5/04

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Das erste Gehirnschiff

F46.

Flug

Zum ersten mal setze ich mit einem Gedankenimpuls die Schiffstriebwerke in Gang und löse mich von der Station. Während ich langsam Fahrt aufnehme und andere Schiffe vorbeifliegen sehe, beginne ich mich plötzlich als Schiff zu fühlen und empfinde die Innenräume als meinen Bauch.

Das Fliegen selbst fühlt sich an, als würde man tauchen - man kann sich in jede Bichtung bewegen und die Bewegungsmelder melden jede Lageänderung und ob man sich um die eigene Achse dreht. Sie sind den drei wassergefüllten Bogengängen des menschlichen Gleichgewichtssystems im Innenohr nachempfunden und so mit dem Nervensystem verbunden, daß man es automatisch richtig einordnet.

Ich sehe nach meinem Piloten, was ich empfinde, als würde ich unter meinen Pullover schauen und da ein Kind ansehen, was ich am Körper trage. Ein lustiges Gefühl.

Ich frage, ob er sehen will, was außen abläuft und lege, als er zustimmt, die Außenansichten auf sämtliche Wände, Decke und Fußboden der Pilotenkanzel, so daß er Rundumsicht hat. Er verzieht das Gesicht als ob ihm schlecht geworden wäre.
"Aber unter meinen Füßen will ich schon festen Boden haben!" fordert er, woraufhin ich dort einen schwarzen Kreis male und frage ob er gerne Verzierungen hätte.
Er lachte. Dann entspannte er sich wieder und wir unterhielten uns während des Weiterflugs über alles Mögliche.

Nach dem Wechsel in den Hyperraum waren wir alleine - aber die Umgebung wurde auch viel interessanter und vielgestaltiger und bot dadurch viel mehr Gesprächsstoff als ein Nachthimmel mit vielen Sternen.

Überhaupt fühlte ich mich beim Fliegen viel lebendiger.

Nachdem wir schon zwei Wochen unterwegs waren, fragte er nach, warum wir denn immer noch im Hyperraum wären - seines Wissens dürfte man nicht länger als anderthalb Wochen im Hyperraum fliegen.
"Ich habe den Berechnungsalgorythus verbessert. Deshalb können wir problemlos drei Wochen am Stück fliegen." erklärte ich.
"Aber was ist, wenn du einen Fehler gemacht hast?"
"Ich habe keinen Fehler gemacht. Der ursprüngliche Algorythmus stammte auch von mir und die Änderungen sind wirklich nur minimal. Da kann wirklich nichts schiefgehen." erklärte ich.
Leider konnte ich ihn davon nicht überzeugen. Die ganze restliche Woche machte er sich Sorgen, daß ich mich verrechnet haben könnte oder daß sich sonst ein Fehler eingeschlichen haben könnte - und es beruhigte ihn nicht im Geringsten, als ich ihm erklärte, was genau ich verändert hatte und warum die Berechnung dadurch so viel genauer wurde, daß ich auch ein ganzes Jahr durch den Hyperraum fliegen konnte, ohne mich zu verirren. Es nützte nichts, daß ich ihm erklärte, daß ich Computer und Sternenkarten hatte, die genau genug waren, um an jedem Punkt der Milchstraße meine genaue Position zu bestimmen. Das einzige, was seine Ängste beschwichtigte, war, daß ich ihn so gut wie möglich ablenkte, indem ich ihm alles zeigte, was im Hyperraum irgendwie schön oder interessant war. Ich bereuhte es bald, daß ich ihm vorher nichts davon gesagt hatte, solche Angst hatte er, im Hyperraum verschollen zu gehen.

Erst als wir im Zielsonnensystem wieder in den Normalraum eintraten und ich ihm zeigen konnte, daß die Berechnung wirklich so genau war, wie ich ihm vorher gesagt hatte, beruhigte er sich wieder.

Ich war sehr erleichtert, daß er trotz der Ängste die er deswegen ausgestanden hatte, sagte, daß er weiterhin mein Pilot sein wollte. Er erklärte sich sogar damit einverstanden, daß ich weiterhin so lange Strecken durch den Hyperraum fliegen durfte.

Kersti

Quelle: Erinnerungen an eigene frühere Leben


FA47. Kersti: Fortsetzung: Kampf um den Piloten
FA45. Kersti: Voriges: Abschiede
FI1. Kersti: Inhalt: Das erste Gehirnschiff
V4. Kersti: Merkwürdige Erfahrungen
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
Sonstiges
Kersti: Hauptseite
Kersti: Suche und Links
Kersti: Über Philosophie und Autorin dieser Seite

Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de