erste Version: 6/2019
letzte Bearbeitung: 6/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1307.

Ich fragte langsam ernsthaft irritiert nach, warum eigentlich alle so mit mir redeten, als hätte ich gefragt, ob ich hierbleiben darf

Vorgeschichte: F1303. Kalar: Irgendwann wurde mir klar, daß die Jugendlichen von Erlebnissen redeten, die vor ihrer Geburt in Rußland oder Japan stattgefunden hatten, als wären sie dabei gewesen
F1364. Mirko: Irgendwann hatte ich plötzlich ein Bild vor Augen, von einer Maschine, die ganz interessante Dinge machen konnte

Kalar, der Arzt des anderen Ordensstandortes erzählt:
Als wir mit dem Zug ankamen, wurde der Wagen abgekoppelt und auf einen Abstellgleis geschoben. Dort wartete schon eine Kutsche auf uns, auf dessen Bock ein Mann in der Ordenskleidung der Weißen Ritter saß, der mir als Mirko vorgestellt wurde. Er entschuldigte sich, daß er nicht aufstand, aber von einer alten Verletzung sei bei ihm eine Querschnittlähmung zurückgeblieben und er hätte den Rollstuhl zuhause gelassen, weil es ihm zu umständlich gewesen sei ihn auf den Wagen zu laden und ihn dann hier wieder abzuladen. Daher hätte er es vorgezogen auf dem Kutschbock zu warten.

Khar fragte, ob ich jetzt wieder zurückfahren oder bei ihnen zuhause übernachten wollte. Ich überlegte, wie ich sagen sollte, daß ich ihnen eigentlich am liebsten Löcher in den Bauch fragen wollte.
"Neugierig geworden?" fragte Mirko.
Ich nickte.
"Dann muß ich sie warnen. Auch nur grob zu begreifen, was wir hier wirklich machen, dauert mindestens ein Jahr. Und dann werden sie von gewissen Kreisen, die uns verfolgen und meinen, wir sollten am Besten auf ewig in den Höllen schmoren, als einer von uns betrachtet und verfolgt. Dann können ihnen solche Dinge passieren, wie sie auch Ehon, Khar oder auch mir passiert sind." meinte er.
Irgendwie war das für mich gerade kein Argument, wieder zu gehen. Aber ehrlich gesagt verstand ich mich da selbst nicht. Ich wollte gerade mit den unheimlichsten Menschen mitgehen, die mir je begegnet waren und fühlte mich, als gäbe es nichts Wichtigeres, als gerade bei ihnen zu sein. Dann wurde ich auch noch gewarnt, daß das gefährlich war und wollte dann erst recht bei ihnen sein. Das war doch nicht logisch!

Die Geschichte war natürlich noch seltsamer. Ich hatte ja in meinem Leben öfter schon Flüchtlinge gesehen, die vor der russischen Revolution geflohen waren und alle diese Flüchtlinge hatten vor Angst wie erstarrt gewirkt und kaum über all die schrecklichen Dinge reden können, die ihnen zugestoßen waren. Jedenfalls waren sie alle sehr hölzern gewesen.

Die Schwarzen Ritter gehörten eigentlich zu unserem Orden - warum sich einer von den Weißen Rittern als einer der Ihren betrachtete, war mir völlig unklar, besonders weil er ja offensichtlich nicht von einem Orden zum anderen übergetreten war. Sie waren früher in Rußland gewesen und nach Napoleons Feldzug nach Ungarn geflohen. Sie hatten dort eine Burg als Wohnsitz angeboten bekommen, von der sie nach knapp einer Generation geflohen waren - warum genau, darüber gab es nur Gerüchte, aber es war bekannt daß die meisten Erwachsenen diese Flucht nicht überlebt hatten. Khar hatte damals als Jugendlicher die Führung dieses Ordenshauses übernommen und sie hatten in einem anderen Ort ein Schloß als Wohnsitz angeboten bekommen. Was genau da passiert war, darüber gingen die seltsamsten Gerüchte um, aber es sah aus, als hätten hunderte von Leuten, die keiner kennen wollte, das Schloß angegriffen. Die Angreifer waren alle tot, die Schwarzen Ritter waren angeblich noch am selben Morgen nach Japan geflohen, was die Polizei sehr verärgert haben soll. So ganz konnte das nicht stimmten, denn Khar war ja noch da und er sah aus, als hätte man ihn durch den Fleischwolf gedreht. Aber was wirklich merkwürdig war: Er wirkte völlig normal, als wäre für ihn alles in Ordnung und er mit sich und der Welt im Reinen. Er wirkte nicht wie ein Flüchtling, der zwei mal in seinem Leben alles verloren hatte, sondern eben völlig normal, entspannt, gelassen und freundlich. Die Ritter mußten irgendein Geheimnis haben, etwas das sie für irdische Dinge unangreifbar machte und das wollte ich verstehen.

Auf die Frage ob ich lieber auf dem Bock oder in der Kutsche sitzen wollte, wählte ich den Bock neben dem querschnittsgelähmten Weißen Ritter denn Khar selbst setzte sich mit Ehon in ein vergittertes Wagenabteil, das sie Dämonenkäfig nannten. Kirçi setzte sich zu ihnen, damit genug Platz für alle in der Kutsche war. Daß das vergitterte Abteil von außen abgeschlossen wurde, schien keinen der drei zu stören.

Ich fragte den Weißen Ritter, warum Khar denn so viele Narben hatte.
"Die kurze Antwort ist: Er wurde gefoltert und in die Höllen geworfen. Wenn du diese Fragen wirklich im Einzelnen beantwortet haben willst, hieße das mindestens ein Jahr Arbeit in unserem Archiv." antwortete er.
Ich fragte, wie es denn kam, daß sich hier alle offensichtlich an frühere Leben erinnern.
"Prinzipiell kann jeder Mensch sich an frühere Leben erinnern. In dem ersten Jahr, das ich bei ihnen war, habe ich mich auch an ein solches Leben erinnert."
"Und warum habe ich mich dann noch an keines erinnert?"
"In der Ein-Jahr-im-Archiv-Version könntest du das auch ausprobieren und würdest dich wahrscheinlich auch an eines erinnern." antwortete er.

Ich fragte langsam ernsthaft irritiert nach, warum eigentlich alle so mit mir redeten, als hätte ich gefragt, ob ich hierbleiben darf, denn genauso redete er und Khar hatte sich auch so benommen.
"Das liegt daran, daß du im Feinstofflichen tatsächlich diese Frage gestellt hast." antwortete Mirko.
"Habe ich gar nicht!" fauchte ich ihn an.
"Ich sagte im Feinstofflichen, das ist die Ebene wo man mit Engeln und Dämonen spricht. Daß dir das irdisch nicht bewußt ist, ist mir klar. Du dürftest hier nur eine gewisse Neugier und diverse heftige Gefühle, die du dir nicht erklären kannst, mitbekommen haben. Da wir hier aber alle ein bißchen hellsichtig sind und feinstoffliche Fragen mitbekommen, kann es passieren daß wir darauf auch einfach antworten. Besonders Khar ist da ein Spezialist, dem es immer wieder versehentlich passiert, daß er automatische eine durch einen Dämon im feinstofflichen gestellte Frage irdisch laut in einer Dämonensprache antwortet, ohne das selbst zu bemerken. Das alles nimmt dir aber nicht deine irdische Entscheidung ab, ob du das überhaupt willst oder nicht. Das solltest du dir ganz in Ruhe überlegen." antwortete er.
Zumindest hatte er meine Gefühlslage damit ganz richtig beschrieben. Ich verstand mich selbst nicht und war deshalb so gereizt.

Kersti

Fortsetzung:
F1336. Kalar: Ich fragte: "Warum hat denn hier keiner Angst?"