F2396.

Ich stand vor der Doppelreihe an Soldaten für das Spießrutenlaufen und fragte mich, wie ich zu der Ehre kam

Vorgeschichte: F2400. Kersti: D

Autor: Hans Hermann von Katte erzählt:
Ich stand vor der Doppelreihe an Soldaten für das Spießrutenlaufen und fragte mich, wie ich zu der Ehre kam. Es paßte jedenfalls nicht zu dem, was der Offizier als Begründung für diese Todesstrafe angegeben hatte. Wenn man mal davon absieht, daß ich das gar nicht getan hatte. Nur konnte ich mal wieder gar nichts tun. Ich verstand auch nicht, womit ich ihn so hätte verärgert haben können, daß er so etwas tut. Er hatte irgendetwas cryptisches gesagt, daß er mich vielleicht am Leben lassen würde, falls ich auf der anderen Seite ankommen würde. Ich würde das zumindest auf alle Fälle versuchen.

Also ging ich, als der Befehl kam, zügig los durch die Reihen und bemühte mich, auf den Beinen zu bleiben, als die Schläge kamen. Das funktionierte nicht wirklich lange, denn irgendeiner der Schläge traf mich auf den Kopf, bevor ich beim Ende der Reihe angekommen war und das holte mich von den Beinen. Ich fühlte mich danach so benommen, daß es mir nicht gelang auf die Beine zu kommen, also krabbelte ich weiter. Ich verlor die Besinnung, bevor ich am Ende der Reihe ankam.

Ich hatte Alpträume von der Hölle. Dort war niemand böse zu mir, aber alle wollten meine Hilfe und es gab da so viel zu tun, daß ich überhaupt nicht wußte, wie ich das schaffen sollte, weil jedes Wesen, was es dort gab, wirklich furchtbar verletzt war. Ich versuchte alle so gut wie möglich zu heilen.

Ich kam in meinem eigenen Bett wieder zu mir und wunderte mich, daß ich noch lebte. Offensichtlich hatte mich auch jemand verarztet. Also wollte er mich wohl doch nicht umbringen lassen. Ich fühlte mich sehr elend.

Es klopfte an die Tür, aber das fühlte sich für mich eher an, als würde jemand gegen meinen lädierten Schädel klopfen und führte dazu, daß aus dem benommenen Gefühl, das ich gehabt hatte, ekelhafte Kopfschmerzen wurden. Die Tür öffnete sich und ein junger Mann sagte mir, daß der Offizier fragen ließe, warum ich nicht zum Dienst erschienen sei. Ich solle mich bei ihm melden.

Unfaßlich. Jedem Idiot sollte klar sein, warum ich zu krank war, um beim Dienst zu erscheinen. Tatsächlich traute ich mir den Weg zu besagtem Offizier auch wirklich nicht ohne Hilfe zu. Ich überlegte, wobei mein lädierter Kopf keine Hilfe war. Es war immer meine Strategie gewesen, mich bis aufs I-Tüpfelchen untadelig zu verhalten, um keinerlei Angriffspunkte zu bieten. Und danach war es am klügsten dem Befehl zu gehorchen.
"Hilfst du mir?" fragte ich den jungen Mann.
Er half mir, aufzustehen, mich anzuziehen und so gut herzurichten wie möglich und er stützte mich auch auf dem Weg dorthin. Vor der Tür sagte ich, daß ich gerne alleine reingehen will. Man hat halt so seinen Stolz.

Als ich vor dem Offizier stand, fragte er ernsthaft, welche Entschuldigung ich dafür hätte, nicht zum Dienst erschienen zu sein und ich konnte einfach nicht anders, als ihm zu sagen, daß ihm der Grund doch bekannt sein müsse, da er selbst den Befehl für den Spießrutenlauf gegeben hätte. Dann beschwerte er sich ernsthaft, wie ich denn aussehen würde. Ich sagte, daß das ein durchaus typisches Ergebnis einer solchen Veranstaltung sei, zumindest falls man das Glück hat, es zu überleben.

Er schickte mich zum Dienst. Der junge Kamerad, der mir geholfen hatte, stützte mich auch auf diesem Weg und ich sagte ihm, daß ich nicht verstehe, warum er es auf mich abgesehen hat.
"Der Befehl stammt vom König." sagte er.
"Na den kenne ich gar nicht anders." sagte ich sarkastisch.
"Und warum das?"
"Was weiß ich? Wahrscheinlich ist er unglücklich verliebt." sagte ich so wütend, wie ich mich fühlte.
Der junge Mann warf mir einen plötzlich hellwachen Blick zu, fragte aber nicht weiter. Ich wußte, er hatte diese ehrliche Antwort jedenfalls nicht als den Witz verstanden, als den ich sie getarnt hatte.

Als ich bei meinem direkten Vorgesetzten ankam und mein Begleiter ihm mitteilte, warum ich da aufgetaucht war, sah der plötzlich sehr wütend aus, befahl mir, in Bett zu gehen und da zu bleiben, bis der Arzt mich gesund schreibt. Und sollte sein Vorgesetzter sich darüber beschweren, sollte ich ihn an ihn verweisen. Ich bedankte mich, denn er hatte völlig recht damit und ich war sehr froh, wieder ins Bett zu kommen.

Abends nach dem Dienst besuchte mich der Prinz und schien der festen Überzeugung zu sein, er sei an allem schuld. Er ließ sich das auch nicht ausreden.

Einige Wochen lag ich im Bett und fühlte mich elend. Ich hatte auch in diesen Nächten, wann immer ich schlief, Träume von der Hölle. Glücklicherweise hat es die Natur ganz gut eingerichtet, daß man in diesem Zustand sich trotz der Schmerzen entspannen und gut schlafen kann. Daher verschlief ich den größten Teil der Zeit, in der mir mein Körper dasselbe sagte wie der Arzt, nämlich "Bleib schön im Bett."

Der Prinz kam mich täglich besuchen und blieb bei seiner Überzeugung, er sei an allem schuld, konnte mir das aber nicht wirklich begründen. Ich hatte allerdings auch den Eindruck, daß er mir etwas nicht sagen wollte. Unabhängig davon war ich aber auch der Ansicht, daß dieser König nun wirklich nicht die Hilfe seines Trohnfolgers brauchte, um bösartig zu werden. Das kann er völlig ohne Hilfe.

Mein direkter Vorgesetzter kam auch regelmäßig vorbei und sah kurz nach dem Rechten. Als ich einigermaßen wieder klar im Kopf war, hatten wir ein längeres Gespräch, bei dem ich ihm erzählte, was ich über die Vorgeschichte wußte. Natürlich verriet ich ihm nichts über geplante Putsche.

Kersti

Fortsetzung:
F2404. Der Vorgesetzte: "Paß mir auf meinen Jungen auf."

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben