erste Version: 9/2022
letzte Bearbeitung: 9/2022

Chronik des Aufstiegs - Mittelalter und frühe Neuzeit: Der versperrte Weg zur Gewaltenteilung

F1841.

Früh, bevor meine eigentlichen Pflichten begannen, kleidete ich mich wie die Stallburschen und striegelte meinen Hengst

Vorgeschichte: F1964. Kersti: D

Honorius erzählt:
Früh, bevor meine eigentlichen Pflichten begannen, kleidete ich mich wie die Stallburschen und striegelte meinen Hengst. Ich nahm ihm auch immer einen Eimer Wasser mit, einerseits, weil mir einer der anderen in Unkenntnis meiner Stellung gesagt hatte, wenn ich schon am Brunnen vorbeikäme, hätte ich auch Wasser mitzunehmen, andererseits weil das ja nun wirklich sinnvoll war.

Da niemand hier wußte, wer ich war, sprachen mich die Stallburschen an und führten ihre typischen Stallburschengespräche mit mir. Welches Pferd ihnen gerade Sorgen machte, was zu viel Arbeit war, wo der Schreiner, Wagner oder Sattler etwas reparieren mußte. Ich genoß das, denn ich mußte keine Förmlichkeiten beachten und außerdem reagierten sie nicht genervt, wenn ich schon wieder über meinen Hengst redete, wie das meine gleichrangigen Kollegen immer taten. Im Gegenteil redeten sie dann auch über die Eigenarten der Pferde, um die sie sich kümmerten.

Gelegentlich gab ich ihnen auch einen Ratschlag, wie einem kranken Pferd oder einem der anderen Stallburschen zu helfen war, denn zu meiner Ausbildung hatte auch eine Grundausbildung in Medizin gehört. Nicht so ausführlich, wie ein Arzt das lernt, aber für die alltäglichen kleinen Zipperlein reichte das und für die ernsten Krankheiten war sowieso ein Arzt zuständig. Niemand kann all diese kleinen Alltagstricks kennen, so daß ich immer wieder etwas wußte, was ihnen neu war, während es im Stall meines Vaters regelmäßig angewendet wurde.

Als ich bereits fast ein Jahr dort arbeitete, fragte mich einer der Stallburschen, mit denen ich mich besonders gut verstand, ob es vielleicht sein könnte, daß ich der Honorius wäre. Ich bestätigte ihm das und erklärte, daß Rius, was ich ihnen als Name genannt hatte, die Koseform davon war, die meine Mutter immer verwendet hatte, wenn sie mich gerufen hatte. Er solle aber bitte nicht erzählen, daß ich zugegeben habe, daß ich Honorius bin, denn dafür könnte ich Ärger bekommen. Außerdem solle er darauf achten, sich zu verhalten als wäre ich einfach ein Stallbursche, so lange ich als solcher gekleidet bin und wenn ich in meiner eigentlichen Position erscheine, mich als adeligen Vorgesetzten zu behandeln.

So weit ich das beurteilen konnte, hielt er sich an meine Bitte, fragte mich aber manchmal, ob ich nicht ein Problem bei der Arbeit mit einem Vorgesetzten besprechen könnte. Dieser wiederum wußte natürlich, wer ich war. Da mir erlaubt worden war, mich selbst um meinen Hengst zu kümmern, hatte ich eine Erklärung, woher ich wußte, was die Sorgen der Stallburschen waren. Irgendwann fragte er mich, ob es nicht einen Weg gäbe, daß die Stallburschen ihm ihre Verbesserungsvorschläge direkt unterbreiten. Die Förmlichkeit hier würde die Kommunikation zu sehr behindern, Zuhause, wo er aufgewachsen war, gab es eine solche Förmlichkeit nicht und da hätte alles viel besser geklappt. Ich stimmte ihm da zu, erklärte ihm aber auch, daß er den Leuten einfach erklären mußte, wann sie formlos mit ihm reden dürfen. Er gewöhnte sich daraufhin an, jeden Vormittag eine Runde durch den Stall zu machen und dabei jeden Stallburschen, den er sah, zu fragen, wie die Arbeit läuft.

Diese überbordende Förmlichkeit, die hier unterwegs war, war der reinste Unsinn. Sie schafft nur Probleme!

Kersti

Fortsetzung:
F1965. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben