"Dann geh vor mir her zurück in die Bruthöhle." sagt sie. Es ist die Frau, die
dich wortlos von oben bis unten gemustert hat und dann wieder wegging.
"Tut mir leid," entschuldigt sie sich, "Ich muß dich nun anketten, bis die
Jungtiere geschlüpft sind."
Die Frau kettet dich an einen im Boden eingelassenen Ring fest. Dir bleibt
nichts übrig, als dort auf das Schlüpfen zu warten.
Bald fangen die ersten Eier an, sich zu bewegen. Die Jungen zeigen aufgeregt
auf eines, dessen ledrige Hülle schon ein Loch hat, laufen dorthin. Auch du
schaust zu, wie das kleine Tier sich aus der Schale befreit. Plötzlich spürst du
etwas kaltes, das dich von hinten berührt. Entsetzt willst du herumfahren, doch
gerade noch rechtzeitig fällt dir ein, daß du dich langsam bewegen mußt. Die
junge Silberschlange wirkt so hilflos, so kindlich und so vertrauensvoll, als sie
dich vorsichtig mit ihrem Maul anstupst, einfach süß. Sanft streichelst und
fütterst du sie, bis sie satt ist und sich zufrieden an deinen warmen Körper
kuschelt. Dann nimmst du das kleine Tier auf den Arm und trägst es hinter den
anderen Jungen her in einen Raum, wo ein Tisch für euch Menschen gedeckt ist.
Erst als sie schläft, kommt dir in den Sinn, daß es absurd klingt, eine Schlange
als niedlich zu bezeichnen.
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/ E-Mail an Kersti
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