erste Version: 1/2019
letzte Bearbeitung: 1/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1208.

In der Nacht träumte ich, ich wäre der Papst

Vorgeschichte: F1209. Riko: Mirko war geschickt worden, weil er ein Fachmann für die Arbeit mit Besessenen war, den Khar selbst ausgebildet hatte. Daher die Vertrautheit

Khar erzählt:
In der Nacht träumte ich, ich wäre der Papst.

Wenn man hört, wie die vergangenen Päpste angeblich so gelebt haben, könnte man annehmen, das wäre auch nicht schlimmer als mein letztes Leben als Karon, wo ich schließlich auch nur zu Tode gefoltert worden war. Ganz bestimmt steht in keiner Überlieferung, in der der Papst vorkommt, daß ein Papst zehn Jahre lang gefoltert wurde, ehe man schließlich zuließ, daß er endlich sterben konnte.

Es steht auch nicht in den Überlieferungen, daß irgendeiner der Päpste mit einer Frau verheiratet war, die er davor gerettet hatte, als Hexe verbrannt zu werden. Auch daß ein Papst Franz von Assisi unsympathisch fand, weil er ihm nicht erlaubt hat, sein Pferd selbst zu striegeln, steht nicht in den Überlieferungen. Allerdings stimmt an den Überlieferungen, daß besagter Papst die Franziskaner als religiösen Orden anerkannt hat. Schließlich kann man Franzs Anhängern wohl kaum die Charakterschwächen ihres Vorbildes vorwerfen, auch wenn diese ganz sicher nicht zur Verbesserung des Ordens beitragen. Außerdem war ich auch nicht unfehlbar.

Da wird diesem Papst nur unterstellt, er hätte die Inquisition eingeführt, die tatsächlich schon vorher gang und gäbe war und er wäre Schuld daran, daß andere Leute einen Kreuzzug gegen ihre Bauern geführt haben, für die sie eigentlich hätten sorgen und denen sie hätten Schutz bieten sollen.

Auch daß mich erst jeder gedrängt hatte, mich zum Papst wählen zu lassen und daß dann dieselben Leute allesamt gegen mich intrigiert haben, findet sich so nicht in den Überlieferungen.

Wahrscheinlich ist es normal, daß man Päpste erst zu Tode foltert und wenn sie sich dann dagegen nicht mehr wehren können, stattdessen den Papst erfindet, den man gerne gehabt hätte. Ich kann jedenfalls jedem nur davon abraten, Papst zu werden, zumindest falls er so etwas wie ein Gewissen besitzt und danach zu leben gedenkt.

Wahrscheinlich ist nur eines noch deutlich schlimmer: Jesus gewesen zu sein. Ich würde jedenfalls nicht mit Jesus tauschen wollen. So selbstlos bin ich dann doch wieder nicht. Dabei mag ich Jesus wirklich.

Am Morgen fragte ich mich dann, mit wem man über so etwas reden kann. Schließlich fragte ich Tharon, der dazu meinte, ich sollte mich damit an Astor wenden.

Vor meinem täglichen Treffen mit Astor hatte ich mich Mirko verabredet, um ihn auf seine erste Schicht mit Khiris zu begleiten. Er fragte mich, ob ich inzwischen herausgefunden hätte, was da am Vortag hochkommen wollte.
"In der Nacht habe ich geträumt, ich wäre der Papst." antwortete ich.
"Ach weißt du, ich finde dich viel wunderbarer als jeden Papst den ich mir vorstellen könnte. Von daher würde es mich nicht besonders überraschen, wenn sich herausstellen sollte, daß der Traum stimmt. Und wenn nicht - mein Gott, jeder Mensch kann sich mal irren!" antwortete er direkt auf das, was letztlich meine größte Sorge war.
Ich erzählte ihm also ein bißchen mehr über meine Papsterinnerungen, woraufhin er meinte, daß das, was ich bisher erinnert hatte, aber nicht erklären würde, warum mich gerade das Thema "immer noch unmöglichere Dinge verlangen" auf diese Erinnerungen gebracht hatte. Ob ich im damaligen Leben möglicherweise auch Wunder vollbracht hätte?
Sofort hatte ich wieder dieses schreckliche Gefühl, was mich am Vortag dazu gebracht hatte wegzurennen und ich hätte große Lust gehabt, das wieder zu machen. Stattdessen sagte ich ihm, daß es dieses Gefühl auslöst und daß da wohl so etwas gewesen sein muß. Aber wenn ich jetzt darüber rede, schaffe ich meine Tagesarbeit nicht, weil ich in den Wald fliehe oder so, also ginge das frühestens nach dem Abendessen.
Das akzeptierte Mirko so.

Er machte mich noch darauf aufmerksam, daß er Riko gesagt hatte, daß ich zu entscheiden hätte, ob Riko erfahren darf, daß Mirko zu den Weißen Rittern gehört. Das war so ein Thema, wo ich am liebsten Tharon um Rat gefragt hätte, nur wußte ich im Vorhinein, daß er mir sagen würde, daß ich diese Dinge jetzt entscheiden muß, weil nur ich ausreichend oft mit Riko rede, um seinen Ausbildungsstand genau genug einschätzen zu können. Die Antwort war natürlich klar: Noch schwankte er zu stark zwischen alles nicht glauben wollen und meine Meinung für die absolute Wahrheit halten, als daß man ihm irgendetwas anvertrauen konnte, außer Grundlagenwissen, was er brauchte, um sich seinen eigenen Reim auf die Geschichte zu machen. Schließlich benutze ich auch nur meinen Kopf zum denken und man sollte sich auch im Denken nicht abhängiger von anderen machen als unvermeidbar.

Khiris war, als wir das Zimmer betraten, anwesend wie meist beim Wachwechsel. Das erklärte ich Mirko auch und daß ich vermutetete, daß das wohl daran liegt, daß Khiris nicht genug Dämonen hat, die wenigstens erfahren genug sind, daß er sich sicher sein kann, daß sie eine Wachschicht unfallfrei bewältigen. Daher könnte er nicht einfach der Erde fern bleiben, bis der die Arbeit in den Höllen erledigt hat. Khiris meinte, daß er sich auch schon gefragt hatte, warum er so regelmäßig im Körper ist, aber sich dann einfach nicht normal benehmen könne, während ich ein halbes Jahr gebraucht hätte, um das erste mal wieder aufzutauchen und dann sofort zur Tagesordnung übergehen hatte können, als wäre ich nie weggewesen. Mirko erzählte, daß es bei ihm zwischen diesen beiden Extremen gelegen hatte, daß ihm das aber einiges erklären würde. Dann unterhielten sich Khiris und Mirko so ungezwungen über Höllenerfahrungen, daß ich nach wenigen Minuten entschied, daß ich sie alleine lassen konnte, weil sich Mirko selbst von den Zwischenrufen diverser Dämonen nicht verunsichern ließ und Khiris neugefundene kleine Anteile sofort in eine Badewanne mit geeignetem feinstofflichen Wasser steckte und sie dann in einen Dämonenkindergarten, den er im Raum einrichtete, schickte.

Ich hatte gedacht, daß er so etwas kann, aber daß er es so gut kann, überraschte mich dann doch.

Kersti

Fortsetzung:
F1161. Khiris: Man merkt Mirko schon an, daß er ein Engel ist, den Sauberkeitsfimmel hat er jedenfalls noch nicht abgelegt