erste Version: 2/2019
letzte Bearbeitung: 2/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Der im Nachtmeer wohnt

F1219.

Dabei wurde mir klar, daß es hier wirklich war wie in dem Buch, das ich für eine Art Märchen gehalten hatte

Vorgeschichte: F1218. Der buddhistische Mönch: Khiris lächelte und meinte: "Ich sehe schon, du verstehst meine Witze."

Der buddhistische Mönch erzählt:
Im weiteren Verlauf des Tages stellte mich Khar diversen anderen Ordensmitgliedern vor und zeigte mir praktisch die gesamten Ordensgebäude. Dabei wurde mir klar, daß es hier wirklich war wie in dem Buch, das ich für eine Art Märchen gehalten hatte. Magische Angriffe waren tödlich gefährlich, jeder konnte sich an frühere Leben erinnern und die Schwarzen Ritter wurden genauso ungerecht behandelt, wie die japanischen Samurai, die sich bemüht hatten, das Problem mit den Dämonen in den Griff zu bekommen. Der einzige Unterschied war, daß die Schwarzen Ritter wohlhabender waren als die Samurai, die damals dieselbe Art Arbeit gemacht hatten, wie sie die schwarzen Ritter heute hier tun. Ich halte diesen Unterschied aber für unwesentlich, denn verhungert sind auch diese Samurai nicht.

Ich stellte auch fest, daß mein japanischer Meister mir damals einen weitaus besseren Rat gegeben hatte, als er mit seinem beschränkten Wissen hatte ahnen können. Er hatte nur damit argumentiert, daß einem die Herrschaft über den eigenen Geist in allen Lebenslagen hilft. Hier stellte ich fest, daß ich die ganzen Kranken ohne diese jahrelange Schulung nicht hätte besuchen dürfen, weil sie ein unachtsamer Gedanke hätte umbringen können. Nein, ich war offensichttlich nicht versehentlich in einem japanischen Kloster aufgewachsen. Das hatte alles seinen Sinn gehabt.

In der Nacht träumte ich von meinem anderen Leben mit den Beschützern der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung.

Die Arbeit, die ich tat, konnte, wenn wir das Glück hatten, genug Helfer zu finden, Weltuntergänge verhindern

Ich saß mit dem einäugigen Samurai auf einer grünen Wiese. Der Mann strahlte Stolz aus. Es handelte sich nicht um die Art Stolz, die hinter hochmütigen Gehabe und übertrieben aufrechtem Gang letztlich tiefe Minderwertigkeitskomplexe versteckt. Es war eine andere, viel gesündere Art von Stolz.

Er war ganz offensichtlich arm. Seine Kleidung war zweckmäßig, sauber und gut gepflegt, die Klinge, die er führte, gut, aber jedem Teil seiner Ausrüstung sah man an, daß wo immer das möglich war, ohne sich selbst durch minderwertige Ausrüstung zu gefährden, gespart worden war. Die Jacke war vielfach geflickt, an Sattel und Zaumzeug war offensichtlich im Laufe der Jahre jedes Stück Leder einzeln ersetzt worden, wenn es nicht mehr haltbar genug war, um seinen Zweck zu erfüllen. Auch seine Malzeit war sehr einfach, wenn auch ausreichend. Er machte keinerlei Versuch diese Armut zu kaschieren, sondern schien mit einer Selbstverständlichkeit dazu stehen zu können, als wäre sie für ihn völlig unbedeutend.

Er war nicht alt, doch war die Verletzung, die ihm das Auge gekostet hatte, nicht die einzige Narbe an seinem muskulösen Körper. An seiner linken Hand fehlten zwei Finger und es zog sich eine Narbe den Arm hoch, die aussah, als wäre es pures Glück gewesen, daß der Arzt ihm deshalb nicht hatte den Arm abnehmen müssen. Als er neben dem Pferd hergegangen war, hatte ich gesehen, daß er hinkte, wobei mir nicht so ganz klar war, warum genau, denn offensichtlich konnte er weite Strecken gehen, ohne dadurch schlimme Schmerzen zu bekommen. Insgesamt sah er so aus, daß man davon ausgehen mußte, daß ihn die Mädchen nicht mehr besonders attraktiv finden. Aber auch das schien ihn nicht wirklich zu berühren. Als ich diese schreckliche Narbe im Gesicht das erste mal gesehen hatte - vorher war mir die gesunde Seite zugewandt gewesen, weil auf der verletzten Seite das Pferd ging - hatte ich ihn einen Augenblick auf eine Weise angestarrt, die man beim besten Willen nicht höflich nennen kann, weil mich der Anblick so schockiert hatte. Er hatte gewirkt, als würde ihn das aus irgendeinem geheimen Grund amusieren und einfach mit einem stillen Lächeln gewartet, bis ich mich wieder so weit gefangen hatte, daß ich mich normal verhalten konnte. Offensichtlich gab es nichts, was an seiner Selbstsicherheit kratzen konnte.

Auch seine Herkunft war nichts, womit man angeben konnte. Offensichtlich war er in den Bergen aufgewachsen und hatte in seiner Jugend als Söldner gearbeitet. Er wirkte aber eher bescheiden, wie ein einfacher Bauer und hatte nicht dieses angeberische Auftreten, was einen gleich vermuten läßt, es mit einem Räuber zu tun zu haben.

Da ich die Aufgabe hatte, die unheimlichen Geschehnisse in den Bergen zu untersuchen, stellte ich ihm Fragen dazu, die er zunächst offen beantwortete. Als ihm klar wurde, worum es mir ging unterbrach er mich und sagte, daß er schon wüßte, was da los sei, denn er sei hier, um dieses Problem zu lösen. Das wäre allerdings nichts, was er mir in fünf Minuten oder einer halben Stunde erklären könnte, um es wirklich zu verstehen, bräuchte man eine jahrelange Ausbildung. Ich sollte ihm einfach begleiten, dann würde er mir nach und nach alles erklären und er würde außerdem direkt zu den Ereignissen gerufen werden, die ich aufklären wolle und ich könne einiges davon live miterleben. Wann immer ich meinen würde, genug zu wissen, könne ich ja wieder gehen.

Ich sah ihn seltsam an, weil ich einfach nicht glauben konnte, was ich hörte. Klar, einige der Geschichten, die man so erzählte, hatten unheimlich bis absurd geklungen und es war von Dämonen die Rede. Aber bisher hatte ich das Ganze für die Taten einer Räuberbande gehalten, deren Mitglieder einfach ein wenig durchgedrehter sind als üblich. Ich ging nicht davon aus, daß ein Räuber mich direkt zu den Raubzügen einladen würde. So etwas war einfach zu absurd. Wovon redete er also?

Trotzdem war es sicherlich nicht falsch, ihn zu begleiten.

Als erstes stellte ich fest: Er war ein wandeldes Märchenbuch, und wie Märchenerzähler das so tun, behauptete er steif und fest, alles, was er erzählt, wäre wahr. Immerhin gelang es ihm, mich durch seine Geschichten so zu fesseln, daß ich ihm auch zuhörte. Danach fragte er mich ab wie ein Lehrer, ob ich das erzählte, auch wirklich verstanden und mir gemerkt hatte und korrigierte jeden noch so kleinen Fehler, den ich bei der Wiedergabe seiner Märchen machte. Das wirkte beinahe, als würde er die Märchen selber glauben - oder mich zum Märchenerzähler ausbilden. Ich wußte nicht, welche von beiden Deutungen ich wahrscheinlicher finden sollte.

Dann kamen wir in dem Ort an, wo angeblich die Besessene sein sollte und ich konnte mit eigenen Augen sehen, daß es zumindest einige wahre Märchen gab...

Ich bin zurückgekehrt, um meinen Bericht abzugeben, sobald ich meinte, genug zu wissen. Ich habe Jahre später noch ein ganzes Buch als Bericht abgegeben, das ich über meine Erlebnisse geschrieben habe. Aber abgesehen davon habe ich den Rest meines Lebens damit verbracht, Dämonen zu erziehen, die aus einem Höllentor gekommen waren, das sich in den Bergen der Gegend geöffnet hatte.

Niemand hatte mir dafür eine Belohnung versprochen, denn der Orden, dem ich beitrat, hatte gerade genug zu leben. Ich wurde irgendwann von Leuten ermordet, die mir die Schuld an den Taten der Dämonen gaben, die zu verhindern ich mein ganzes Leben gearbeitet habe. Ich habe meine Entscheidung nie bereuht, denn ich wußte was ich tat, war richtig. Die Arbeit, die ich tat, konnte, wenn wir das Glück hatten, genug Helfer zu finden, Weltuntergänge verhindern.

Kersti

Fortsetzung:
F1230. Khar: Der japanische Mönch, der Ungarisch nur gebrochen sprach, hatte offensichtlich wesentlich bessere Sprachkenntnisse in Dämonensprachen