F2420.

Der junge Katte bewahrte Haltung

Vorgeschichte: F2417. Kersti: D

Alexander Hermann von Wartensleben erzählt:
Der junge Katte bewahrte Haltung, was nicht einfach sein konnte. Er sagte in den Verhören nichts Dummes, womit er sich selber in Gefahr gebracht hätte. Das erfuhr ich, weil ich gefragt wurde, wie man ihn dazu bringen könne, die Wahrheit zu sagen. Ich antwortete, daß es ihnen nicht gelingen würde, ihn zu brechen, weil er zu intelligent sei, um etwas Dummes zu tun und weil er ein Rückrat hätte, das hart aber auch elastisch sei, wie eine erstklassige Klinge. Ich hoffte, daß das stimmte, denn wir brauchten Zeit, um ihn da rauszuholen und jede Verzögerung arbeitete uns in die Hände.

Die Gerichtsverhandlung war ein Schritt in die richtige Richtung, aber sie reichte nicht, weil natürlich einige Leute wußten, warum der Prinz hatte nach Frankreich fliehen wollen. Katte hatte sich größte Mühe gegeben, sich selbst als den Haupttäter dastehen zu lassen, ohne in den Verhören etwas zu verraten, was sie nicht längst wußten. Er hatte wahrhaftig nicht einmal ein Geständnis abgelegt, wie ich erfahren hatte. Wir behaupteten natürlich, das läge daran, daß die Gegenseite Kattes Taten frei erfunden hätte, aber wir wußten es besser.

Das Traurige dabei ist, daß das Leben des Königs dabei nicht die geringste Rolle spielte. Selbst des Königs Lieblingsschwarzmagier schienen ihn langsam unbequem zu finden, weil er sich nicht in halbwegs brauchbare Bahnen lenken ließ. Das gaben sie dem König gegenüber nicht zu, aber es wurde allmählich offensichtlich. Er war einmal ein völlig verzogenes Kind gewesen, das statt einer anständigen Erziehung und der Liebe seiner Eltern nur Luxusgegenstände bekommen hatte, die letztlich keiner braucht und das hatte schon viel zu viel Schaden in seiner Kinderseele angerichtet. Ich dachte, es ist mir gelungen davon das ein oder andere wieder geradezubiegen, aber als dann noch der Krieg dazukam, ist er vor unsren Augen zerfallen. Warum konnte er da nicht einfach in dem Luxus, wo er lebte, weiterleben und es uns überlassen, uns um den Staat zu kümmern? Warum hatte er diese viel zu mächtigen kriminellen Wesen ins Land geholt, die wir nicht direkt bekämpfen konnten? König ist nun wirklich ein Posten, den ich nicht haben will, weil jeder der Verantwortungsbwußtsein mitbringt, dadurch so überlastet ist, daß nichts mehr für einen Selbst übrig ist. Und wer der Verantwortung nicht gerecht wird, landet in einem Haifischbecken, das er sich letztlich selbst geschaffen hat. Nur glaube ich, daß gar nicht jeder die Fähigkeiten und die Persönlichkeit mitbringt, die nötig wären, um eine solche Verantwortung tragen zu können.

Und dann plötzlich änderten die Schwarzmagier nach der Gerichtsverhandlung ihre Haltung und sorgten dafür, daß einige andere Leute erfuhren, daß Katte einen Putsch vorgehabt hatte und daß wir nicht mehr die Möglichkeit hatten, durchzudrücken, daß er am Leben bleibt. Ich fragte mich, was deren Haltung so geändert hatte.

Wir würden natürlich versuchen, ihm die Flucht zu ermöglichen. Ich glaubte aber nicht, daß wir Erfolg haben werden. Also ging ich hin, um ihm zu sagen, daß er ein Todesurteil zu erwarten hat. Er bewahrte immer noch die Haltung. Als ich sagte, daß ich nicht wußte, warum die Schwarzmagier plötzlich ihre Meinung geändert haben, antwortete er:
"Ich weiß das schon. Der König ist gekommen und hat mich schon wieder gefragt, ob ich nicht seinen Schwarzmagiern beitreten will. Ich habe ihm geantwortet, daß ich lieber sterbe, als das zu tun und ich wußte, daß das keine leeren Worte waren."
Das erschreckte mich. Ich sagte:
"Ich dachte, die hätten das schon vor Jahren aufgegeben."
"Nein. Aber ich habe irgendwann aufgehört darüber zu reden, weil es ja immer wieder nur denselben Ratschlag gab der letztlich keine Lösung gebracht hat." antwortete er.
Ich dachte mir, daß es eben nicht immer eine Lösung gibt, sagte aber, ich hätte aber wissen wollen, daß die Gefahr noch besteht.
"Weißt du, ich habe mir irgendwann ausgerechnet, daß sie einige Zeit immer mehr Druck auf mich ausüben werden, bis ihnen dann klar wird, daß ich unter keinen Umständen nachgeben werde und wenn sie den Versuch aufgeben, bringen sie mich dann wirklich um." erklärte er.
Ich sah ihn an und dachte nach. Er konnte recht haben. Während er mir aufzählte, was sie ihm im Laufe der Jahre so alles für furchtbare Dinge angetan haben und erklärte, warum die keinen Zusammenhang mit seinen eigenen Handlungen hatten, klang die Geschichte noch überzeugender.
"Was sie nicht verstanden haben, ist, daß sie mir mit jeder solchen Tat bewiesen haben, daß sie weit auf einem Pfad fortgeschritten sind, den ich gar nicht erst betreten will, weil ich weiß, wohin er führt und weil das für viele Leben Folgen hat." erklärte er.
Ich nickte. Das ist natürlich wie wir unseren Schülern erklären, warum man keine schwarze Magie betreibt. Allerdings ist es vergleichsweise selten, daß jemand das mit solcher Konsequenz durchzieht, wenn er so massiv bedroht und gequält wird.

Es sind immer die Besten, die so fertiggemacht werden.

Ich hasse Politik. Sie verlangt Menschen mehr ab, als viele von ihnen tragen können, und wenn man jemandem, den man liebt, helfen will, sind einem beide Hände gebunden, weil das Leben von viel zu vielen Menschen daran hängt. So war das mit dem König, der als ich ihn kennenlernte gar nicht so verkehrt gewesen war und so war es jetzt mit meinem Enkel. Und ich wollte auch nicht Haltung bewahren. Ich nahm meinen Enkel in die Arme, drückte ihn an mich und begann zu weinen. Er weinte ebenfalls.

Kersti

Fortsetzung:
F2421. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben