F1944.

Ich erhielt den Auftrag, daß ich den Außerirdischen abholen solle, um herauszubekommen, was wir über die Technik lernen könnten

Vorgeschichte: F269. Karl: Meine Leibwachen meinten, ich wäre zu krank für so etwas, und gaben erst nach, als ich versprach, täglich einen Zettel an die Stelle zu legen, an der sie das Essen ablieferten
F1943. Xita LZB23-17-20: Ich war einerseits neugierig, was ich erfahren würde, andererseits machte ich mir aber Sorgen, ob es dann möglicherweise überhaupt keine Möglichkeit mehr geben würde, heimzukehren

Karl erzählt:
Ich erhielt den Auftrag, daß ich den Außerirdischen abholen solle, um herauszubekommen, was wir über deren Technik lernen könnten. Ein ganzer Trupp Wachleute begleitete mich, damit der Gefangene nicht fliehen konnte. Mir war das unangenehm, auch wenn ich die Leute kannte und mochte.

Ich ging also zu dem Arzt, bei dem ich mich melden sollte und er stellte mich dem gefangenen Techniker vor. So weit ich das verstanden hatte, waren sie zuhause letztlich Sklaven und wurden wie der letzte Dreck behandelt. Gefangener hin oder her, ich würde ihn - wenn man mal davon absieht, daß ich ihm gewisse Dinge nicht erzählen darf - genauso behandeln wie jeden Mitarbeiter in unserer Abteilung. Ich begrüßte ihn also und stellte mich ihm genauso vor, wie ich das mit jedem neuen Mitarbeiter tat.

Dabei fiel mir auf, daß er sofort mit einem Lächeln auf das bißchen Freundlichkeit reagierte, aber dem Arzt die kalte Schulter zeigte, indem er ihn ausnehmend höflich und sehr formal behandelte. Ich fragte mich, was da los war. Als wir außer Hörweite des Arztes war, sagte ich:
"Wie sie sehen können, hatten meine Vorgesetzten größte Sorge, sie könnten uns verloren gehen. Deshalb sind wir hier mit mittelgroßer Entourage unterwegs."
"Meine Güte das wäre doch gar nicht nötig gewesen. So weit mir bekannt ist, sind hier an jeder Tür, wo man sich eventuell ein wenig näher an die Wildnis hätte verirren können, ganze Trupps von Menschen stationiert, die fast dieselbe Uniform tragen. Die hätten mir sicherlich auch gerne wieder den richtigen Weg gewiesen." gab er mit einem humorvollen Lächeln zurück.
Auch wenn der Spruch die Wachmänner zum grinsen brachte, war mir klar, daß dieser Bursche, wenn er eine Flucht plant, wahrscheinlich vorher wissen würde, wo jeder einzelne Wachmann steht, dem er ausweichen muß. Und gibt man ihm Bewegungsfreiheit, wird er sie zu genau solchen Erkundungen nutzen. Andererseits konnte ich ihn auch nicht in ein einzelnes Zimmer sperren lassen, wenn ich von seiner Arbeit maximal profitieren wollte. Daher war es unzweifelhaft die beste Taktik ihn viel besser zu behandeln, als er er es von zu Hause gewohnt war, so daß er überhaupt keinen Grund sah, fliehen zu wollen.

Ich führte ihn also zu unserer Abteilung und stellte ihn den Leuten vor, die dort auf uns gewartet hatten. Er stutzte als er sie sah und warf der Isais einen verblüfften Blick zu, sobald ich ihn aber vorstellte, machte er einfach alles mit, richtete ein paar freundliche Worte an die Leute und begrüßte jeden am Tisch mit Handschlag. Als ich ihn zuletzt der Isais unter ihrem Decknamen vorstellte, da ihr Platz nun mal neben meinem war, wo ich mich hinsetzen wollte, wich er plötzlich von diesem Schema ab und sagte ihr in ihrer Muttersprache, daß er sich freute sie persönlich kennenzulernen. Die nächste Aussage war sehr allgemein gehalten, so daß man wissen mußte, wovon die Rede war, um sich sicher zu sein, doch ich hatte den Eindruck, daß er sich bedankte, daß sie einem seiner Freunde geholfen hatte oder gleich mehreren. Wahrscheinlich wollte er nicht, daß ein zufälliger Zuhörer zu viel davon erfuhr und verließ sich deshalb klugerweise nicht darauf, daß hier niemand ihre Sprache spricht. Die Isais, die natürlich sehr gut wußte, daß hier mehrere Leute ihre Sprache sprachen, gab eine sehr nichtssagende freundliche Antwort.

Na so viel dazu, daß ich hatte geheimhalten sollen, daß die Isais von einem anderen Planeten stammte. Großartig, das mußte ich melden und würde dafür garantiert einen Tadel einstecken, obwohl die Idee, sie zu Rate zu ziehen, nicht von mir gestammt hatte und offensichtlich sowieso auf falschen Vorraussetzungen beruhte. Es gehörte wahrscheinlich zur Grundbildung seiner Kultur, wer sie ist und jeder dort kannte sie von Pressefotos.

Und in dessen Beurteilung durch die Fachleute hatte gestanden, daß er sich nicht für Politik interessiert? Wer's glaubt wird selig.

Das war die Beurteilung die er hatte haben wollen, aber keine, die zu seinem Verhalten paßte. Wenn du mich fragst, machen die Sklaven in der Kultur ihre eigene Politik hinter dem Rücken ihrer Herren und Meister. Andererseits hätte ich auch nicht lebenslänglich Verhöre durch deutsche Verhörspezialisten haben wollen, daher konnte ich ihm seine Taktik nicht übelnehmen. Außerdem wollte ich das Raumschiff wirklich verstehen. Ich sagte, daß Xita ja hätte wissen wollen, worauf sie aufbauen kann, daher würde ich vorschlagen, daß der vorbereitete Vortrag gehalten wird.

Xita LZB23-17-20 hörte sich den Vortrag meiner Leute darüber, wie sie das was sie an dem Gerät mißverstanden hatten oder gar nicht hatten interpretieren können, mit unbewegten Gesicht an. Dann sagte er, der Abstand zwischen unseren Kulturen wäre wahrhaft groß, ihm wäre nämlich folgendes passiert und er erzählte eine amusante Begebenheit, bei der er angenommen hatte, die Metallbügel des Aktenordners wären eine Art primitiver Steckdose, die er nur mit der Stecker, den er im Finger hat, anfassen müßte, um die Worte im Aktenordner zu lesen, wie wir die Worte über die Telefonleitung hören. Er sei geradezu entsetzt gewesen, als er feststellte, daß die Worte auf dem Papier gestanden hätten, das er für die Isolationsschicht zwischen den Datenträgern gehalten hätte.

"Wie kommt der Stecker denn in den Finger? Bist du mit einem Stecker im Finger geboren?" fragte unser Lehrling.
"Nein, bin ich nicht. Als ich zwanzig Jahre alt - nein das ist irreführend, also ich war gerade erwachsen, aber in eurer Zeitrechnung sind das grob 200 Jahre - damals wurde ich operiert und die ganzen technischen Anschlüsse die ich im Körper habe wurden mir eingepflanzt." antwortete er und fragte ob er das genau zeigen sollte, am besten ginge das allerdings wenn er es an dem kleinen Raumschiff vorführen könnte.
"Tut das denn nicht weh?"
"Doch es tut sehr weh. Tatsächlich habe ich nach den Operationen einige Tagem lang außer Schmerzen überhaupt nichts wahrgenommen."
Wir gingen gemeinsam zur dem havarierten Gefährt und Xita erklärte uns, daß sie vor den Operationen eine Frau gewesen sei, aber kastriert worden sei, da sie nicht zur Zucht vorgesehen gewesen sei. Dann zog sie sich aus und zeigte etwas, das wirklich gruselig war, denn sie hatte für alles, was man zum Leben braucht, Steckverbindungen, mit denen man sich ins Schiff einstöpselt. Sie erklärte daß sich das nicht unangenehm anfühlt, sondern daß man sein Bewußtsein dann auf das ganze Schiff ausdehnt und während man fliegt sich als Raumschiff fühlt und daß es richtig Spaß macht. Sie sagte auch, daß sie gemischte Gefühle zu den Operationen hätte, weil sie einerseits so einen Spaß an Technik und am fliegen hat, andererseits das aber auch mit solchen Schmerzen verbunden gewesen sei.

Sie erzählte, auch viel über ihre Kindheit auf der Zuchtstation. Sie selbst war das zehnte Kind ihrer Mutter, die inzwischen noch dreizehn weitere bekommen hatte und ihr Vater als Zuchtmann hatte insgesamt hundert Frauen, bei denen er jedes Jahr ein Kind zeugen sollte. Überraschenderweise ging es dort trotz der Massenproduktion von Menschen für Zwecke, denen zu dienen kein Mensch sich ernsthaft wünschen kann, erstaunlich familär zu und Kinder schrieben ihr ganzes Leben lang Briefe an ihre Mutter oder eine Schwester, die diese Rolle später übernahm. Wenn sie konnten natürlich nur.

Ich dachte an meine Kinder und wünschte, ihnen wäre es so gut ergangen.

Meine Güte, Lehrlinge sind etwas Praktisches. Ich hätte mich nicht wagen können, all diese doch sehr intimen Fragen zu stellen, weil ich damit hätte rechnen müssen, daß ich ihm damit zu nahe trete. Wäre das so gewesen, hätte ich den Jungen damit entschuldigen können, daß er noch ein halbes Kind ist. Da die Technikerin aber gerne bereit war, all diese Fragen zu beantworten, erfuhr ich all diese interessanten Dinge über eine fremde Kultur, ohne mich erst monatelang vorsichtig vortasten zu müssen.

Kersti

Fortsetzung:
F1945. Xita LZB23-17-20: Ich fühlte mich ertappt, denn mein neuer Vorgesetzter hatte sehr genau beschrieben, wie ich ich eine Flucht plane und selbstverständlich würde ich für alle Fälle Fluchtpläne schmieden!

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben