12/09

Reinkarnationserinnerung

F80.

Ich erwarte von dir, daß du Chehija liebst, als wäre sie deine kleine Schwester

Ich hatte meine Mutter oft gefragt, warum sie denn nicht noch ein Kind bekommt und sie hatte mir erklärt, daß sie nicht von den Männern Kinder kriegen wollte, die ihren geliebten Mann erschlagen hatten, damals als sie gefangengenommen und zur Sklavin gemacht worden war.

Für mich selber stellte sich die Situation anders dar - der Stamm war so lange ich mich erinnern konnte mein Stamm gewesen und obwohl ich als Sohn einer Sklavin selber als Sklave galt, wurde ich doch nicht anders behandelt als die Söhne des Scheichs und empfand mich selbst deshalb einfach als ein Mitglied des Stammes.

Als ich zehn Jahre alt wurde, war das ein starker Einschnitt in mein Leben, denn ich begann wie alle Jungen in meinem Alter, kämpfen zu lernen und mußte von da ab im Jungenzelt schlafen.

Wenige Wochen danach brachte die Frau des Scheichs ein kleines Mädchen zur Welt. Ich dachte nicht, daß das Einfluß auf mein Leben haben würde, doch als die Wochenbettzeit vorbei war, nahm sie mich zur Seite und fragte mich, ob ich gerne ein kleines Schwesterchen haben würde. Natürlich antwortete ich mit Ja.

Da nahm sie mich mit in ihr Zelt und gab mir ihre kleine Tochter in den Arm.
"Das ist meine geliebte Tochter Chehija - und ich erwarte von dir, daß du sie liebst, als wäre sie deine kleine Schwester." sagte sie zu mir.

Wie alle Jungen des Stammes mußte ich weiterhin kämpfen und reiten üben und in diese Zeit kümmerten sich andere um das kleine Mädchen. Aber ich verbrachte auch viele Stunden bei dem Kind, das mir anvertraut worden war, brachte es zur Mutter, wenn es Hunger hatte oder schleppte es zwischen den Zelten des Stammes herum. Als einer der Gleichaltrigen darüber eine abfällige Bemerkung machte, sagte einer der erwachsenen Krieger den anderen Jungen, daß das etwas besonderes sei, denn ich hätte schon als Zehnjähriger die Aufgabe eines Erwachsenen bekommen. Das brachte sie zum Schweigen und ich war stolz, für eine Erwachsenenaufgabe ausgewählt worden zu sein.

Nach etwa einem halben Jahr nahm mich Hali zur Seite. Er war der Leibwächter der Frau des Scheichs und hatte bisher in meinem Leben keine besondere Rolle gespielt. Ich wußte daß er ein Eunuch war und was das hieß, doch es war ein abstraktes Wissen, denn in meinem Stamm wurde so etwas nicht gemacht.
"Ich möchte dir etwas sagen und ich will, daß du verstehst, warum ich das tue und es dir merkst, denn wenn du das nicht weißt, dann kann es sein, daß es dich später, wenn du erwachsen bist einmal völlig aus der Bahn werfen wirst." sagte er, sah mich ernst an und wartete, bis ich nickte. Dann fuhr er fort: "Sie haben dir deine Hoden gelassen - und ich weiß nicht, ob das auf lange Sicht die richtige Entscheidung für dich sein wird, denn Kinder akzeptieren Entscheidungen von Erwachsenen ohne sie zu hinterfragen, während es Erwachsene viel schwerer ankommt, wenn sie sich damit abfinden müssen, daß ihnen andere so etwas angetan haben."
Ich fragte mich, wie er auf so einen abartigen Gedanken kommen konnte.
"Die meisten Stämme in der Umgebung kastrieren zumindest die Leibwächter der Frauen ihres Scheichs, viele sogar alle Sklavenjungen. Und wenn Chehija alt genug ist, um zu heiraten, wird dem Scheich und seiner Frau das Glück ihrer Tochter unendlich viel wichtiger sein als deines - und wenn ihr Ehemann verlangt, daß du kastriert wirst, um sie begleiten zu dürfen, dann werden sie das tun. Mach dich mit diesem Gedanken vertraut, damit du damit fertig wirst, wenn es so weit ist."
Ich schob diesen Gedanken zur Seite, denn ich wollte nicht darüber nachdenken.

Als ich elf war, wachte ich über die ersten Schritte von Chehija, in den folgenden Jahren über ihre Kinderspiele und ich ließ sie manchmal ein wenig auf meinem Pferd reiten.

Ich liebte sie tatsächlich, als wäre sie meine kleine Schwester.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


F86. Kersti: Fortsetzung: Sie tun das, weil sie eine Tochter haben, für die es wichtig ist, daß du sie ehrlich liebst
F8. Kersti: Voriges:
FI1. Kersti: Inhalt:
VA106. Kersti: Reinkarnation
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
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