12/04

Fantasy, Darkover: Dokiharjon

G21.

Die Vorurteile der Götterkrieger

Beander erzählt:

Als Kind war mir nicht bewußt wie unangemessen es ist, daß wir Dokiharjoni im Trockenland als Götter des Krieges verehrt und für unbesiegbar gehalten werden. Ich war damit aufgewachsen und hielt es für normal.

Später in den Domänen, bekam ich als stummer Eunuch und Fremder mehr als meinen Teil an Vorurteilen ab. Rätselhafterweise war man dort der Ansicht, daß Eunuchen feige seien. Menschen die nicht einmal ihren eigenen Namen schreiben konnten und nie über ihr eigenes Dorf hinausgeblickt hatten, hielten mich für dumm und ungebildet. Dabei hatte ich dieselbe Erziehung genossen, wie der Prinz dessen Leibwächter ich gewesen war, hatte zusätzlich noch viel gelesen und war deshalb gebildeter als die meisten Gelehrten. Andere schlossen aus der Tatsache, daß ich nicht sprechen kann, daß ich sie bestimmt auch nicht verstehen würde, wenn sie in meiner Gegenwart über mich sprechen, doch niemand wäre dort auf den Gedanken gekommen, mich für unbesiegbar zu halten, obwohl ich dort keinen echten Kampf verloren habe.

Hinzu kam das Mädchen, das ich in den Jahren der Sklaverei adoptiert hatte. Ich hatte sie erzogen, wie ich alle Kinder erzogen habe, mit denen ich bisher zu tun hatte: wie die jungen Dokiharjoni. Anfangs wurde mir das nicht bewußt, denn die Welt der normalen Menschen war mir zu fremd, als das ich etwas anderes hätte tun können.

Doch als aus meiner Tochter eine junge Frau wurde, merkte ich, mit wie vielen Vorurteilen sie sich deshalb herumplagen mußte. Sie wurde ausgelacht, weil sie besser kämpfen konnte als die meisten erwachsenen Männer. Manche der Leute hielten sie deshalb rätselhafterweise für eine Hure - bis Varnia sie mit ihrem Schwert eines Besseren belehrte. Ich fragte mich, ob ich einen großen Fehler gemacht hatte. Doch als sie entschied, der Schwesterschaft des Schwertes in den Domänen beizutreten, dachte ich, sie hätte ihren Platz im Leben gefunden und war beruhigt.

Mein Dokir, mein blau leuchtendes Zauberschwert, war mir von den Räubern abgenommen worden, die mich in die Sklaverei verkauft hatten, als ich Varnia kennenlernte. Diese Schwerter sind aus gutem haltbaren Stahl, aber ihre eigentliche Besonderheit ist, daß sie dabei helfen die Gefühle, Gedanken und Absichten des Gegners zu erspüren. Wenn jemand ein solches Schwert anfaßt, ohne daß ich mich auf ihn eingestimmt habe, habe ich Schmerzen die so heftig sind, daß ich am liebsten sterben würde. Einmal hätte ich beinahe eine Schwertfrau in einem Kampf erschlagen, bei dem abgesprochen war, daß ich sie nicht verletzen sollte, weil jemand mein Schwert angefaßt hatte. Deshalb war es nicht gut, daß die Waffe immer noch in fremden Händen war. Dennoch hatte ich sie mir bisher nicht zurückgeholt, weil die Burg der Räuber, wo sie war, zu gut bewacht war. Ich durfte schließlich nicht mein Leben in Gefahr bringen, so lange noch ein Kind von mir abhängig war.

Ich hatte Heimweh.

Dian erzählt:

Beander gelang es - wieder einmal - nicht, einen Hieb abzuwehren. Fion drehte die Klinge flach und traf ihn damit an der Schulter. Obwohl der Hieb weder besonders fest war, noch aus einem ungünstigen Winkel kam, brach Beander haltlos zusammen.

Sofort versuchte er, sich wieder aufzurichten. Seine Bewegungen waren langsam wie in Zeitlupe. Es gelang ihm nicht, sich wie gewohnt auf die Beine zu rollen. Also stemmte er sich mit den Armen hoch, die selbst bei dieser geringen Anstrengung vor Erschöpfung zitterten.

Sein Gegner Fion blieb ruhig stehen, sah mit erhobenem Schwert und unbeweglichem Gesicht zu, wie Beander wieder in Kampfstellung ging und mühsam sein Schwert hob, dessen Spitze sichtbar zitterte.

Zu behaupten, daß Beander aus vielen Wunden blutete, wäre nicht ganz zutreffend. Es waren tatsächlich nur Kratzer und Striemen von den vielen Hieben, bei denen die scharfe Klinge nicht völlig korrekt flachgedreht gewesen war, als Beander sie nicht hatte abwehren können. Aber sie bedeckten seinen gesamten Körper und sein Schweiß ließ sie zweifellos furchtbar brennen.

Sechsunddreißig Stunden kämpfte er nun schon, ohne daß wir ihm eine Pause gegönnt hätten. Er mußte inzwischen Schmerzen haben, als wäre er die ganze Zeit unausgesetzt gefoltert worden. Er mußte zu Tode erschöpft sein. Doch sein Geist war ruhig und friedlich, reine fokussierte Entschlossenheit.

Wieder wurde er durch einen Hieb zu Boden gerissen und kämpfte sich mühsam auf die Beine. Und in meiner Achtung stieg er erneut ein Stückchen.

Wir sieben Dokiharjoni waren wie Geschwister mit Rauon, unserem König aufgewachsen, dessen Leibwächter wir sind. Wir hatten gemeinsam mit ihm kämpfen gelernt. Jeder von uns hatte selber es schon erlebt, daß er der Reihe nach gegen mehrere andere Dokiharjoni antreten mußte. Manches waren die regulären Übungen gewesen, die jeder von uns regelmäßig durchmachen muß, um in Form zu bleiben. Aber manchmal mißbrauchten wir das auch als Strafe, wenn wir uns über einen von uns geärgert hatten. Genauso wie wir gerne harte Spaßkämpfe benutzen, um Wut und Verzweiflung abzureagieren. Das nehmen wir einander nicht übel, denn die Übung brauchen wir sowieso.

Aber das hier war anders. Beander war Dokiharjon des vorherigen Königs gewesen und hätte ihm vor zwölf Jahren auf das Totenfeuer folgen müssen, damit er ihn im Jenseits weiterhin beschützen kann. Stattdessen war er geflohen.

Ich habe mich lange gefragt, wieso er entschieden hatte, daß es besser wäre, als stummer Eunuch zwischen Menschen zu leben, die ihn weder kennen noch verstehen, statt seine Freunde in das andere Leben zu begleiten. Ich habe es nicht verstanden, auch nicht, nachdem Joeth mir erzählte, daß sein König ihm das befohlen hatte und er es eigentlich nicht gewollt hatte. Es ist ja nicht so, daß Beander seinem König stets gehorcht hätte. Im Gegenteil. Da kam es schon öfter vor daß der König umgekehrt Beander gehorcht hatte.

Vor zwei Tagen hatte er uns auf einem Ausritt abgepaßt.

"Du bist also zurückgekommen." hatte mein König zu ihm gesagt.
"Ich hatte Heimweh." antwortete Beander mit knappen Gesten.
Das schien mir verständlich, denn wenn er jetzt stirbt, werden seine Gefährten drüben auf ihn warten. Doch als mein König antwortete:
"Du hättest Deinem König vor zwölf Jahren auf das Todesfeuer folgen sollen. Du kannst Dir aussuchen, ob du einen eigenen Scheiterhaufen haben willst, oder ob es Dir lieber ist, gegen uns zu kämpfen. Dein Platz ist nicht mehr in dieser Welt." konnte ich an Beanders Miene ablesen, daß er sich etwas anderes gewünscht hatte. Aber was?
Er wurde blaß, schluckte, fing sich wieder, nickte ruhig und sagte mit einer knappen Geste: "Kämpfen".

Beander gehorchte, als mein König ihm befahl, mit uns zu dem Platz zu reiten, auf dem sein König verbrannt worden war. Er machte unterwegs keinen Versuch zu fliehen und beteiligte sich nicht an unseren Gesprächen.

Als Beander seine Position eingenommen hatte und auf das Startsignal des Kampfwächters wartete, sagte er nur einen Satz in unserer Gestensprache:
"Ich werde euch nicht verletzen."

Fion, sein erster Gegner, hatte entschieden, ihn ebenfalls nicht zu verletzen. Und daraus war dieser ewig lange Übungskampf geworden.

Die ersten sechs Kämpfe hatte Beander gewonnen. Danach wurden seine Siege unregelmäßiger. Inzwischen - nach 36 Stunden unausgesetzten Kampfes lief es darauf hinaus, daß er mit der flachen Klinge verprügelt wurde. Dennoch kämpfte er sich nach jedem Hieb wieder mühsam auf die Beine und hob sein Schwert.

Mit jedem Kampf stieg meine Achtung vor Beander. Zuerst, weil er so viel besser kämpfte als wir - und auch weitaus besser als Joeth, der mit ihm zusammen als Dokiharjon des vorherigen Königs aufgewachsen war. Wäre es um Leben und Tod gegangen, hätte er uns alle umgebracht, er alleine.

Und später, weil er so unglaublich viel Durchhaltevermögen bewies. Ich hätte gedacht, daß man nicht länger als zwölf Stunden am Stück kämpfen kann. Oft genug habe ich bei überlangen Kampfübungen erlebt, daß die Arme einfach nicht mehr tun, was man von ihnen will, daß man mitten im Schritt zusammenbricht und der Kampfwächter dann aus Sicherheitsgründen den Kampf abbricht.

Doch der König ließ den Kampf nicht abbrechen und niemand von uns war bereit den tödlichen Hieb zu führen. Daß Beander weiterkämpfte, konnte ich verstehen: Aufgeben wird in unserer Ausbildung nicht geduldet, so daß es in Fleisch und Blut übergeht, daß man kämpft, bis der Kampfwächter den Kampf beendet. Oder bis man tot ist.

Diesmal gelang es Beander nicht, richtig auf die Beine zu kommen. Jedesmal, wenn er es versuchte, fiel er wieder um, bevor er ganz stand. Oder es gelang ihm nicht, das Schwert zu heben.

Fion stand daneben und wartete.

"Mach dieser Farce ein Ende." befahl der König.
"Er ist noch nicht bereit." widersprach Fion.
"Er hat verloren. Das ist doch offensichtlich." widersprach der König.
"Er hat nicht aufgegeben." entgegnete ich.
"Das ist auch nicht nötig. Er hätte vor zwölf Jahren auf dem Totenfeuer sterben sollen." wechselte der König in die Gestensprache.
"Er ist damals nicht gestorben. Und ich werde ihn jetzt nicht ermorden, wo er sich nicht mehr wehren kann." antwortete Fion.

Rauon, mein König sah Fael an, der nur kurz den Kopf schüttelte, ehe Rauon den Befehl aussprechen konnte. Auch die anderen lehnten ab, sobald er in ihre Richtung schaute. Rauon zog seufzend seine eigene Waffe und ging zu Beander, der am Boden kniend unsere Unterhaltung beobachtet hatte. Ich trat dazwischen.
"Wir brauchen ihn als Kampflehrer."
Rauon warf mir einen verärgerten Blick zu und griff mich an. Es folgte ein hartes Scheingefecht, das dauerte, bis Fion dazwischen ging, weil unsere Hiebe zu unsicher wurden.

Danach fand sich Rauon wortlos damit ab, daß er mit seinen Befehl bei uns nicht durchkam.

Beander erzählt:

Der Raum, in dem ich schlafe, hat Gitter in den Fenstern und die Tür ist mit einem schweren Schloß verschlossen - falls ich nicht vergesse, die jungen Dokiharjoni ans Abschließen zu erinnern. Eigentlich hätten sie uns einschließen lassen müssen, während sie mich besuchen. Schließlich bin ich jedem von ihnen im Kampf überlegen. Und sie hätten während der Kampfübungen darauf achten müssen, daß ich keinen Fluchtversuch unternehme. Ganz offensichtlich hielten sie das alles für völlig unnötig. Da sie erfahrungsgemäß fähig sind, Menschen gefangenzuhalten, die nicht freiwillig zu Besuch sind, hat es wohl nichts damit zu tun, daß sie zu dumm für so etwas wären. Ich tue höflicherweise so, als wäre ich hier wirklich gefangen. Aber ich habe mir für den Notfall selbstverständlich längst einen eigenen Schlüssel besorgt.

Ein Jahr verging. Ich lebte im Palast und gab den Dokiharjoni täglich Unterricht in den verschiedenen Kampfdisziplinen. Sie lernten viel dadurch. Ich hatte in den Domänen Erfahrungen mit den dortigen ganz anderen Kampftechniken sammeln können. Mir ist dort kein Kämpfer begegnet, der mir überlegen war, dennoch ist meine Technik in dieser Zeit sehr viel unberechenbarer und vielfältiger geworden.

Die Dokiharjoni sind für mich wie die Kinder, die ich selber nicht zeugen kann. Ich habe sie getröstet, wenn sie als Babys geweint haben, ihnen kämpfen beigebracht und sie alles, was ich konnte, gelehrt. Und jetzt sind sie darauf angewiesen, im Kampf so gut wie nur irgend möglich zu sein, sonst werden sie nicht überleben.

Im großen und Ganzen war ich zufrieden, aber ich war seltsam enttäuscht, wie viele Vorurteile auch die Dokiharjoni hatten. Sie glaubten daß Sklaven nicht wissen was Treue ist, daß in den Domänen Weichlinge die Oberherrschaft haben - aus keinem besseren Grund als all die Leute mich für dumm und ungebildet gehalten hatten. Vor allem aber wußten die Dokiharjoni, daß kein Mann gründlich kämpfen lernt, daß Männer keinen Mut haben, daß sie sich erst sicher fühlen, wenn sie zu zehnt auf uns losgehen können. Ich muß sagen, ihr ständiges Lästern über Männer nervte mich sehr. Schließlich hatte ich jahrelang mit Männern zusammen gelebt und gekämpft, die sich als Söldner ihr Brot verdienten. Und so lange sie keinen scheinbar überirdischen Götterkriegern mit blauen Zauberschwertern begegnen, ist an ihrem Mut nichts auszusetzen.

Dian erzählt:

Die Nachricht vom Auftauchen eines unbekannten Dokiharjon kam völlig unerwartet. Und wir waren noch damit beschäftigt, zu überlegen, woher denn dieser fremde Eunuch, von dem der Bote uns erzählte, bloß gekommen sein sollte - und wer so verrückt oder mutig sein mochte ausgerechnet uns herauszufordern, als die Tür des Konferenzraumes sich erneut öffnete und er selbst hereinkam.

Die Beschreibung traf zu: Er war klein, zierlich, rothaarig, ohne Bartwuchs und seine Kleidung war eine recht gute Kopie unserer Uniform. Er schien durch unsere Anwesenheit völlig unbeeindruckt.

Er begrüßte den König höflich:
"Entschuldigt bitte mein Eindringen in euren Palast, aber ich hörte daß Beander, der mir wie ein Vater war, sich hier befinden soll. Ich wollte ihn gerne wiedersehen und mich überzeugen, daß es ihm gut geht."
"Das wird dir selbstverständlich erlaubt, Krieger, doch da du entschieden hast die Kleidung der Dokiharjoni zu tragen, mußt du zuerst beweisen, daß du dieser Ehre würdig bist." antwortete der König.
"Das wird mir eine Ehre sein." entgegnete er.

Joeth, der alte Dokiharjon machte mit einem Fingerschnippen auf sich aufmerksam und sagte:
"Das ist Varnia. Beander sollte erlaubt werden, dem Kampf seiner Adoptivtochter zuzusehen."
Ich war zuerst perplex, wunderte mich dann aber, daß ich nicht selbst darauf gekommen war. Der Krieger, der es gewagt hatte, in der Kleidung der Dokiharjoni vor den König zu treten, war eine Frau! - Und da Beander sie ausgebildet hatte, hatte sie wahrscheinlich trotz ihrer geringen Körpergröße und Kraft eine Chance den Kampf zu gewinnen, in dem wir sie prüfen würden.

Beander erzählt:

Jeder Muskel im Körper protestierte, wenn ich auch nur einen kleinen Finger rührte und wegen der vielen Striemen und blauen Flecke fühlte ich mich so mies, daß man glauben könnte, ich läge im Sterben. Natürlich war es völlig ungefährlich ... sonst hätte ich es nicht jeden Monat einmal überlebt. Wirklich gefährliche Verletzungen sind oft viel weniger schmerzhaft.

Ich lag im Bett und wünschte, ich würde noch schlafen. Das war natürlich einer alberner Wunsch, aber einer, den ich regelmäßig jeden Monat einmal für einige Tage hatte - immer nach diesen verfluchten überlangen Kampfübungen, bei denen ich mich immer noch frage, ob der König der jungen Dokiharjoni mich damit bestrafen wollte, weil ich noch lebte oder ob er meint, ich bräuchte besonders viel Übung. Da ich nicht persönlicher Leibwächter des Prinzen war, mußten die Übungen nicht so früh abgebrochen werden wie üblich, denn es war keine Katastrophe, wenn ich im Monat drei Tage nicht einsatzfähig war.

Von außen näherten sich Schritte. Ich setzte mich auf, zog mir schnell etwas über. Und erstarrte fassungslos als ich sah, wer hereinkam. Varnia! - und dann auch noch in der Uniform der Dokiharjoni.
"Was machst du hier?" fragte ich zornig.
"Ich habe dich gesucht. Es hieß, der Trockenlandkönig würde dich ständig foltern." antwortete meine Adoptivtochter.
"Wie man's nimmt - du nanntest doch die längeren Kampfübungen, die ich mit dir gemacht habe auch immer ,die reinste Folter'?" ich grinste und fuhr fort: "Abgesehen davon, daß ich regelmäßig trainiere, geht es mir hier gut."
Varnia warf einen vielsagenden Blick auf diverse häßliche Blaue Flecken und Striemen an meinem Körper.
"Was hast du dir dabei gedacht hier ausgerechnet in der Uniform der Dokiharjoni aufzutauchen? Bist du wahnsinnig geworden?" fuhr ich zornig fort.
"Ich dachte, es ist einfacher, sieben Dokiharjoni zu überzeugen, daß ich kämpfen kann, wie ein Dokiharjon, als jeden einzelnen Mann der Trockenstädte zu beweisen, daß ich weiß an welchem Ende man ein Schwert anfaßt. Du hattest doch gesagt, daß Frauen nicht deshalb so gefährdet sind, weil sie wehrlos wären, sondern weil Männer das glauben."
"Aber wie konntest du nur ..."
"Ach komm! Du bist schnurstracks hierhergeritten, obwohl du mir erzählt hast, daß du nicht zurückkehren kannst, weil du hier sofort verbrannt werden würdest."
Ich warf Fion, der sie hergebracht hatte, einen zornigen Blick zu, weil er über das ganze Gesicht lachte. Leider steigerte das seine Heiterkeit nur noch mehr:
"Das ist unzweifelhaft deine Tochter, auch wenn ich es mir nicht erklären kann ... oder haben sie dich als Baby doch nicht kastriert?" fragte er und wollte sich ausschütten vor Lachen.
"Ich habe sie adoptiert." antwortete ich würdevoll.
"Bist du sicher, daß du sie nicht gezeugt hast? Irgendwo muß sie doch diesen Charakter geerbt haben!"

Varnia beobachtete diesen kurzen Austausch und mußte auch lachen, was mich nur noch mehr ärgerte.
"Siehst du, sie hat sogar deinen verdrehten Humor!" setzte Fion noch eins drauf.

Ich zog mein Schwert und griff ihn an. Varnia zog ihr Schwert ebenfalls, trat einen Schritt zurück und übernahm mit der Selbstverständlichkeit jahrelanger Übung die Positition des Kampfwächters.

Sie ließ mich diesmal nicht lange kämpfen, denn ich war durch meinen letzten überlangen Übungskampf noch zu mitgenommen. Als sie uns trennte, wurde mir bewußt, daß Fion ihre Anweisung mit derselben Selbstverständlichkeit befolgte, wie er das bei einem der Dokiharjoni getan hätte. Mir wurde klar, daß Varnia es irgendwie jetzt schon geschafft hatte, die Jungs für sich zu gewinnen.

Dian erzählt:

Die Prüfungskämpfe fanden auf dem Marktplatz statt. Ich war erster Gegner Varnias. Sie glich ihren Mangel an Reichweite Kraft und Gewicht so wirkungsvoll durch Können aus, daß sie gegen mich gewonnen hat. Andererseits sollte das nicht zu sehr verwundern. Ich bin der schlechteste Kämpfer von uns. Wir wollen schließlich prüfen, ob sie kämpfen kann wie ein Dokiharjon, nicht ob sie kämpfen kann wie der beste Dokiharjon.

Nach dem Kampf fragte sie mit einer knappen Geste: "Noch einer?"
Fion meldete sich und wurde ebenfalls von ihr besiegt. Dann kämpfte sie der Reihe nach gegen jeden von uns, doch verlor die Hälfte der Kämpfe, weil sie müde zu werden begann.

Schließlich kämpfte sie auf Wunsch unseres Königs auch noch gegen Beander und Joeth.

Ich weiß nicht, welcher Teufel mich ritt, daß ich auf ihr nächstes "Noch einer?" mit einer erneuten Herausforderung reagierte. Doch damit war klar, daß auch die anderen noch einmal mit ihr kämpfen würden, so lange, bis der Kampfwächter ein Ende befahl.

Den Zuschauern wurde es langweilig, sobald Varnia zu müde geworden war, um noch eine Chance gegen uns zu haben. Sie unterhielten sich darüber daß wir zu dem armen Jungen grausam seien. Wir hatten nicht ausdrücklich gesagt, daß Varnia eine Frau war. Sie fanden, wir seien fies und ungerecht.

Varnia dagegen kämpfte. Nach jedem Kampf war sie wieder bereit, sich der nächsten Runde zu stellen und ließ sich nicht dadurch entmutigen, daß sie zu erschöpft war, um gegen ihre ausgeruhten Gegner auch nur einen Schlag anzubringen.

Mit jedem Kampf faszinierte sie mich mehr.

Beander erzählt:

Ich wunderte mich lange, warum die jungen Dokiharjoni meine Tochter so selbstverständlich als eine der ihren angenommen hatten. Warum sie sie als eine Dokihara sahen, eine Götterkriegerin, wie wir Dokiharjoni Götterkrieger sind. Für den Kampf geboren und nur für den Kampf.

Und als ich den Grund begriff, mußte ich lachen: Sie war KEIN Mann.

Wie jeder Dokiharjon weiß, haben Frauen mehr Mut als Männer. Sie sind die einzigen, die es wagen, uns ohne Waffe und ohne Unterstützung entgegenzutreten, wenn ihre Kinder in Gefahr sind.

Kersti


. Kersti: Fortsetzung:
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de