11Kersti:

Immer noch sind deine Verfolger schneller. Silberschlangen sind gute Schwimmer, können sich im Dunklen besser zurechtfinden als du, und der Gang ist ihnen hoch genug. Du hast schon fast aufgegeben, als du eine enge Seitenhöhle unter Wasser ertastest und dich hineinziehst. Weiter hinten verbreitert sie sich einem Höhlenraum mit einem schmalen, trockenen Sandstrand und Luft zum Atmen. Du steigst ans Ufer und schläfst, zu Tode erschöpft, ein. Die Nacht ist voller Alpträume. Du spürst ein Messer an deiner Kehle.
"Ich habe dich gewarnt, Junge", sagte Sturmwind vorwurfsvoll, "Jetzt kann ich dir nicht mehr helfen."

Voller Entsetzen wachst du auf, öffnest die Augen. Alles ist still. Die Silberschlangenreiter haben die Suche wohl längst aufgegeben oder suchen ganz woanders. Du frühstückst und rollst deine Sachen, die in der Nacht durch deine Körperwärme getrocknet sind fest in deinen warmen Mantel. Du hoffst, daß sie so einigermaßen trocken bleiben. Dann tauchst du hinaus in den unterirdischen Fluß, wo die Höhle immer noch zu niedrig zum Stehen ist. Lange wirst du den Flußlauf hinuntergetrieben, bis es dir schließlich an einer flachen Stelle mit ruhigem Wasser gelingt, wieder auf die Beine zu kommen. Du reibst deine blauen Flecken am ganzen Körper, betastest deine zerschundenen Finger und ziehst deine feuchten Sachen an. Dann kippst du das Wasser aus deiner Öllampe, füllst Öl nach, drückst den Docht aus, bis er trocken ist und nach mehreren mißlungenen Versuchen gelingt es dir, das Licht wieder anzuzünden. Du ißt zu Mittag. Lange wanderst du am unterirdischen Fluß entlang, Brot und Öl gehen dir aus, so daß du dich wieder durch die Dunkelheit tasten mußt. Allmählich vergißt du, wie es ist, satt zu sein oder zu sehen, denkst nicht nach, sondern wanderst weiter, immer weiter am Fluß entlang. Nach langer Zeit bemerkst du, daß die Welt um dich herum merkwürdig grau wird, schemenhaft erkennst du Schatten. Es dauert, bis dir klar wird, daß es sich dabei um Tageslicht handelt, das aus dem Strudel vor dir im Flußlauf kommt und das Wasser rot schimmern läßt. Da du keine bessere Möglichkeit hast, nimmst du deinen Mut zusammen und springst hinein. Das Wasser trägt dich durch ein langes Felsenrohr. Dir wird schwarz vor Augen.

Als du wieder zu dir kommst, liegst du an einem kleinen See, in dessen Mitte ein natürlicher Springquell sprudelt. Eine graugekleidete Frau kniet neben dir.
"Wo bin ich?" fragst du laut und überlegst, ob du träumst.
"Weißt du das nicht, fremder Mann?" fragt die Frau.
Als du verneinst, erklärt sie:
"Hier ist die Quelle der Heilung, wo nur Frauen sich aufhalten dürfen, das älteste Heiligtum der Mütter der Heilung, die allen Kranken Hilfe und Heilung anbieten."

Du bist den Silberschlangenreitern entkommen.

Weiter in Kersti / Buch 3 ("Die Heilerpriesterinnen im Zauberschloß") unter Nr. 11


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