erste Version: 7/2017
letzte Bearbeitung: 7/2019

Chronik des Aufstiegs: Die Pforten der Hölle - Die Beschützer der Menschheit vor den Geistern der Verzweiflung

F1308.

Und erst dann wurde mir wirklich klar, was ich am Vortag erlebt hatte: Meine Geschwister waren wieder da, alle beide!

Vorgeschichte: F1315. Khar: Er fragte mich als allererstes, ob ich die bösen Dämonen wieder in die Höllen geworfen hätten

Khar erzählt:
Ich ging also zu Mira und es war wieder ein Schock. Mira kannte ich nämlich auch. Sie war mein kleiner Bruder Michael gewesen. Diesmal brach ich sofort in Tränen aus und es gelang mir nicht wieder, mich zu fangen. Da kamen einfach zu viele alte Gefühle hoch. Ich erklärte ihr aber daß ich einfach müde sei und daß es dann manchmal passiert daß man vor Freude weint. Ich hätte sie nämlich als eine sehr liebe Seele erkannt, die ich schon lange kenne.
"Ja. Du warst mein großer Bruder, als Darion mein Papa war." antwortete sie sofort.
Sie kannte den Decknamen, den mein Vater hier getragen hatte, was hieß, daß sie ihn vor seinem Tod hier noch kennengelernt haben mußte. Ich fragte sie danach.
"Ja. Er hatte mich adoptiert, aber dann haben sie ihn einfach ermordet. Sie ermorden immer alle die mich mögen."
"Haben sie schon jemanden ermordet?
"Meine Eltern. Und bei Geron haben sie es versucht."
Als ich das hörte fragte ich nach, aber sie meinte sie müsse erst fragen, ob sie mir das erzählen darf.

Das nächste Thema hatte mich völlig verantwortungslosen Erwachsenen zu tun, wegen denen sie mir das Herz aussschüttete. Sie verstand überhaupt nicht, warum die Männer sich nicht in das Krankenzimmer trauten, da sie verdrängte, daß Gerons sympathische Freunde Dämonen waren. Offensichtlich war das Kind eine der Personen, die sich in den letzten Tagen um den Jungen gekümmert hatten und es hatte sie nachhaltig erschüttert, daß die Erwachsenen so völlig verängstigt waren. Ich tröstete sie, erklärte ihr, daß wir ja jetzt da waren und daß wir wüßten, wie damit umzugehen war.

Ich sagte ihr auch, sie müßte unbedingt jeden Tag bei ihrem Freund vorbeischauen, weil er Angst hätte, daß sie tot sein könnte und weil er sonst aufgeben könnte.
"Aber warum denn?"
"Weil es nur wenige Menschen gibt, die ihn so verstehen können wie du." antwortete ich.
Das bestätigende Gefühl was ich von ihm empfing, zeigte mir, daß sie in ihrem jungen Leben schon viel zu oft die Erfahrung gemacht hatte, daß niemand sie verstehen kann.

Ich fragte mich, warum unseresgleichen immer so unendlich einsam sein muß.

Ich glaube, ich muß dann mitten im Gespräch eingeschlafen sein. Jedenfalls habe ich keine Ahnung, wie ich in das Bett gekommen bin, in dem ich am nächsten Morgen erwachte. Ich räkelte mich noch etwas und genoß die Sonne, die zum Fenster hereinschien. Und erst dann wurde mir wirklich klar, was ich am Vortag erlebt hatte: Meine Geschwister waren wieder da, alle beide! Eine tiefe Freude erwachte in mir, als wäre die Sonne nach tagelanger Dunkelheit endlich doch wieder aufgegangen.

Ich dachte an dieses furchtbare Jahr zurück, in dem durch mehrere aufeinanderfolgende Angriffe fast meine ganze Familie ermordet worden war und Darion, mein Vater, der einzige, der überlebt hat ist hier bei den weißen Rittern untergetaucht, nur um Jahre später grausam ermordet zu werden.

Und mit fiel dabei die Führung der Schwarzen Ritter meines Ordenshauses zu, was letztlich nur bedeutet, daß man mehr Arbeit hat als jeder andere - besonders in solche Situationen, wo alle dazu neigen in Panik zu geraten. Ich verstehe nicht, warum alle meinen, ich hätte das sehr gut gemacht. Mir kommt es nicht gut genug vor, denn mir fallen auf Anhieb mehrere Fehler ein, von denen ich glaube, daß Menschen deshalb gestorben sind.

Nach diesen Erlebnissen hatte ich mich uralt gefühlt. Nicht alt und krank, denn gesund bin ich bis heute, von ein paar Narben abgesehen. Aber die Art von alt, wo man das Gefühl hat, ein ganzes Leben erlebt und hinter sich gelassen zu haben und in einer Welt zu leben die sich im Lauf der Zeit verändert hat, so daß man sich die jungen und noch naiven Menschen ansieht, die noch unberührt von den Wirren des Schicksals sind, deren größte Probleme immer noch in den Streichen bestehen, die sie Lehrern spielen und ganz melancholisch wird.

Mir kamen dabei schon wieder die Tränen. Offensichtlich war da noch viel zu viel alter unaufgearbeiteter Schmerz, weil ich so damit beschäftigt gewesen war, dafür zu Sorgen, daß der Orden überlebt, daß ich keine Zeit für mich selbst gefunden hatte.

Und jetzt waren Gerta und Michael wieder da. Ich mußte daran denken, sie bei ihren neuen Namen zu nennen - Geron und Mira. Es macht schließlich einen sehr komischen Eindruck, wenn man einen Jungen bei einem Mädchenname nennt oder umgekehrt.

Ich ging wieder zu dem Mädchen hin. Sie war gerade in der Küche und machte Spiegeleier mit Speck. Ich stellte mir ein Frühstück aus dem Bufett zusammen und setzte mich zu ihr, um mit ihr zu reden. Als ich so weit satt war half ihr ihr ein wenig, indem ich alles wegräumte, was sie nicht mehr brauchte und das Geschirr für die Malzeit bereitstellte.

Mira war immer noch derselbe freundliche und kluge Mensch, der mein kleiner Bruder gewesen war. Sie hatte dieselbe Art von Humor, dieselbe Art zu reden. Mich erleichterte das sehr, denn manche Menschen gehen an schlimmen Erfahrungen kaputt und man weiß nicht, wie man das wieder flicken soll.

Bei dem Gespräch stellte ich fest, daß sie weitaus mehr Sorgen hatte, als ein achtjähriges Mädchen sie haben sollte. Sie selber war schon entführt und bei dieser Gelegenheit vergewaltigt, lange gefoltert und in die Hölle geworfen worden. Es war Geron gewesen, der sie damals gefunden und die Rettung organisiert hatte. Der Junge selbst war vor diesem Bombenangriff, der zu seiner jetzigen schweren Verletzung geführt hatte schon einmal angegriffen und verletzt worden.
"Die Angreifer waren immer dieselben. Und sie sind so mächtig, das kann immer wieder passieren." meinte das Mädchen.
Außerdem beschwerte sie sich bei mir, daß die Erwachsenen mit ihr nicht über Dinge redeten, die sie unbedingt wissen mußte, um sich schützen zu können. Sie wußte mehr als sie mir zu erzählen bereit war, das wurde schnell deutlich. Und sie war wichtiger als irgendjemand uns gegenüber zugegeben hatte. Leider wußte auch ein gefährlich mächtiger Feind davon, sonst wäre nicht gerade sie mit ihrem engsten Freund aus den Kindern in dem Heim in dem sie aufgewachsen ist, herausgepickt und so mörderisch bedroht worden.

Ich erkundigte mich bei dem Mädchen, wer die Lehrer von ihr und Geron waren, denn ich würde mich an die wenden müssen, um ihr weiterhelfen zu können, indem ich mit den Erwachsenen redete.

Die Spiegeleier waren übrigens für Geron. Er hatte sie telepatisch bei seiner Freundin bestellt und wachte, wie mir mein Kollege der, zu dem Zeitpunkt Wache hatte, mitteilte, genau pünktlich auf, um sie essen zu können.

Kersti

Fortsetzung:
F757. Khar: Diese Ritter waren Menschen, denen alles unter den Fingern zerbröckelte, das ihr Leben ausmachte und die nichts dagegen tun konnten