Reinkarnationserinnerung - Helden leiden länger

FB1.

Das Attentat

Es war ein entspannter Ausritt mit der königlichen Familie in die nächste Stadt. Selbstverständlich war eine angemessene Leibwache dabei - 20 Mann - aber niemand rechnete mit etwas gefährlichen. Ich - damals 24 Jahre alt - ritt neben dem jüngeren der beiden Prinzen und plauderte entspannt mit ihm. Der Leibarzt, ein gütiger alter Mann, wechselte gerade ein paar Worte mit der Tochter des Königs. Sie war das Nesthäkchen der Familie, nur zwölf Jahre alt. Ein immer fröhlicher Wildfang. Die Königin plauderte lachend mit ihrem Mann und dem Führer der Wache.

Wir zügelten gerade die Pferde, um vor einem Gasthaus abzusteigen, da kamen plötzlich von allen Seiten Bewaffnete auf uns zugestürmt. Pfeile flogen und trafen den Führer der Leibwache, die Königin, den älteren Prinzen, der König wurde von einem Speer durchbohrt, die Prinzessin war umzingelt. Ich griff nach den Zügel, riß das Pferd des Prinzen herum und floh. Wenn sie nicht gezwungen waren, sich zwischen dem Prinzen und der Gefahr zu halten, konnten die Anderen viel besser auf sich selbst aufpassen und bedenkenlos fliehen oder angreifen, je nachdem was besser erschien.

Kaum waren wir außer Sichtweite, wollte der Prinz umdrehen.
"Aber wir müssen ihnen doch helfen." meinte er.
"Wir waren über zwanzig Mann, die Feinde fast fünfzig. Unsere beiden Schwerter machen kaum einen Unterschied. Wir müssen zum Hof, Verstärkung und einen Arzt holen. Los, beeil dich, damit es noch etwas bringt." erklärte ich.

Wenn man das letzte aus den Pferden herausholt, war es kein langer Ritt. Nach kaum zwanzig Minuten kamen wir an, die Torwache blies das "Gefahr - alle Mann auf die Pferde!"-Signal und während die Männer schnell sattelten, gab ich einem Jungen die Anweisung loszureiten und einen bestimmten Arzt aus der Stadt zu holen, der einen sehr guten Ruf hatte, mit ihm zum Kampfplatz zu kommen.

Gut eine halbe Stunde nach Beginn der Kämpfe waren wir mit den ersten zehn Mann zurück. Die Feinde waren längst tot oder in die Flucht geschlagen. Die Tochter des Königs fand ich wimmernd am Boden liegen. Sie hatte eine Bauchwunde, was nahezu kein Mensch überlebt. Alle anderen Mitglieder der königlichen Familie waren tot. Ich rief den Prinzen her und befahl ihm, er dürfe seiner Schwester nicht von der Seite weichen.
"Sonst wirst du nie mehr Gelegenheit haben, mit ihr zu reden." erklärte ich.
"Ist es so schlimm?" fragte er.
Ich nickte. Das Mädchen sah mich mit großen Augen an. Ja. Sie hatte auch verstanden, was ich gesagt hatte. Aber es hätte keinen Sinn gemacht, sie von der Wahrheit verschonen zu wollen. Ich sah sie ernst an, berührte ihre Wange und sagte:
"Sei tapfer."
Sie nickte.
"Korith? Wir haben Deinen Bruder gefunden. Er ist schwer verletzt." rief einer der Männer, die den Platz absuchten.
"Dann muß ich zu meinem Bruder. Witia." sagte ich ihr und sah den Prinzen ernst an.

Er kniete sich neben seine sterbende Schwester und begann leise mit ihr zu reden, während ich zu meinem Bruder hinüberging. Ein Schwerthieb hatte das Kniegelenk zerstört und das Bein halb abgerissen. Er hatte, bevor der Gardist, der neben ihm auf mich wartete, ihm einen notdürftigen Verband angelegt hatte, schon zu viel Blut verloren und würde deshalb mit ziemlicher Sicherheit sterben. Ich kniete neben ihm nieder und nahm seine Hand in die meine. Ich spürte, wie er den Druck schwach erwiderte. Er hatte mich also bemerkt, auch wenn er die Augen nicht öffnete. Ich streichelte ihn und wartete daß der Arzt kam.

Doch zuerst kam einer der anderen Gardisten. Es war Gared.
"Der Arzt meinte, er bräuchte zwei gepolsterte Wagen, um die Verwundeten zu transportieren. Ich habe Kariv und Leidith losgeschickt, damit sie sich darum kümmern."
"Gut. Der Mann hat seine Sinne beisammen. Ich hatte nicht daran gedacht, als ich am Hof war." sagte ich.

Dann fragte ich der Reihe nach nach den Mitgliedern der königlichen Familie und allen Männern, die bei dem Attentat dabei gewesen waren. Außer dem Prinzen, den ich in Sicherheit gebracht hatte, war niemand von der königlichen Familie am Leben. Auch das Mädchen war inzwischen an ihren Verletzungen gestorben. Der Gardehauptmann und fünf der Gardisten waren tot, darunter mein Onkel. Mit mir waren zwei der Gardisten unverletzt. 13 waren verletzt, zehn davon schwer. Wir hatten zweiunvierzig Tote der Feinde gefunden und einen Verletzten, der jedoch nicht verriet, wer der eigentliche Auftraggeber dieses Attentats war. Ich erteilte die Anweisung, daß wir alle hierbleiben, bis die Wagen kommen, und daß der Prinz keinesfalls alleine irgendwohin gehen durfte.
"Notfalls kettet ihr ihn an." sagte ich.
Vielleicht waren noch irgendwo welche von den Attentätern versteckt.

Dann ging er weg - und mir wurde klar, was geschehen war. Gared hatte mir Bericht erstattet, als wäre ich Gardehauptmann und ich hatte mit größter Selbstverständlichkeit Befehle erteilt. Als ich mit dem Prinzen zum Hof geritten war, da war klar, daß ich Befehle erteilen mußte - niemand anders wußte dort, was los war, niemand anders wußte, was getan werden mußte. Aber daß Gared jetzt zu mir gekommen war und Befehle erwartet hatte, das war unglaublich. Er galt als der wahrscheinlichste Nachfolger für den toten Gardehauptmann. Und ich war irgendein junger Gardist.

Als die Wagen kamen, half ich dem Arzt, das Einladen der Verletzten zu beaufsichtigen. Nachher war ich erschüttert. Ich war mir sicher, daß die meisten von ihnen sterben würden.

Zuhause angekommen übernahm die Frau meines Bruders die Wache am Krankenbett meines Bruders und der Prinz rief mich zu sich.

Kersti


FB2. Kersti: Fortsetzung: Der mißratene Sohn
FBI. Kersti: Inhaltsübersicht: Helden leiden länger
FB1. Kersti: Zum Anfang: Das Attentat
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
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