12/09

Reinkarnationserinnerung

F85.

"Du weinst ja!"

Chehija hatte ihr Kind in der Nacht zur Welt gebracht und schlief morgens früh ein. Ich saß noch eine Weile an ihrem Bett und ließ meine Gedanken schweifen. Bei Sonnenaufgang öffnete der Hauptmann der Leibwache leise die Tür und bedeutete mir, daß ich herauskommen sollte. Ich stand auf und folgte ihm zu den Schlafräumen der Wache.

"Petia ist heute Morgen kastriert worden, damit er der Leibwächter der Prinzessin sein kann. Er braucht jetzt jemanden, der ihm beisteht."
Das traf mich, denn ich kannte den Jungen. Ich hatte ihn seit Monaten trainiert.
"Ich weiß." sagte der Hauptmann, drückte mir die Schulter und fuhr fort: "Geh zu dem Jungen hin, er braucht dich jetzt."
Ich nickte und ging.

Petia lag auf seiner Pritsche und weinte leise vor sich hin. Ich kniete mich neben ihn und strich ihm sanft übers Haar.
"Du brauchst mich nicht streicheln, ich bin kein Baby mehr." sagte er - ohne seine Tränen unterdrücken zu können.
"Ich weiß. Aber ich bin auch kastriert worden - und ich kann mich noch sehr gut erinnern, daß ich mich da wie ein kleines verletztes Kind gefühlt habe und nicht wie der erwachsene Mann, der ich war." sagte ich ihm.
"Aber der Arzt hat gesagt, du hast nicht geweint."
"Ich weiß nicht, warum das so ist, Petia, aber wenn man erwachsen wird, dann fällt es einem leichter, seine Tränen zu unterdrücken, wenn man das will. Aber man fühlt sich trotzdem genauso hundeelend." erklärte ich.

Er fragte mich nach meiner Vergangenheit und um ihn von den Schmerzen abzulenken, begann ich zu erzählen. Von meiner Freundin Schaha, von meiner Tochter Chedilla, davon wie sie mit Chehija gespielt hatte. Und es kam, wie es kommen mußte: während ich so erzählte, wurde mir all das so richtig bewußt, was ich die letzten Monate kunstvoll verdrängt hatte, um mit dem Alltag klarzukommen.
"Du weinst ja!" meinte Petia.
Ich rang mir ein Lächeln ab und sagte:
"Ja. Das kommt dabei heraus, wenn man über das ganze Elend nachdenkt. Mach dir darüber nicht zu viele Gedanken. Das ist mein Leben und ich komme damit schon irgendwie klar."

Einige Tage später bekam auch Chehija einmal meine Tränen zu sehen, weil es ihr gelang, mich zum reden zu bringen. Mir gefiel das nicht, weil sie das wieder einmal zum Anlaß nahm sich unsinnige Schuldgefühle einzureden.

Kersti

Quelle: Erinnerung an ein eigenes früheres Leben


F87. Kersti: Fortsetzung: Daß du mein Leibwächter bist, hat dir doch nur Unglück gebracht
F84. Kersti: Voriges: Das Mädchen da drin tritt dich nur, weil du ihm nicht die rechte Achtung entgegenbringst
FI1. Kersti: Inhalt:
VA106. Kersti: Reinkarnation
EGI. Kersti: Kurzgeschichten
V231. Kersti: Frühere Leben von mir
Z51. Kersti: Erinnerungen an frühere Leben
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben
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Ein Text von Kersti Nebelsiek, Alte Wilhelmshäuser Str. 5, 34376 Immenhausen - Holzhausen, Tel.: 05673/1615, Internetseite: https://www.kersti.de/, Kersti_@gmx.de
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