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letzte Bearbeitung: 12/2020

VA61.

Kritikfähigkeit hat zwei Seiten

Inhalt

VA61.1 Kersti: Einleitung: Kritisieren ist eine Fähigkeit
VA61.2 Kersti: Fehler in der Technik des Kritisierens
VA61.3 Kersti: Kritik als Projektion der eigenen Fehler auf den Kritisierten
VA61. Kersti: Quellen

 
Inhalt

1. Einleitung: Kritik geben und Kritik auswerten - beides will gelernt sein

Mir begegnete die Aussage "XY ist nicht kritikfähig", als ich mich in den 90ger Jahre in Esoterik- und Reikikreisen herumtrieb, immer nur in der Bedeutung, daß XY nicht fähig sei, Kritik anzunehmen. Nun ist es zweifellos wichtig, sich Kritik anhören zu können, ohne sich gleich angegriffen zu fühlen. Es ist wichtig, Kritik richtig einordnen und daraus lernen zu können.
O4. Kersti: 3. Achillesfersen des sozialen Lernens - Was lernen ausgegrenzte Schüler nicht?
Zu Kritik gehören allerdings zwei - einer, der kritisiert und einer, der kritisiert wird. Und meiner Erfahrung nach ist die angebliche "Kritikunfähigkeit" der kritisierten Personen sehr oft eine Kritikunfähigkeit der Kritisierenden.
O4. Kersti: 4. Defizite der ausgrenzenden Gemeinschaft

 
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2. Fehler in der Technik des Kritisierens

Man kann in seine Kritik persönliche Angriffe mischen wie beispielsweise "Du Arschloch hast...", "Was Du getan hast zeigt, wie dumm du bist." - mit der Wirkung, daß es nur wenigen gelingen wird, so ruhig zu bleiben, daß sie aus der Kritik noch etwas lernen können. Denn um Kritik annehmen zu können, braucht man genug innere Ruhe, um sie durchdenken und verstehen zu können. Wenn sich der, der kritisiert so verhält, daß man am liebsten nie wieder ein Wort mit ihm reden würde, wird man ganz bestimmt nicht die Rückfragen stellen, die nötig wären um überhaupt nur zu verstehen, was er mit der Kritik gemeint hat, geschweige denn was man tun könnte, um es in Zukunft besser zu machen.

Man kann Kritik so indirekt formulieren, daß nur diejenigen sie verstehen, die auch ohne Kritik wußten, daß sie gegen irgendwelche Regeln verstoßen. Jede Andeutung ist eine so indirekte Kritik, daß sie nur denen, die absichtlich gegen die Regeln verstoßen, verständlich ist.
VA163. Kersti: Die Wirkung indirekter Kritik

Aber auch, wer in seiner Kritik darüber redet, was der Kritisierte sich wohl bei seinen Äußerungen gedacht haben mag, statt zu beschreiben, was er getan hat, wird ziemlich sicher nicht verstanden: solche Vermutungen sind meist falsch.

Außerdem reicht es nicht, die Handlungen des Kritisierten zu beschreiben: er muß auch wissen, was sein Kritiker gegen diese Handlungen hat.
"Wenn du das und das tust, fühle ich mich so und so, weil das die und die Auswirkung auf mich hat."

Und man muß so lange mit dem kritisierten reden, bis man ein alternatives Handlungsmuster hat, von dem der Kritisierte glaubt, es umsetzen zu können.

 
Inhalt

3. Kritik als Projektion der eigenen Probleme auf den Kritisierten

Dies habe ich in drei grundsätzlichen Varianten erlebt oder erzählt bekommen. Gemeinsam ist allen drei Varianten, daß der Kritiker sich in Anwesenheit einer Person unwohl fühlt und sie daraufhin menschlich abwertet. Unterschiedlich sind die Gründe für das unwohl fühlen.

Eine Bekannte erzählte mir einmal, daß sie sich sehr gewundert hatte, warum eine ihr fremde Person ihr so unsympathisch war. Deshalb machte sie einen Option-Dialog und kam im Verlauf dieses Gesprächs darauf, daß diese Person sehr ihrer Tante ähnelte, mit der sie sich sehr schlecht verstanden hatte.
V26. Kersti: Option-Fragen
Während in diesem Beispiel das Problem mit dem Option-Dialog gelöst wurde, kommt es häufig vor, daß Menschen andere nur deshalb nicht mögen, weil diese sie durch harmlose Dinge wie Aussehen, Kleidung, Floskeln die sie gewohnheitsmäßig im Gespräch verwenden, Angewohnheiten die anderen nicht schaden an Menschen erinnern, die ihnen böses getan haben - oder auch nur in einer schlimmen Situation anwesend waren. Statt sich bewußtzumachen, daß der andere ihnen nur unangenehm ist, weil er schlechte Erinnerungen wachruft und das auch so zu erklären, machen viele Menschen dem, der sie an ihre Probleme erinnert oft Vorwürfe, die völlig unverständlich bleiben, wo man nur denken kann "Hä - und was soll jetzt das Problem daran sein? Was ich mache ist doch völlig harmlos?" - Wenn es um Verhaltensweisen geht, die man ändern kann, kann man noch darauf achten sie vor der betroffenen Person möglichst nicht zu zeigen. Wenn dem Kritisierenden aber buchstäblich "die Nase nicht gefällt" weil sie an die böse Stiefmutter2. erinnert, dann hat derjenige Person, die kritisiert wird, keine Chance.

Mit mir zu reden, scheint bei enorm vielen Menschen ihre Minderwertigkeitskomplexe bezüglich ihrer Intelligenz aufzurühren. Meiner Erfahrung nach, sind die Menschen, die so reagieren, selber nicht dumm, sondern durchschnittlich oder knapp überdurchschnittlich intelligent, aber nicht hochbegabt. Sie haben normalerweise ein Gymnasium besucht und dort eher besser als schlechter abgeschnitten als ich und erreichen danach durch Fleiß oft eine angesehene Stellung. Also nichts, wofür man vernünftigerweise Minderwertigkeitskomplexe entwickeln sollte, sondern ein Lebensweg auf den man zu recht stolz sein könnte. Nichtsdestotrotz habe ich von solchen Menschen, wenn sie Lehrer oder Dozenten waren, oft bösartige Angriffe und Mobbing erlebt. Herauszubekommen, was denn ihr Problem war, erforderte dedektivische Fähigkeiten .... und sich so zu verhalten, daß sie kein Problem mehr mit meiner Anwesenheit hätten, hätte mein Problem verschlimmert, denn mündliche Beteiligung zählt in der Schule zum Pflichtprogramm, und wenn ich mich beteilige, merkt man auch, daß ich etwas im Kopf habe. Siehe auch:
O3: Kersti: Ist in der Schule das Denken verboten?, OI3.
Nun ist es wirklich kein Verbrechen, intelligent zu sein, dennoch wird man dafür bestraft.

Genauso wie mir eine Person erzählte sie wäre außergewöhnlisch schön - und das wäre furchtbar, weil alle so gemein zu ihr sind weil sie neidisch sind. Mir kommt das plausibel vor: Schönheit im normalen Rahmen ist normalerweise hilfreich, aber wenn man außergewöhnlich schön ist, löst das Neid aus.

Ein Problem, das mir bei meiner Arbeit mit Menschen, die als Kinder schwer mißhandelt wurden öfter begegnet, ist, daß diese von Therapeuten erzählen, die sich offensichtlich durch das überfordert fühlen, was ihre Patienten ihnen mitteilen. Statt nun zu sagen "Du das was Du mir erzählst überfordert mich. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll." kommen dann allerlei merkwürdige Reaktionen.

  • Der Therapeut erklärt das Material, das sein Patient ins Bewußtsein bekommen hat für ein Fantasieprodukt und weigert sich, es therapeutisch zu bearbeiten. - Wenn es tatsächlich ein Fantasieprodukt wäre, ist anzunehmen, daß es ein reales Problem in symbolisch verkleideter Form darstellt und trotzdem therapeutisch bearbeitet werden müßte.
  • Der Therapeut sagt dem Patienten, er solle sich gefälligst nicht so benehmen, das würde den anderen in der Gruppentherapie Angst machen, obwohl der Patient einfach nur - wegen Erinnerungen an Mißhandlungs- und Mißbrauchserfahrungen aus der Kindheit - in dem Zustand war in dem man kommt, wenn man andere Menschen als lebensgefährliche Bedrohung wahrnimmt. Er hatte nichts getan, was einen der anderen bedroht hat. Es war ihm aber auch nicht erlaubt worden, von den anderen Menschen so viel Abstand zu halten, daß er sich wenigstens genug entspannen konnte um die Situation nicht mehr als lebensgefährlich wahrzunehmen. Solche Streßsymptome kann man nicht abstellen, wenn die Ursache für den Streß nicht aus dem Weg geräumt wird.
  • Der Patient erzählt dem Therapeuten Dinge, die ihn an eigene Probleme erinnern. Entsprechend reagiert der Therapeut etwas verquer. Als die Patientin ihn darauf aufmerksam macht, daß er so reagiert, als hätte er selber ein Problem, wird der Therapeut wütend und erzählt dem Patienten wie furchtbar krank er doch wäre und er solle doch einsehen, daß er krank ist. - Ein schwerer therapeutischer Fehler, mit dem man selbst gesunde Menschen krank machen kann, wenn man sie nur lange genug mit derartigen Forderungen traktiert.
VA145. Kersti: Überforderte Therapeuten und ihre Fehler

All diese Beispiele haben eines gemeinsam: derjenige der kritisiert, hat ein psychisches Problem, wie unaufgearbeitete Kindheitsprobleme oder Minderwertigkeitskomplexe. Statt nun das Problem bei sich zu lösen oder um Rücksichtnahme zu bitten, bestraft er andere dafür, daß ihre bloße Existenz ihn daran erinnert, daß er dieses Problem noch nicht aufgearbeitet hat.

Kersti

 
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Quellen

Dieser Artikel beruht im Wesentlichen auf eigenen Beobachtungen.
  • 1.
  • 2. Das Bild der "bösen Stiefmutter" dürfte daraus entstanden sein, daß eine Frau, die nicht genug zu essen für alle in der Familie vorhandenen Kinder hat - ein Problem das seit dem Mittelalter in Europa häufig war - normalerweise die eigenen Kinder vorzieht, wenn sie entscheiden muß, wer nicht genug bekommt. Ein Stiefkind war also in Notzeiten beinahe automatisch in Lebensgefahr.
VA1. Kersti: Sekteneigenschaften als Folge von Ausgrenzung
VA5. Kersti: Gefährliche Formen der Aufklärung
VA16. Kersti: Wissenschaft als Sekte
VA31. Kersti: Warum es unmöglich ist, bei vorurteilsgeladenen Themen auf Wörter zu verzichten, die als abwertend gelten
VA37. Kersti: Die Schuld immer auf den Schwächsten schieben - die beste Methode, um Probleme unlösbar zu machen
VA45. Kersti: Was ist an Heiligen so gefährlich, daß man sie unbedingt totschlagen muß? oder Wunder sind wie eine Vergewaltigung
VA50. Kersti: Denken verboten Schilder...
VA51. Kersti: Es gibt drei Typen von Vorgesetzten
VA53. Kersti: Sind Schläge oder nicht Schläge in der Erziehung wirklich so wichtig?
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VA99. Kersti: Wann man keine Familienaufstellung machen sollte
VA122. Kersti: Erkenntnistheorie: Was ist Wahrheit?
VA136. Kersti: Was ist eine Wissenschaft?
VA137. Kersti: Esoterik ist keine Wissenschaft
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VA163. Kersti: Die Wirkung indirekter Kritik
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, https://www.kersti.de/ ; Kersti_@gmx.de
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