermacht kämpfen müssen.
"Ja. Sie schicken uns immer an die Stellen der Schlacht, wo sie meinen, daß man da eigentlich gar nicht überleben kann. Aber ihr konntet besser kämpfen als die meisten, gegen die wir bisher kämpfen mußten, deshalb sind wir froh, daß wir jetzt Frieden haben." antwortete er.
Ich stimmte ihm zu, daß es gut war, daß wir nicht mehr aufeinander schießen.

Andererseits hatte ich nicht den Eindruck, daß die XZB12s die Schlacht auch nur als halb so traumatisch empfunden hatten wie unsere Leute. Und sie hatten ganz bestimmt ebenso verheerende Verluste. Ich fragte nach und stellte fest, daß es ihnen noch schlimmer ergangen war als uns. Wenn man gegen eine besser bewaffnete zehnfache Übermacht kämpft, wie sie es damals getan hatten, ist das natürlich nicht verwunderlich - nur wenn das für sie eine völlig normale Schlacht ist, warum bleiben sie dann diese entspannten gemütlichen Onkels, während jeder ihrer Gegner zu einem durchgedrehten Verrückten wurde, der zu nichts mehr zu gebrauchen ist, weil er hinter jedem Busch mit einer Bombe rechnet? Unsere Leute haben ernsthaft behauptet, daß die XZB12s magische Fähigkeiten besitzen würden, dabei glauben XZB12s doch gar nicht an Magie, so weit ich das bisher in Gesprächen mit ihnen feststellen konnte.

Kersti

Fortsetzung:
F1837. Sevin vom leuchtenden Stern: Ich war schockiert, daß gerade dieses Ding, das ständig in meine Privatsphäre einbrach, genau wußte, was es falsch macht

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben