Ich trat zu ihm hin und legte ihm den Arm auf die Schultern. Still
wartete ich, daß er sich wieder faßte. Nach Minuten des
Schweigens sah er zu mir auf.
"Ich kann nicht behaupten, daß du den Posten nicht verdient
hast. Ich erinnere mich, wie froh ich gestern war, die Verantwortung
auf dich abschieben zu können."
"Ich weiß, welches Gespräch du meinst und wie
verblüfft ich darüber gestern war. Aber ich glaube nicht,
daß du dich gerecht beurteilst. Denn ich erinnere mich auch,
wie ich abends ins Kloster kam. Und wie unendlich erleichtert ich
war, als der Abt sofort die Situation erfaßte und die genau
richtigen Anweisungen erteilt hat. Ich glaube, wenn alles so
drüber und drunter geht wie gestern, ist absolut jeder heilfroh,
wenn jemand die Verantwortung mit ihm teilt. Und mehr habe ich nicht
gemacht. Du hast ebenfalls Befehle gegeben und sie waren ebenso
vernünftig wie meine."
Ich sah ihm an, daß er mir nicht glaubte, daß das mein
Ernst war. Er war immer noch der Ansicht, versagt zu haben und das als
Strafe verdient zu haben.
"Tatsächlich hat sein Bruder ihm geraten, mich zum Hauptmann
zu machen. Aber nicht wegen meiner Fähigkeiten als Hauptmann der
Garde. Und nicht wegen irgendwelcher Fehler deinerseits. Sondern weil
ich der Freund des Königs bin, weil ich ihn so sehr liebe,
daß ich ihn notfalls eine Tracht Prügel geben und ihn ins
Bett stecken würde, wenn er Dummheiten macht." sagte ich und
sah zum König hinüber "So hattest du es doch gesagt,
oder?"
Der König lächelte:
"Ja. So hatte ich es gesagt."
Gared sah zwischen uns beiden hin und her.
"Es ist eine Dummheit, jemanden nur wegen der Freundschaft einen
solchen Posten zu geben."
Gared sah mich lange und schweigend an.
Er dachte über vieles nach, fragte mich
über die Entscheidungen aus, die ich am
Vortag getroffen hatte. Schließlich nickte er
ernst.
Gemeinsam gingen wir hinaus, damit der König verkünden
konnte, daß ich neuer Gardehauptmann sein würde.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
"Es war nicht nur Freundschaft. Freundschaft auch, denn
Freundschaft ist wichtig. Wenn ich den Posten aber nicht wirklich
ausfüllen könnte, würde er mir damit, mich zum
Hauptmann zu machen, einen sehr schlechten Dienst erweisen. Bevor der
Bruder des Königs ihm diesen Ratschlag gab, hat er mich zur Seite
genommen und mich über meine Rolle beim Attentat ausgefragt. Was
er gehört hat, muß ihn überzeugt haben."
erklärte ich.
Er begann es langsam ernst zu nehmen, doch konnte er es immer noch
nicht so ganz glauben.
"Meine Unterstützung sollst du haben. Aber nicht weil ich
meine, du würdest es nicht ohne mich schaffen, sondern weil ich
überzeugt bin, daß du ein besserer Hauptmann sein wirst,
als ich es jemals werden könnte."
"Danke!" sagte ich aus vollstem Herzen.
Ich war so erleichtert diesen Mann, den ich so achtete, nicht gegen
mich zu haben. Und er hatte mehr Größe bewiesen, als die
meisten es gekonnt hätten, indem er diese Entscheidung
akzeptierte.
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