Reinkarnationserinnerung - Mein Leben zu Jesu Zeit

K17.

Heimkehr

Johannes ist der Titel des höchsten Priesters des Essenerordens. Im Gegensatz zu der Königslinie, die durch den Tod des letzten Königs im Krieg ausgestorben war, und für die bis zu Jesu Geburt kein Ersatz gefunden wurde, wurde die Priesterlinie nach der Eroberung Israels durch die Römer ohne Unterlaß fortgesetzt.

Johannes der Täufer war gerade erst 20, als er in sein ererbtes Amt eingesetzt wurde und sein Vater starb. In dem Jahr, in dem ich meine erste Einweihung erhielt, war er 23.

Als ich nach der Prüfung im Tempel wieder ins Essenerhaus zurückkehrte, sagte die Wache am Eingang:
"Du bist doch Jesus Simon?"
"Ja."
"Schnell, geh hinunter in den Konferenzraum, der Johannes wartet schon auf dich."
Ich lief hinunter. Vor der Tür des kleinen Raumes hielt ich inne. Ob er wieder nur schweigen würde? Ich klopfte.

Leise Schritte näherten sich von innen. Ein junger Mann mit einem sanften, fröhlichen Gesicht öffnete, sah mir kurz prüfend in die Augen, lächelte und fragte leise:
"Simon?"
"Ja."
Mit einer freudig-einladenden Geste, forderte er mich auf, einzutreten. Wir waren alleine.

Wir setzten uns beide auf den Boden und musterten und gegenseitig mit intensiver, freundlicher Aufmerksamkeit. Johannes schwieg. Ich schwieg auch, erspürte aufmerksam sein Energiefeld und entspannte mich dabei immer mehr. Ich konnte spüren, daß es ihm genauso erging. Ich kuschelte mich an ihn, schloß die Augen und fühlte mich einfach wohl und geborgen.

Wir waren fast eine Stunde so allein, als schließlich jemand zaghaft an die Tür klopfte und fragte, ob Johannes nicht hoch zum Abendessen kommen wolle. Johannes lächelte voll echter Freude und sagte, daß er selbstverständlich sofort komme. Dann forderte er mich wortlos, mit einem strahlenden Lächeln auf, ihm zu folgen.

Auf dem Weg zum Essen freute er sich über jeden Menschen, dem er begegnete. Meist schenkte er ihnen nur ein strahlendes Lächeln. Mit manchen wechselte er einige Worte. Manchmal über Alltägliches, andere befragte er über den Fortgang von Arbeiten, die er offensichtlich schon früher mit ihnen besprochen hatte. Mir erklärte er dann mit wenigen Worten, worum es ging.

Ich fand die Wirkung, die Johannes auf andere hatte interessant: Seine Angewohnheit, sich über alles und jeden zu freuen, der ihm begegnete, brachte ihm viel Liebe ein. Jeder, der ihm begegnete, schien ihn zu mögen. Die Leute versuchten ihm aber Ehrungen aufzudrängen, wie sie für Menschen mit hohem gesellschaftlichem Rang üblich sind, doch Johannes lehnte das ab, weil ihm das sichtlich unangenehm war. Ich verhielt mich, als sei ich Johannes Diener. Dadurch warfen die Menschen mir nur einen uninteressierten Blick zu, ordneten mich als unwichtig ein und vergaßen mich sofort. Ich konnte Johannes so viel ungestörter beobachen. Interessanterweise nahm er das von mir ohne Widerspruch an.

Ich beobachtete Johannes Verhalten, dachte über seine Entscheidungen nach und erledigte nebenher ein paar kleine Handgriffe. Erst als wir abends allein waren, stellte ich eine Frage:
"Johannes, warum hast du dir Arid als Lehrer ausgesucht?" fragte ich. "Ich habe ihn mir nicht ausgesucht. Mein Vater hat sich Sorgen gemacht, daß ich vielleicht verwöhnt werden könnte und mir den unangenehmsten Lehrer ausgesucht, den er finden konnte." erklärte der Johannes in seinen Augen blitzte ein Lachen auf, das zeigte, daß er selbst Arid beileibe nicht als unangenehmen Menschen einstufte.
"Jesus Arid hält aber viel von dir. Er hat dich nicht gebeten, mein Lehrer zu werden, weil du der Johannes bist, sondern weil er dich für einen guten Lehrer hält." entgegnete ich.
"Ich weiß. Ich halte auch viel von ihm. Aber er verwöhnt ganz gewiß keine kleinen Kinder." Johannes lachte.
"Nein. Arid ist ein Mensch, der kommt her, bittet ganz lieb um etwas, das einfach nur eine Zumutung ist, und man tut, worum er bittet, weil er recht hat." sagte ich.
Johannes nickte. Er kannte das.
"Warum hältst du viel von Arid?"
"Er hat mich gelehrt, auch die unangenehmen Menschen zu lieben."
"Wie Arid?"
"Nein. Arid ist hart und bitter, weil sein Leben hart und bitter war. Aber im Grunde seiner Seele ist er voller Liebe und Güte. Die wirklich unangenehmen Menschen haben vielleicht eine weiche Schale, aber ihr Herz ist verdorben."
Ich nickte. Ich dachte an Ramajan, der mich immer wieder folterte und dann zu allem Überfluß auch noch Mitleid mit mir hatte. Das ist wahr. Dann ergänzte ich:
"Es ist noch mehr. Wenn Arid etwas sagt, dann ist es zuerst hart, doch auf Dauer macht es reich. Die anderen Lehrer sind nett und gutmütig. Aber wenn sie etwas sagen, dann ist es zuerst nett, doch au Dauer hilft es nicht."
Johannes warf mir einen zutiefst nachdenklichen Blick zu. Dann lächelte er und nickte. Nach einer ganzen Weile des Schweigens sagte er:
"Wenn ich bei einer Sache nicht mehr weiter weiß, frage ich immer noch Arid, was er dazu meint."

Johannes teilte mir mit, daß ich auf Wunsch des alten Jesus Tios zu meinem Heimatdorf zurückkehren solle, um dort nach und nach die Pflichten des Heilerjesus des Dorfes zu übernehmen. Er begleitete meinen Vater und mich auf dem Weg dorthin.

Die meiste Zeit habe ich mich nur mit Johannes unterhalten. Es war einfach so, daß ich bei meinem Vater nicht wußte, worüber ich mit ihm reden sollte. Was mir wichtig erschien, wußte er nicht einmal und all die alltäglichen Sorgen und Nöte der Dörfler, die sein Leben ausmachten, waren nicht Teil meines bisherigen Lebens. Am allerwenigsten zu unwesentliche Dinge, wie wo man schönen Schmuck für eine Freundin herbekommt. Mein älterer Bruder wollte heiraten.

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