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erste Version: 4/2018
letzte Bearbeitung: 4/2018

Spirituelle Texte von Jasmin Marchler

D3.

Das schwarze Schloss

Ich stehe in einem Labyrinth. Das meiste von ihm liegt in der Dunkelheit. Nur eine kleine Fläche ist mit weißem Licht durchflutet. Durch das ganze Labyrinth ziehen sich klebrige Spinnenfäden, die wie silbernes Mondlicht glitzern. Bei mir trage ich einen kleinen goldenen Dolch. Er symbolisiert meinen gesunden Menschenverstand. Mich umhüllt ein dunkler Mantel. Ich konzentriere mich kurz. Es bildet sich eine Schutzsphäre, die kurz aufglimmt und dann durchsichtig wird. Ich schaue mich um. Ich weiß nicht, in welche Richtung ich gehen soll, um mein Rätsel zu lösen.
Ein kleiner weißer Vogel bildet sich aus meinem Herzen.
Er zwitschert mir freundlich zu und fordert mich auf, ihm zu folgen.
Dann fliegt er nach Westen.
Umsichtig gehe ich ihm hinterher.
In der Ferne taucht ein schwarzes Schloss auf. Mein großer Schutzgeist gesellt sich zu mir. Ich erkenne ihn an seiner typischen Form aus weißen Licht. Eine leuchtende menschenähnliche Silhouette.
Wir werden dieses Rätsel gemeinsam lösen. Er nickt mir ermutigend zu. Ich nicke zurück. Vor uns liegt eine karge Landschaft voller spitzer grauer Felsen. Über uns spannen sich eine Vielzahl Spinnenfäden. Sie scheinen alle in dem schwarzen Schloss zusammenzulaufen. Hinter mir erscheint eine Armee. Das sind meine Süßen, meine treuen Freunde und Begleiter.
Ein Dämonengeneral tritt auf mich zu. Er nickt mir freundlich zu. Er wird das Kommando über die Armee haben. Seine weit geschwungenen Hörner schimmern wie polierter Obsidian im fahlen Licht dieser sonnenlosen Ebene und sein Helm sowie seine schwere Rüstung glitzern silbern. Das Licht bricht sich mehrfach in den blank polierten Platten. Er führt einen schweren bronzefarbenen Kriegshammer und ein Kurzschwert mit sich. Naja, für einen Dämon von fast drei Metern Größe ist es ein Kurzschwert. Für alle anderen wohl eher ein Bihänder. Meine Armee bezieht Stellung. Ich gebe den ersten Teil unserer Mission bekannt: Zu dem schwarzen Schloss gelangen. Das hört sich mit Sicherheit einfacher an, als es später sein wird. Ich rechne mit heftigen Widerständen. Aber noch ist davon in der Kargheit der Landschaft nichts zu erahnen. Die Ebene scheint leer zu sein.
Mein Schutzgeist steigt in die Höhe er dringt ohne Probleme durch die Spinnenfäden. Die Koordination und das Rufen von Unterstützung obliegt seiner Verantwortung, sollte ich den Überblick verlieren. Er hat seine Kompetenzen und seine Zuverlässigkeit schon oft unter Beweis gestellt und genießt mein Vertrauen voll und ganz. Es kann losgehen. Meine Armee steht in den Startlöchern und ich habe mein Ziel fest im Blick. Ich konzentriere mich.
Dann befinde ich mich plötzlich allein in einem dunklen Raum. Ein Simulator. So ein Mist. Damit war zu rechnen. Oftmals weiß ich nicht, wieso genau ich in feindlichen Servern lande. Nur, dass sie mich mit Hilfe meiner gefangenen Anteile rufen können. Stell dir vor, jemand hat ein Haar von dir und kann dadurch bewirken, dass dein ganzer Kopf auf einmal in einer Schlinge feststeckt, aus der du solange nicht herauskommst, bis du dein Haar gefunden hast. Da mir das schon des öfteren passiert ist, verfüge ich mittlerweile über ein reichhaltiges Repertoire, um mich aus solchen Situationen zu befreien oder zumindest Hilfe rufen zu können. Das mache ich jetzt. Obgleich etwas in mir hier wider besseren Wissens ernsthaft verweilen will.
Ich gebe meinen Süßen telepathisch Bescheid, wo ich mich befinde. Die Simulation reißt auf und ich befinde mich wieder in der Einöde. Ein Teil meiner Leute schaut mich besorgt an. Zwar gibt es noch keine Schlacht, aber der Kampf in mir tobt bereits und er wird nicht nur von mir geführt. Da ist etwas Fremdes, das unbedingt die Kontrolle behalten will. „Ein Virus...“ murmle ich. „Da manipuliert jemand mein Akashasystem. Mein Körper schwankt bedächtig. Eine meiner Süßen streckt freundlicher Weise die Hand aus und stützt mich sanft. Sie hat kleine Hörnchen wie ein Zicklein, um die goldene Ringe gelegt sind und lange braune Haare. Ihr purpurfarbenes Gewand schmiegt sich eng an ihren schlanken Körper. „Gehört das so?“ Ich deute auf die goldenen Ringe um die Hörner. Sie stutzt etwas. Dann schüttelt sie den Kopf. Ich weiß, das ist jetzt weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, aber die Verletzungen meiner Süßen lenken mich etwas ab...Nachdem ich kurzerhand mit ein paar Handgriffen ihre Ringe entfernt habe, was zu einem Spontanwachstum der Hörner führt, nicke meinem Schutzgeist zu. Er soll herausfinden, was da läuft und warum ich die Tendenz habe, in Simulatoren zu versauern, ohne dem Schloss überhaupt näher gekommen zu sein. Aber das ist meistens so. Es passiert so lange nichts, bis du versuchst, etwas an einer für dich unhaltbar gewordenen Situation zu ändern. Erst dann werden die Widerstände sichtbar, die dich in der situation die ganze Zeit gehalten haben.
Irgendwie fühle ich mich wie zersplittert. Ein Teil von mir ist immer noch auf der Ebene und mehrere Teile von mir stecken in unterschiedlichen Simulatoren fest. Eine nervige Stimme meint die ganze Zeit, das sei aber wichtig. Mich regt das auf. „Warum hast du zu entscheiden, dass das wichtig ist?“ schnaube ich empört. „Weil ich dein höheres Selbst bin.“
Lügner.
„Ach, das ist ja interessant. Und wer hat dich zu meinem höheren Selbst ernannt?“
„Es zeigt die Silhouetten von einer Gruppe von Personen.“ Ich kann keine Einzelheiten erkennen. „Ist dir eigentlich klar, dass das so nicht richtig läuft? Du hast gar nichts bei mir zu bestimmen. Die haben dich reingelegt.“ Jemand tritt an die Konsole des Servers, der den Simulator steuert. Ich erkenne an dem Umriss seiner schattenhaften Gestalt, dass er zu den Idioten gehört, denen ich meinen Aufenthalt hier zu verdanken habe.
„Mit dem Server zu reden, ist nicht gestattet.“ Dann drückt er eine Taste und eine ohrenbetäubende Druckwelle schmettert mich nieder. Mühsam rapple ich mich wieder auf. „Ach ja? Und wer hat dich zum großen Bestimmer erklärt?“Ich knirsche mit den Zähnen und halte mir meinen rechten Arm. An der Stelle meines Ellenbogens färbt sich mein Gewand rot. Wenn ich die Mimik des Schattens deuten müsste, würde ich sagen, dass sie Arroganz und Herablassung in ihrer formvollendeten Variante verkörpert. „Wir sind die Herrscher des Universums. Wir dürfen machen, was wir wollen.“ „Ok. Und ihr wollt mich hier einsperren?“ „Ganz richtig.“ Mann muss ich eine Bedrohung sein...
Ein gehässiges Grinsen huscht über seine Lippen. Dann drückt er einen weiteren Knopf und ein schriller Ton erklingt, der mir beinahe das Trommelfell zerreißt. Das laute Klingeln in den Ohren macht es schwer, dem Monolog zu folgen, den dieses Wesen über seine Überlegenheit und die Gründe meiner Einquartierung hier hält. Ursprünglich war es meine Taktik gewesen, ihn oder den Server zum Reden zu bringen, um mehr über die Gründe und somit über die Struktur meiner Servergefangenschaft herauszufinden und mir den weiteren Weg zu erleichtern. Kennst du die Gründe, findest du meistens die dazu passenden Resonanzen und kannst sie auflösen. Doch die Taktik scheint nicht aufzugehen und die Angriffe stören meine Konzentration. Geistig gebe ich meinem Schutzgeist meinen Standort preis. Auch hier taucht wieder dieser seltsam unnatürliche Widerwille auf. Doch der wird ignoriert. Ich muss keine Sekunde warten:
Erneut reißen die Wände der Simulation ein und der eben noch hämische Gesichtsausdruck des Schattens wandelt sich in blankes Entsetzen. Wenige Augenblicke später ist nichts mehr von ihm und dem Server zu sehen. Mein Bewusstsein ist auf die Ebene mit dem schwarzen Schloss zurückgekehrt. Insgeheim frage ich mich, was meine Süßen wohl mit dem Schatten anstellen werden. Dabei bin ich natürlich ganz und gar nicht schadenfroh. Im Idealfall wird es schmerzhaft, lehrreich und heilsam sein. Das Schloss steht unverändert da. Wir haben uns noch keinen Milimeter bewegt. Naja gut, bis auf die Späher, die das Gebiet erkunden und die lageberichte an meinen Schutzgeist weiterleiten...
Meine Süßen meinen, dass es Zeitverschwendung ist, in den Simulationen eine Lösung zu suchen. Ich nicke. Sie haben Recht. Der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Ich entschließe mich, komme was wolle, dieses verdammte Schloss zu erreichen, dass ich noch immer als Zentrum meines derzeitigen Problems ausmache. Irgendetwas in mir schreit laut auf und zerrt mich wieder in die Simulationen. Dieses Mal sind es mehrere gleichzeitig.
Ich benötige meine ganze Konzentration, um auf der Ebene zu bleiben. Mein Server wird fremdgesteuert. „Ruft bitte Virenscanner für meine Server. Das ist ein Virus.“ keuche ich. Meine Stimme ist nunmehr ein Flüstern. Ich wische mir etwas Schweiß von der Stirn. „ Da sind Spione an den Schalthebeln, die diese Kennung haben. Und dahinter stecken Agenten mit +dieser+ Kennung.“ stöhne ich.
Die Kennung genau für irdische Verhältnisse zu beschreiben, ist leider nicht möglich. Stell dir einfach eine bestimmte eigentümliche Farbkombination in dem komplexesten und facettenreichsten Familienwappen vor, das du dir vorstellen kannst und das jedes Mitglied immer bei sich trägt, damit es von anderen als Teil deiner Familie erkannt wird (die ähnlich wie ein Ameisenstaat Teil deines Bewusstseins ist). Das Bild scheint auf dem ersten Blick fast identisch mit deinem zu sein. Aber dein Kennerauge entlarvt es anhand dieses hässlichen winzigen roten Punktes als Fälschung. Wenn man den Unterschied kennt, kann man die Spione enttarnen und herauswerfen lassen. Aber das ist nicht immer so leicht und manchmal durchaus schmerzhaft.
Es zerreißt mich innerlich. Mir fehlen ganze Welten. Sie wurden durch Scheinwelten ersetzt, die diese Pseudeherren des Universums nach Belieben manipulieren können. Ich mühsam richte ich mich auf und schwanke ein Stückchen in Richtung Schloss. Und wenn ich in das verdammte Teil auf den Bauch kriechen werde, ich werde da heute noch rein kommen!
Einen Augenblick lang sammle ich meine Gedanken.
Wenn die Scheinwelten Einfluss auf mich haben, dann heißt das, dass da Anteile von mir gefangen sind. Aber nicht mehr lange. Leider kann ich gerade nicht wirklich stehen. Einer meiner Süßen fängt mich freundlicherweise auf. Er hat goldblondes Haar und nach hinten gebogene Hörner wie ein Steinbock. Sein Gewand ist weiß. Leider kann ich sein Gesicht nicht erkennen. Meine Sicht verschwimmt immer wieder und vermischt sich mit den Eindrücken aus den fremden Servern. Ich gebe telepathisch Anweisungen an meinen Schutzgeist. Er soll einen Komplettscan durchführen und mein gesamtes System durchleuchten.
Plötzlich spüre ich, wie sich eine Schlinge um meinen Hals legt. Im nächsten Augenblick zieht es mich ruckartig nach oben. Ich bin durch die Spinnenfäden am Hals, den Füßen und den Händen gefesselt. Meine Süßen blicken entsetzt in die Höhe. Auch sie scheinen sich zu fragen, wie das gerade passiert ist.
Ich konzentriere mich erneut und schmeiße alles in mir heraus, was diesen Zustand unterstützt. Dadurch bekomme ich die Fesseln gelöst.
Ich falle. Einer meiner Süßen, ein schlanker lila Dämon mit langen dunklen Haaren und geschwungenen Hörnern fängt mich auf.
„Danke“ krächze ich. Meine Stimme klingt zwar noch etwas rau aber schon etwas kräftiger als vorher. „Ok. Ich denke, die Hindernisse werden sich erst abschalten lassen, wenn wir das Schloss erreichen. Es bringt nichts, auf der Stelle zu verharren.“ Meine Süßen nicken eifrig. Das war wohl das, was sie vorhin meinten. „Dies wird kein leichtes Unterfangen, denn in mir ist ein Feind, der das ganze hinauszögern möchte, am besten bis zum Sanktnimmerleinstag.“
Interessant. Meine Stimme, die bis zu dem Halbsatz gut zu vernehmen war, wird mir mitten in der Rede abgeschnürt. Doch nicht mit mir. Genug gespielt. Wenn ihr spielen wollt, dann spielen wir jetzt. Und zwar richtig! Mir reicht es. Ich lasse mich doch nicht von irgendwelchen Idioten davon abhalten, ein Ziel zu erreichen, das mir gut tut.
Mir kommt eine Idee. Ein leuchtender Schimmer blitzt kurz in meinen Augen auf. Mein Wille ist eisern und meine Phantasie ist mein Schwert.
Ich erschaffe mir eine schwarze Rüstung. Sie dringt tief in meine Haut und mein Sein ein und soll mich vor diesen Puppenspielern schützen.
Ich programmiere sie und damit die Wirklichkeit, in der ich mich befinde. Sie kann von niemandem umgeschrieben werden.
Um sie umzuschreiben, muss man hundertprozentig ich sein.
Wenn jemand auf sie zugreift, färbt sie sich an den Stellen weiß. Das sollte meinen Süßen als Hinweis dienen, wo sich die Schwachstellen befinden.
Diese Rüstung kann nicht gehackt werden und sie hält mein Bewusstsein auf der Ebene, so dass ich mich dort frei bewegen kann.
Sie kann von niemanden außer mir selbst abgenommen werden. Alles, was nicht ich ist, filtert sie heraus.
Mit jedem Schritt, dem ich den Schloss näher komme, wird sie mächtiger.
Und sie hält meinen Blick offen und klar auf die Ebene gerichtet, so dass er nicht in die Scheinwelten abwandern kann. Da die Puppenspieler nun nicht mehr von innen auf mich zugreifen können, wechseln sie die Taktik.
Über uns erscheinen geflügelte Wesen, die uns daran hindern wollen, in das Schloss zu gelangen.
Doch das ist mir egal. Stur marschiere ich los. Ich ignoriere die Abgründe unter mir. Sie bestehen lediglich aus schlechten Erinnerungen. Da wo ich gehe, bildet sich ein Weg für mich und meine Meute. Mein Wille ist eisern und Phantasie ist mein Schwert.
Ich marschiere voran. Meine schwarze Rüstung glänzt im kalten Licht der Ebene. Das Heer folgt mir auf dem Fuße. Die „Engel“, Hüter dieser bestehenden verkorksten Ordnung, können uns nicht aufhalten. Und wenn es tausende wären. Hinter mir entbrennt eine bittere Schlacht. Wie von Geisterhand erhebt sich ein riesiger Erzengel aus der Schlucht, über die meine unsichtbare Brücke führt. Er lässt sein mächtiges Schwert auf uns herabsausen. Ich erschaffe einen riesigen Schild, der seinen Angriff abwehrt, während ich auf die hundertfache Größe wachse und stoße ihn schließlich beiseite. Obwohl ich dabei trotz meines Reaktionsvermögens gehörig einstecken muss, werde Ich mich von ihm nicht aufhalten lassen.
Glücklicherweise haben meine Süßen dabei kaum Schaden genommen, zumal der Angriff mir galt. Der Tumult um mich wird immer größer. Längst befinden wir uns auf einem Schlachtfeld, das die Anwesenheit meines Heeres mehr als rechtfertigt. Aus allen Richtungen strömen Feinde und Verbündete.
Der Erzengel ruft einen noch größeren Engel. Ich rufe ebenso große Gefährten. Ja, auch ich habe mächtige Verbündete. Da seine Gefährten beschäftigt sind und sich nicht mir widmen können, sticht der Erzengel mehrmals auf mich ein. Sein Licht verletzt mich. Er hat also eine Schwachstelle gefunden. Doch ich will mich durch einen Kampf nicht aufhalten lassen. Vermutlich würde ihn dann nur irgendein Idiot ersetzen.
Die Rüstung lassen die Attacken unbeschadet. Ich nutze die Gelegenheit, um sie mental den neuen Gegebenheiten anzupassen.
Sie programmiert sich um, und macht mich immun gegen die Angriffe. Es gibt Situationen, da ist cheaten erlaubt. Und das sollten immer Situationen sein, die zu deinem und zum höchsten Wohle aller sind! Und zu verhindern, dass irgendwelche Deppen dich aufgrund undurchsichtiger Beweggründe fertig machen, gehört für mich dazu.
Bei jedem Angriff, der nun folgt, programmiert sich meine Rüstung um, so dass ich immer unempfindlicher gegen die Angriffe werde. Die Rüstung ist all umfassend. Sie schützt mich auf allen Ebenen. Die Engel empören sich. „Das ist geschmummelt!“ brüllen sie. Dabei schummeln die ständig. Das ganze Szenario war von vornherein allein auf ihren Vorteil ausgerichtet. Kurze Zeit später stehe ich nun unmittelbar vor den grauen Steintreppen, die zum eisernen Haupttor der Burg führen. Die Gravitation meiner Rüstung hält mich da, wo ich sein will. Nicht nur deswegen, weil ein paar von den fliegenden Feinden auf die Idee zu kommen scheinen, sie könnten mich ja einfach wegtragen und dann irgendwo einsperren, wo ich schließlich verrotte. Vor mir erscheinen Engel in grünen Gewändern. Ich ignoriere sie. Größtenteils. Sie können sich ohnehin nicht bewegen. Entsetzt starren sie mich an. Ich weiß, dass sie dachten, sie könnten es. Aber sie sind nicht dazu in der Lage. Jetzt bin ich am Zug. Schade nur, dass solche Wesen meistens sehr lange brauchen, um zu erkennen, dass ihr eigenes Verhalten sie in solche Lagen hinein manövriert... Ich steige die Treppenstufen empor vorbei an den bewegungsunfähigen Engeln. Dann strecke ich die Hand aus, um das Tor zu öffnen. Jemand schlägt mir die Hand ab. Da habe ich wohl jemanden übersehen. Ich blicke in des schweißgebadete von goldenen Locken umrahmte Gesicht eines geflügelten Bewachers mit lederner Rüstung über einer roten Tunika. Er lächelt triumphierend. Ich bücke mich, hebe meine Hand auf und füge sie wieder an meinen Arm. Sie wächst wieder an. Ich grinse den Engel an. Der blickt mich empört und ein wenig verstört an. Dann berühre ich das Tor. Erstaunt stelle ich fest, dass es eine Illusion ist.
Bevor der Kerl mit dem Schwert oder einer seiner Kumpanen auf weitere dumme Ideen kommen kann, tauche durch sie hindurch. Ich weiß, dass die Engel mir hierher nicht folgen können.
Aber meine Süßen können es und mein Schutzgeist kann es auch. Etwas reißt auf. Auf einmal befinde ich mich auf einer weißen Ebene und jemand beschwert sich, dass ich ein Spielverderber bin.
Mein Vögelchen zwitschert mir, dass das eine Illusion ist. Schon wieder. Ich seufze. Und justiere nach.
Meine Rüstung wirkt auch bei solchen Illusionen und jeder Art, die noch kommt. Das verschafft mir erst einmal etwas Ruhe, um mich umzusehen. Ich befinde mich wieder in einer dunklen Halle. Meine Schritte hallen über den leeren blankpolierten Mamorboden. Ich gehe bis zu dem hinteren Ende der Halle. Vor mir erscheinen Türen, die sich jedoch als Fallen herausstellen. Und hinter mir ein Engel in goldener Rüstung.
Der Admin. Der Typ, der hier das sagen hat. Unbemerkt scanne ich ihn und verschaffe mir so die Zugangsdaten für das Schloss. Plötzlich ist mir auf einer tieferen inneren Ebene klar, wie es im Kern funktionert.
Ich schreibe das Programm des Schlosses um und verbiete allen, die mir schaden wollen, dieses Schloss zu betreten. Das Schloss nimmt die Funktionen meiner Rüstung an.
Der Engel blickt mich entsetzt an.
„Verschwinde!“
Meine Stimme dröhnt durch den Saal. Ich habe nicht im mindesten Lust auf eine Diskussion, bei der ich doch nur fadenscheinige Beweggründe erfahren werde. Meine Süßen, blicken mich erstaunt an. Sie wussten wohl nicht, dass ich das so einfach machen kann. Aber ich kann. Mein Wille ist eisern und meine Phantasie ist mein Schwert.
Dieses Schloss ist jetzt mein Refugium.
„Aber, aber d-d-das darfst du nicht...“ Der irritierte Engel ringt sichtlich um Fassung. Er spürt sehr wohl, dass ich die Spielregeln geändert habe.
„Ich kann und ich darf.“ „Verschwinde! Dieser Ort ist nicht länger dein.“
Der Engel weicht entsetzt zurück. In seinem Gesicht zeigt sich die nackte Angst. Ich habe ihm nichts mehr zu sagen und lasse das Schloss alle Befehle abspeichern, die er während seines Aufenthaltes hier ausgesprochen hat. Es erstellt fein säuberlich Kopien. Meine Süßen komplementieren derweil den Engel „höflich“ hinaus. Ich erschaffe ein Terminal und gebe ein paar weitere Befehle ein.
In dem Moment, in dem er die Schwelle betritt, lässt er alles fallen, was er mir geraubt hat. Er darf nichts von mir behalten. Alles wird ihm genommen und kehrt zu mir zurück. Das selbe gilt in diesem Augenblick auch für alle Engel und Server, für alle Manipulatoren und Widersacher. Sie dürfen nichts von mir behalten. Das Schloss wandelt sich zu einem gigantischen Magneten, der alles von mir anzieht und alles fremde abstößt. Natürlich in erster Linie sinnbildlich und nicht buchstäblich. Äußerlich behält es die Form eines Schlosses bei. Auch, wenn es sein schwarzes Gewand abstreift und sich in ein regenbogenfarbiges hüllt. So wie eine Frau, die lange getrauert hat und deren Trauerzeit nun vorüber ist.
Es weiß genau, was im Sinne der höchsten bedingungslosen Liebe dazu gehört und was nicht.
Eine Welle der Erleichterung durchflutet meinen Geist, meinen Körper und meine Seele. Ich grinse zufrieden.
Meine Süßen blicken mich fassungslos an. Immer mehr von ihnen tauchen hier auf. Ich meine nur „die Feder ist mächtiger als das Schwert!“ Eine Woge des Gelächters geht durch mein Heer. Hier und da werden Verletzte geheilt. Die Stimmung ist jedoch ausgelassen. Ich widme mich erneut dem Terminal.
„So, und jetzt verrate mir, wie es zu diesen ganzen Situationen kommen konnte und welche Lösungen es dafür gibt.“ Mit „der Situation“ meine ich eigentlich eine Reihe von Begebenheiten, die bis in mein menschliches Ich gereicht und mich dort und auch auf den höheren Ebenen geplagt haben, ohne dass ich bisher eine Lösung für sie finden konnte. Zu ihnen zählt unter anderem der Umstand, dass ich in emtional aufgeladenen Situationen ständig widersprüchliche Informationen erhalte und zu keiner klaren Einsicht gelange. Etwas, was zu anderen Gelegenheiten durchaus klappt und daher nicht an meinen Fähigkeiten liegen kann.
Ich gebe eine Vielzahl von Situationen in den Terminal des Schlosses ein, die mich belastet haben, so auch die eine, weswegen ich das ganze auf mich genommen habe. In diesem Moment wird das Gebäude zu einem riesigen Magneten für die richtigen Antworten und die richtigen Fragen, die wiederum zu den richtigen Antworten führen. Mein Schutzgeist taucht hinter mir auf. Scheinbar ist die Schlacht beendet. Er nickt. Bis gerade eben hatte er die ganze Zeit meine Befehle koordiniert und mich von oben unterstützt. Er macht sich eifrig Notizen.
Ich spiele die Situationen meines irdischen Ichs mit ihren Schwangerschaftsthemen ein. Es ist nur eines von vielen Themen, wo sie manipuliert wurde. Jedes Thema wird gefunden und geheilt. Das Schloss zieht die richtigen Lösungen an für alle Themen und die passenden Heiler und Kurse. Die Kopien wandern in meine Datenbanken und in alle von meinen Süßen. Ich lächle zufrieden. Die Rüstung kann ich nun ablegen. Mein Mantel darunter ist weiß geworden. Das nehme ich kurz zu Kenntnis. Dann erkläre ich meinem menschlichen Ich, was da die ganze Zeit bei ihr schief gelaufen ist.
Leni, mein Schutzgeist hatte Recht, sobald ich mich drüben mit dem Thema Schwangerschaft auseinander gesetzt habe, bin ich in dieser abstrusen Welt gelandet. Sobald es irdisch eine Gelegenheit gab, schwanger zu werden, ist ein Großteil meines Bewusstseins auf diese Ebene gerutscht, wo man ihm praktisch alles vorgaukeln konnte. Wenn mir jemand helfen wollte oder mir ein ehrliches Feedback geben wollte, landete er ebenfalls auf dieser Ebene, da sie mit den zentralen Knotenpunkten meines Bewusstseins vernetzt war und ich nicht zuletzt dorthin gezeigt habe, ohne es zu wissen. Ich gebe die Heilungsanfrage für diese Umstände ein. Es erscheinen augenblicklich Heiler.
Leni blickt mich verblüfft an. Wir reden später darüber. Die Heilungen werden so tiefgreifend sein, dass dieses Problem und alle noch so entfernt mit ihm verwandten augenblicklich geheilt werden und alle meine Anteile, die ich dafür brauche augenblicklich geheilt zu mir zurückkehren.
Jetzt blicken mich die Heiler verblüfft an.
Einer meiner Süßen meint, ihn wundert bei mir so langsam gar nichts mehr. Ich grinse schief. Das ist typisch. Aber, wenn es funktioniert?
Ich lasse den Gedanken los, dass ich diesen Zustand nicht ewig aufrecht erhalten kann. Auch dafür erscheinen genau die richtigen Heiler.
Irgendwo in einer bestimmten Realität ist dieses Schloss mein angestammtes Refugium.
Und diese Realität tritt jetzt ein. Das Schloss wird zu einem unverwundbaren Teil von mir. Auch die richtigen Heiler für diesen Umstand erscheinen sofort und mit ihnen alle relevanten Kurse.
Jeder von uns hat einen unverwundbaren Kern. Dieses Schloss ist nun ein weiteres Sinnbild dafür.
Ein Stimmchen meint, ich müsse es auflösen. Aber das stimmt nicht. Der Naturzustand ist keine pervertierte Form und es gehört nicht den anderen. Ich lasse alles diesbezüglich los.
Auch hierfür erscheinen genau die richtigen Heiler, die mich voll und ganz unterstützen.
Das Schloss wird zu einem unverwundbaren Teil von mir.
Weil letztlich alles sich in meinem Innern abspielt und ein Teil von mir ist. Ich höre auf, den anderen zu gestatten, mich zu manipulieren.
Das Schloss wird Ausdruck vollkommener Heilung.
Dem Inbegriff des Heilseins.
Und ich ebenso.
Es heilt alle fehlgeleiteten Resonanzen in mir und auch in meinen Süßen, so sie sich das wünschen.
Ich werde zu dem Ausdruck vollkommener Heilung.
Zum Inbegriff des Heilseins.
Ein erleichterter Seufzer dringt durch meine Kehle als hätte man mir einer schwere Last genommen.
Eine Stimme tief in mir lobt mich. „Gut gemacht.“
Mein irdisches Ich will in Bezug auf die Schwangerschaftsthematik wissen, ob es denn keine einzige befruchtete Eizelle gab. Ich wasche sie und all ihre Leitungen von Fehlinformationen, Fremdanteilen und Störern rein. Auch hier tauchen genau die richtigen Heiler auf. „Doch die gab es. Ein zwei Mal gab es irdisch eine befruchtete Eizelle.“
„Aber es war keine Seele da, die sie am Leben erhielt?“ fragt mein irdischer Anteil. „Das ist korrekt.“ „Deswegen gab es keine Einnistung?“
Ich nicke.
„Das ist weird...Es hat sich so real angefühlt...“ Sie deutet auf einen Sachverhalt. Der ist wichtig. Ich gebe ihn zur Heilung in den Terminal des Schlosses ein. Und auch alles, was meinen irdischen Anteil von dieser Quelle der Heilung und des Wissens entfernen könnte.
Ich meine wirklich alle meine Anteile. Wieder tauchen exakt die richtigen Heiler in genau der richtigen Anzahl für jeden Aspekt der Heilung auf.
Leni freut sich gerade außerordentlich. Er meint, ohne diesen Menschen wäre ich gar nicht so weit gekommen.
Da hat er Recht. Danke.
„Ich danke dir.“ Mein irdisches Ich lächelt.
Es nennt mir eine Vielzahl Sachverhalte, in denen es Heilungen und Lösungen haben möchte. Ich gebe sie alle in den Terminal. Und für jeden einzelnen Sachverhalt erscheinen genau die richtigen Heiler und Kurse.
Die Stimme tief in mir ist ganz aus dem Häuschen. „Gut gemacht.“
Ich bin ihr gegenüber misstrauisch. Aber ich glaube, sie verkörpert das Göttliche in mir. Alles, was hier geheilt werden soll, wird im Sinne der höchsten bedingungslosen Liebe geheilt.
Die Stimme jubelt. „Sehr gut gemacht! Du bist ein Goldstück.“ Sie deutet auf alles an und in mir. Ein warmer Hauch ihrer Liebe durchströmt mich.
„Du hast erlebt, was wahre Macht ist und es förderlich eingesetzt. Wunderbar!“ Mein irdisches Ich bittet um Heilung für den empfundenen Sarkasmus und die Wunden in der Beziehung zu der Quelle dieser Stimme.
Das ist eine gute Idee. Ich gebe alle in den Terminal ein, auch alle Bedenken und Zweifel für alle Fallstricke und Hindernisse.
Mein irdisches Ich will eine Beziehung zu der Quelle dieser Stimme herstellen. Hey, das will ich auch! Ich schmunzle. Alles in mir möchte das.
Es erscheinen auch hier wieder exakt die richtigen Heiler in der richtigen Anzahl mit den richtigen Lösungen und den richtigen Fragen für die richtigen Antworten. Alles ist Sinnbild vollkommener Heilung. Die Stimme will mit meinem Menschen sprechen. Sie nickt eifrig.
„Mach dir keine Sorgen. Es ist für alles gesorgt. Du bist nicht allein und musst nicht mehr kämpfen. Alles fügt sich zu deinem höchsten Wohle. Ich bin immer bei dir und du kannst mich immer rufen. Du weißt ja jetzt, wie meine Stimme klingt.“
Mein irdisches Ich bittet für eine Vielzahl von Heilungen in Bezug auf die Beziehung zu diesem Kern. Zweifel und Irrtümer sollen hinfort gespült werden. Ich gebe alles ein.
Für jede noch so kleine Kleinigkeit taucht der richtige Heiler auf. „Es ist für alles gesorgt“ flüstere ich ihr sanft zu.
„Danke. Denke auch an die anderen.“ Jeder darf an den Terminal und sich die Heilung ordern, die er wünscht.
Die Quelle der Stimme ist sehr stolz auf uns.
„Ihr seid (beide) wahre Magier. Ihr habt bewiesen, dass ihr mit meiner Macht gut umgehen könnt.“
Mein irdisches Ich bittet um die Auflösung der Trennungsstrukturen.
Gute Idee.
Auch dieser Wunsch wird uns erfüllt. Die Quelle dieser Stimme scheint wirklich wirklich sehr stolz auf uns zu sein. Sie nickt.
Auch Leni will sich mit ihr verbinden und auch alle meine Süßen.
Ich gebe die Heilung für alle Zweifel und Eifersuchtsthemen diesbezüglich in Auftrag meine Süßen tun es mir gleich. Etwas reißt auf, jemand taucht auf und verschwindet wieder. Alles Flashbacks.
Hier wird uns nicht mehr geschehen.
Ich gebe Heilungsanfragen für alle anderen Anteile ein und für alles, was mich daran hindert, ihnen diese Heilung zu gönnen. Mein irdisches Ich gibt Anregungen dazu. Dies ist ein Moment vollkommener Heilung. Er breitet sich aus und erreicht jeden, der mit ihm verbunden sein will.
Alles in mir will mit ihm verbunden sein. Ich lächle.
Das Spiel ist aus.
Und geht trotzdem weiter.
Ich bin vollkommen heil und doch mitten in der Welt.
Es geschieht alles genau so, wie es Ausdruck vollkommener bedingungsloser Liebe und Heilung ist.
Ich kann jederzeit zu diesen Moment an diesen Ort zurückkehren.
Denn eigentlich habe ich ihn nie verlassen.
Wann immer ich Heilung, eine Lösung oder Unterstützung brauche, kann ich mit Leichtigkeit hierhin gelangen und bekomme alles nötige, was ich brauche.
Dieser Text ist magisch.
Wann immer jemand ihn liest, sucht er diesen Moment vollkommener Heilung auf, so er dies wünscht und bekommt dort alles, was er zum Heilsein benötigt.
Ich lade dich ein, ihn immer wieder zu lesen, wenn dir danach ist.
Ich liebe dich!

Ein Text von Jasmin Marchler, supermeep@freenet.de
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