F2405.

Sie hatten meinen Sohn mehr unter Druck gesetzt, als man das mit jungen Leuten tun sollte, daher befürchtete ich das Schlimmste, als er unangemeldet vor meiner Tür stand

Vorgeschichte: F2403. Kersti: D

Hans Hermanns Vater erzählt:
Ich hatte einen Auftrag von unserem Kapitelmeister. Ich sollte herausfinden, ob es einen anderen Grund gab als den vorgegebenen magischen Angriff, warum er bestraft worden war. Er war nämlich der Ansicht, daß mein Sohn möglicherweise damit befaßt sein könnte, einen ausgewachsenen Putsch zu planen und er wüßte einfach nicht, ob dieser vorsichtig genug gewesen sei oder ob der Putsch nur ein Verdacht des Kapitelmeisters sei, der keine reale Grundlage hätte.

Sie hatten meinen Sohn mehr unter Druck gesetzt, als man das mit jungen Leuten tun sollte, daher befürchtete ich das Schlimmste, als er unangemeldet vor meiner Tür stand und aussah, als wäre er bereits tot. Als er meine Mine sah, versuchte er mich zu beruhigen und kramte zum Beweis dafür, daß er völlig zu Recht da war, die Bescheinigung heraus, in der stand, daß er Genesungsurlaub hatte. Ich entschuldigte mich dann bei ihm und sagte, daß ich mir in den letzten Jahren einfach zu viele Sorgen um ihn gemacht hatte.

Eigentlich hätte ich ja darauf kommen können, daß er mit offiziellen Papieren da ist wie geplant, wenn ein Soldat sein Pferd am Zügel führt. Ich sage einem Diener, daß er sich darum kümmern sollte, daß der Mann bekommt was er braucht, ob das nun eine anständige Malzeit oder eine Unterbringung für die Nacht ist und kümmerte mich persönlich darum, daß mein Sohn ins Bett kam.

Dem Kapitelmeister konnte ich die Antwort sowieso nicht allzu schnell geben und das war auch nicht der wichtigste Teil meiner Aufgabe. Vor allen Dingen sollte ich eben die Antwort herausfinden und sicherstellen, daß er nichts unnötig leichtfertiges tut, was womöglich unsere Pläne gefährden könnte, die ja ziemlich genau in dieselbe Richtung gingen. Außerdem mußten wir wirklich wissen, ob irgendetwas durchgesickert war, was nicht hätte durchsickern sollen.

Ich fragte den Arzt, was ich beachten mußte, um seine Gesundheit nicht zu gefährden. Der erklärten ich solle zuallererst darauf achten, daß der Junge ißt und trinkt, aber wenn er dann noch wach wäre, könnte ich mit ihm reden, sofern ich ihn in Ruhe schlafen lasse, wenn er mitten im Satz einschläft oder den Faden verliert.

Ich hielt mich also an diese Anweisung und das war tatsächlich frustrierend, weil ich über eine Woche zerstreut nur vage Hinweise erhielt, daß er tatsächlich einen ausgewachsenen Putsch geplant hatte, aber da er immer nur einen Satz oder ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Worte sagen konnte, bevor er wieder einschlief, wußte ich nicht, was eigentlich passiert war. Zumindest nicht besser, als mein alter Kamerad es geschildert hatte. Und bevor es besser wurde, wollte mein Junge unbedingt ausreiten! Ich sagte ihm, ich könne ihm ein Bett ins Gartenhaus stellen, aber reiten würde er jedenfalls in dem Zustand nicht.

Als er dann im Gartenhaus war, wurde es langsam besser. Er verbrachte viel Zeit im Liegestuhl unter den Bäumen und redete auch etwas länger mit mir, wenn er wach war. Dann begannen sich auch die Fakten zu ordnen.

Mein Sohn hatte regelmäßig Auseinandersetzungen mit dem König gehabt, von denen er sagte, sie hätten ihn an Wirtshausprügeleien erinnert. Angefangen hatte es natürlich damit, daß der König ihn mehrfach regelrecht hatte vergewaltigen wollen, immer mit dem Ergebnis, daß mein Sohn ihm gezeigt hat, wer der bessere Kämpfer ist.
"Man hätte ja meinen können, daß das Ärger gibt oder daß der König wenigstens begreift, daß es dumm ist Prügeleien mit mir anzufangen. Aber nein, er macht immer so weiter und mir passiert gar nichts. Ich kann mich ihm auch problemlos in den Weg stellen, wenn er auf Frauen oder Kinder losgeht. Da passiert nichts." erklärte er.

Ich hatte ja einiges gehört, das mir ernste Sorgen bereitet hatte. Beispielsweise hatte der Führer unseres Ordenskapitels im Palast mir erzählt, daß Hans Hermann trotz Palastarrest außerhalb der Mauern des Palastgeländes beobachtet worden war. Als er ihn darauf angesprochen hätte, hätte der Junge nicht so gewirkt als würde er es beabsichtigen, damit aufzuhören. Da man ihm das als Desertation hätte auslegen können, hatte ich mir ernsthafte Sorgen gemacht. Als ich ihn jetzt darauf ansprach, sagte er er wäre fast täglich draußen gewesen. Und als er das dem König ins Gesicht gesagt hätte, wäre nichts passiert, was ihn dann doch gewundert hätte. Mich hätte das auch gewundert, denn jeder anständige Befehlshaber hätte dem Jungen da eine Disziplinarstrafe erteilt. Nichts Schlimmes, aber wenn man das nicht tut, untergräbt das die Disziplin.

Dann war da noch die Geschichte mit dem ungezogenen Jungen. Er war zum Fechtlehrer des Prinzen erklärt worden, was ja eigentlich eine ehrenvolle Aufgabe war. Aber es hieß, der Junge wäre unmöglich und würde ihm auf der Nase herumtanzen. Als ich Hans Hermann darauf ansprach, lachte er nur.
"Ach wo. Der Prinz ist in Ordnung und er lernt auch was er lernen soll. Wer sich hier wirklich wie ein Lausbub verhalten hat, bin ich. Ich habe mir die meisten Streiche nämlich selbst ausgedacht, um zu verschleiern, wie gut wir uns tatsächlich verstehen. Sollte ich durch irgendein Wunder den augenblicklichen König doch überleben, brauche ich mir keine Sorgen mehr um mich zu machen."
Ich sah ihn irritiert an und fragte ihn, ob er das für so klug halten würde.
"Nein und das ist das Problem. Ich bin den lieben langen Tag so stinksauer, daß ich vor mich hinfantasiere, wie toll es wäre, den König einen Kopf kürzer zu machen. Das würde zwar mit einer Hinrichtung enden, aber dann wäre der ganze Scheiß endlich vorbei!"
Ich sah ihn erschrocken an. Er klang so wütend!
"Bis jetzt hat meine Selbstbeherrschung gereicht. Aber es gab bis vor kurzem zumindest reichlich Gelegenheit, die Fantasien in die Tat umzusetzen und der König hatte nichts Besseres zu tun, als mich auch noch zu provozieren."
Ich sagte, daß der König aber auch Leibwächter hätte.
"Stimmt. Und der Mann, der immer bei ihm ist, ist auch tatsächlich sehr gut. Ich korrigiere mich. Dann werde ich nicht hingerichtet, sondern bin gleich tot."
Jetzt sah ich ihn auch noch grinsen, als würde er das für einen tollen Witz halten. Das war beängstigend. Ich fragte ihn:
"Wenn du das für so lustig hältst, warum hast du es noch nicht getan?"
"Weil ich dem Prinzen gerade beibringe, wie man einen überlegenen Gegner besiegt und einer blinden Wut nachgeben ist da eben nicht die richtige Methode." antwortete er.
Na, der Analyse konnte ich nicht widersprechen. Aber es stellte sich trotzdem noch eine Frage.
"Woher weißt du denn sogenau, wie gut er ist?"
"Ich habe regelmäßig gegen ihn kämpfen trainiert." antwortete er.

Ich fragte ihn also, was er gemeint hatte, als er sagte, daß er sich um sich selbst sicherlich keine Sorgen mehr machen müßte und dann erzählte er mir im Einzelnen, warum er sich für einen Lausbub hielt. Er schien ja Spaß bei seiner Erzählung von harmlosen Kinderspielen zu haben, wo er zusammen mit dem Prinzen geheime Keller baut, um Bücher und andere Dinge zu verstecken, die der König für unmännlich erklärt hat. Jeder normale Vater würde sich zwar aufregen, aber die typischen Kindergeheimnisse als typische harmlose Kindergeheimnisse erkennen. Nur hielt ich den König für fast wahnsinnig, denn ich hatte ihn schon öfter dabei erlebt, wie er harmlose Dinge für Gefahren gehalten hat, und letztlich ist er ja zu dem Schluß gekommen, daß ein Bündnis mit kriminellen Außerirdischen die Lösung seiner Probleme wäre - was jeder Idiot besser wissen sollte. Also, ich halte das für eine Art Wahnsinn, auch wenn es ihm bisher nicht den Trohn gekostet hat. Da der König ist, wie er ist, bin ich mir gar nicht so sicher, ob das dem lieben Hans Hermann nicht als Anstiftung zum Hochverrat ausgelegt wird.

Ich versuchte ihm also zu erklären, warum ich den König für einfach nur wahnsinnig hielt und er hörte sich meine Beispiele für verrückte Reaktionen des Königs nur wortlos an. Er widersprach nicht, er stimmte nicht zu, sondern ließ mich einfach reden, bis ich von alleine aufhörte und dann sagte er nur:
"Ich fürchte, ich bin einfach nicht ängstlich genug."
Ich fragte ihn, was er damit sagen wollte.
"Ja, er ist verrückt. In jedem einzelnen Fall der mir Probleme mit dem König eingebracht hat, hätte ich beim besten Willen nicht sagen können, was ich eigentlich falsch gemacht habe, um mich in die Situation zu bringen. Stattdessen habe ich diverse Dinge gemacht, die man durchaus aller Logik nach für gefährlich halten muß und keines davon hat mich bisher in Schwierigkeiten gebracht. Und obwohl ich mehrfach wochenlang dachte, er bringt mich jetzt wirklich um, bin ich immer noch am Leben. Trotz dieses Wahnsinns bin ich regelmäßig unfaßbar wütend, habe aber keine Angst. Und ich kann nicht erklären, warum ich so bin."
Zuerst reagierte ich auf den Satz mit der Angst und war einfach nur verblüfft. Erst dann fiel mir auf, daß mein Sohn gerade etwas sehr Wichtiges gesagt hatte. Das Verhalten des Königs war reine Willkür. Die Grausamkeiten des Königs hatten keinen erkennbaren Bezug zu den Handlungen meines Sohnes. Ich fragte mich, warum mir das noch nicht aufgefallen war.

Doch damit nicht genug, will er meinen Sohn unbedingt in seinen schwarzmagischen Orden aufnehmen, der unglücklicherweise so eng mit den Ciakahrr (Draco) verbündet ist, daß wir schlicht nicht die Macht haben, ihn direkt anzugreifen.

Danach setzte er mir im Einzelnen auseinander, welche magischen Angriffe mit den Verhören wegen dem magischen Angriff auf dem König und diesem Spießrutenlauf verbunden gewesen waren. Ich hörte mir die Details der Geschichte an und in mir gefror alles. Er brauchte eine viel bessere magische Ausbildung und ich hatte nicht die Zeit, mich darum zu kümmern. So etwas dauert schließlich Jahre. Mich verblüffte allerdings, daß er überhaupt noch seelisch in einem Stück war. Ich hatte Verletzungen gesehen, aber das was ich da feinstofflich wahrgenommen hatte, war jetzt schon teilweise geheilt, also mußte es ursprünglich noch wesentlich schlimmer gewesen sein und mindestens einer der Angriffe mußte ein Exorzismus gewesen sein, mit dem sie die Seele aus dem Körper geworfen hatten.

Mich versetzte das in Ehrfurcht - natürlich nicht die Angriffe an sich, sondern daß mein Sohn trotz dieser Angriffe immer noch derselbe bescheidene und anständige Mensch geblieben war. Das ist wahre seelische Größe. Die meisten Menschen wären an seiner Stelle wahnsinnig geworden.

Kersti

Fortsetzung:
F2427. Hans Hermann von Katte: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben