10/06
Also machte ich mich daran, mit toternstem Gesicht, akrobatischen Einlagen und lauter kleinen harmlosen Fallen alles durcheinanderzubringen. Ich wollte schließlich nicht, daß einer von ihnen wegen eine Unfall ins Krankenhaus kam. Es dauerte kaum eine halbe Stunde, bis ich der einzige war, der noch zur rechten Zeit die vom Buch vorgeschriebenen Zeilen zu den richtigen Leuten sagte. Alle anderen konnten nicht mehr vor Lachen. Vor allem, weil es doch eigentlich ein SO trauriges Stück war. Nachdem wir uns so den ganzen Nachmittag gut gemeinsam amusiert hatten, schickte der Herr mich aufs Zimmer und sagte, daß er nachher noch mal mit mir reden wolle.
Spät abends führte der Herr mit mir ein sehr ernstes Gespräch über Geld und Essen und Haus abbezahlen und daß deshalb eine gute Vorstellung wichtig sei. Ich muß ehrlich sagen, daß ich kein Wort verstand, denn das einzige, was ich bisher über Geld wußte, war, daß Herren viel Geld für Sklaven wie mich bezahlen (was immer bezahlen heißt) und deshalb ganz böse sein dürfen. Warum ein Herr plötzlich was ganz anderes über Geld erzählte, war mir nicht so ganz klar. Auch warum er meinte, daß ich nicht ganz so viel Spaß machen sollte, begriff ich nicht wirklich. Es hatte doch allen gefallen, oder? Im Laufe des nächsten Vormittags erzählten mir die anderen Sklaven dieselbe Geldgeschichte, und deshalb nahm ich an, daß es aus irgendeinem rätselhaften Grund wohl doch wichtig war, daß ich nicht ganz so viel Spaß machte. Schade. Als sie dann beim Mittagessen plötzlich darüber redeten daß es irgendwie für das Geld doch gut wäre, Spaß zu machen, war ich völlig verwirrt.
Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben
Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5,
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