erste Version: 10/2019
letzte Bearbeitung: 10/2019

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Das Leben des perfekten Kriegers

F1463.

Als ich in Ruhe darüber nachdachte, kam ich zu dem Schluß, daß die Zuchtmenschen einen Staatsstreich durchgeführt hatten

Vorgeschichte: F1459. Geson XZB12-56-78: Der König wollte mir das nicht glauben und redete mit diversen Drachenreitern, ehe er zugab, daß der Reiter des Fürsten tatsächlich am besten erklären konnte, was in ihm selbst vorging

Turin vom hohen Licht erzählt:
Ich hatte mal wieder Geson XZB12-56-78 und Treron XZB12-5-13 zu mir bestellt, weil ich ehrlich gesagt immer noch beunruhigt war, wie sorglos sie sich gegenüber Drachen gaben und irgendwie schienen sie meinen Sohn angesteckt zu haben, der mir die ganze Zeit erklärte, wir hätten die Drachen die ganze Zeit völlig falsch gesehen.

Mitten in dieses Gespräch hinein wurde mir gemeldet, daß eine Entsatzstreitmacht der Drachen angekommen sei, die wir niemals besiegen könnten, weil sie uns gegenüber eine zehnfache Übermacht hatte.

"Die Drachen wollen, daß wir mit ihnen einen Nichtangriffspakt schließen." sagte Treron zu mir.
Ich sah ihn nur an.
"Die einzige Bedingung, außer daß wir sie auch nicht angreifen, ist, daß wir den Drachen, die in unserem Sternenreich leben, nichts zuleide tun." ergänzte Treron.
"Ich gehe aber nicht hin und rede mit den Drachen!" rutschte mir heraus.
"Das macht nichts. Ich übernehme diese Aufgabe gerne." antwortete Geson.
Tatsächlich blieb uns natürlich nichts anderes übrig, als zu kapitulieren und es wäre ausgesprochen großzügig, wenn sie keine bedingungslose Kapitulation von uns fordern, wie sie das normalerweise tun.
"Der Reiter des Drachenfürsten ist bereits hierher unterwegs, damit wir sofort aufbrechen und ihnen entgegenfliegen können." fuhr Geson fort.
Mir wurde klar, daß das nicht nur die vernünftigste Politik war, die man machen konnte, sondern daß die Zuchtmenchen sowieso die Politik machen würden, die ihnen richtig erschien. Wenn ich jetzt einen Aufstand versuchen würde, würde es mir ergehen wie ihrem Kapitän, der Kabinenarrest gehabt hatte, bis er sich fügte, wie mir Dira von Leuenhorst erklärt hatte.

Ich stimmte also zu und bekam sofort den Entwurf für den Nichtangriffspakt ausgehändigt, den Treron mit den hiesigen Drachen ausgearbeitet hatte. Wenn ich Änderungsvorschläge hätte, sollte ich die machen. Sie könnten noch berücksichtigt werden. Ich dachte mir, daß das wohl hieß, daß sie sich mit den Drachen verbündet hatten, damit sie mich zum nachgeben zwingen konnten. Geson ging zu dem Hangar, den das Gehirnschiff ihm nannte und stieg zu dem Drachenreiter in die Landefähre.

Ich las mir den Entwurf durch. Ich hatte keine Bedenken, nur ein paar Ideen, von denen ich meinte, daß man sie auch noch einbringen könnte. Treron erklärte mir, daß diese Ideen nicht in den Hauptvertrag müßten, da dafür sowieso Raum sei. Es gäbe eine umfassende Liste ähnlicher Vorschläge von verschiedenen Menschen, die der Drache für wahrscheinlich willkommen gehalten hätte, die aber zu speziell seien, um sie in den Hauptvertrag aufzunehmen, da das nur den Vertragsabschluß verzögern und uns auf lange Sicht alle zu sehr einengen würde, wenn wir die Beziehungen entweder intensivieren oder lockern wollten. Ich stimmte zu.

Nach fast 24 Stunden kamen beide zurück und berichteten von dem Gespräch. Beide wirkten wie immer, dabei hatten sie stundenlang mit einem Drachen geredet, der nicht besiegt war. Geson erklärte, daß der Drache sich ebenfalls an seine Anweisung gehalten hatte, nicht unbeaufsichtigt in seinem Geist herumzulaufen. Er hätte ihm die relevanten Erinnerungen zu den Verhandlungen mit den hiesigen Drachen gezeigt und zudem seine Neugier befriedigt, indem er ihn diverse unbedeutende Alltagsereignisse und Kindheiterlebnisse hätte ansehen lassen. Der Entwurf, den sie ausgearbeitet hätten, wäre unverändert bestätigt worden. Ich unterschrieb.

Als ich in meiner Kabine in Ruhe darüber nachdachte, kam ich zu dem Schluß, daß die Zuchtmenschen offensichtlich einen erfolgreichen Staatsstreich durchgeführt hatten, das aber ohne zuzugeben, daß sie irgendetwas so Ähnliches gemacht hatten. Sie waren schließlich schon vor diesem letzten Sieg dazu übergegangen einfach ihre eigene Politik zu machen, weil wir zu sehr in einer Zwangslage waren, um etwas dagegen unternehmen zu können.

Da mir niemand so etwas verboten hatte, bestellte ich Dira zu mir und unterbreitete ihr die Theorie, daß die Zuchtmenschen einen erfolgreichen Staatsstreich durchgeführt hätten.
"Auf den Gedanken bin ich auch schon gekommen. Allerdings muß ich sagen, wir haben uns aus einer Zwangslage heraus mit euch verbündet und während ich mit euch als König durchaus einverstanden bin, habe ich mit den allermeisten Freigeborenen ein Problem. Sie benehmen sich dermaßen unausstehlich und unvernünftig, daß mir die Zuchtmenschen als Herren durchaus wie die bessere Alternative erscheinen." antwortete sie.
Ich wußte nicht, was ich dazu sagen sollte. Allerdings mußte ich zugeben, daß sie recht hatte. Ich hatte ja deshalb die Zuchtmenschen mit ihren Aktionen durchkommen lassen, weil wir ohne sie schon längst eine bedingungslose Kapitulation gegenüber den Drachen gehabt hätten.

Ich fragte sie, ob sie denn nicht das Gefühl gehabt hätte, daß die Aktion mit dem völlig überladenen Zuchtmenschenschiff nach Hause zu fliegen, etwas leichtfertig gewesen sei.
"Doch dieser Ansicht war ich auch. Das habe ich dann meinem ersten Offizier unterbreitet und der meinte, er hätte den Notfallplan, der dafür ausgearbeitet worden sei, vorliegen und ich könne ja mal Meister Zufall spielen, der die Leute mit irgendwelchen unwahrscheinlichen Notfällen überlastet. Das habe ich dann getan und war sehr erstaunt, wie schwerwiegend ein solcher Notfall hätte sein müssen, damit sie ihre Lebenshaltungssystem nicht im ausreichenden Maße hätten aufrecht erhalten können, daß nur die direkten Opfer des Notfalles sterben. Es hätte nämlich mehr als die Hälfte des Lebenshaltungssystems ausfallen müssen, damit sie das Problem nicht hätten in den Griff bekommen können." antwortete sie.
"Das kann aber gegen Ende der Fahrt so nicht mehr gestimmt haben." widersprach ich, denn ich wußte, sie hatten fast alle Ersatzteile verbraucht.
"In der letzten Woche hätten sie die Reparaturmannschaft mit einem Codewort zu den Maschinenräumen gerufen, alles andere mit Kryo-Medikamenten geflutet und dadurch den Lebenshaltungsbedarf gesenkt, so daß es bis zum Ende reicht." antwortete Dira.
Ich sagte, daß ich mir das gar nicht vorstellen konnte, daß das funktioniert hätte.
"Das war auch meine Reaktion und er meinte, daß ich bedenken solle, daß es sich bei dem Schiff um ein zu Beginn der Fahrt unbeschädigtes Kriegsschiff handelte, das mit den Reparaturfunktionen eines Kriegsschiffes ausgestattet sei. Es sei deshalb logisch, daß es machbar sei, bei einer so friedlichen und zivilen Aufgabe wie einer simplen Heimfahrt, die nötigen Mittel bereitzustellen, um das dreifache der regulären Mannschaft sicher nach Hause zu bringen. Man müsse halt nur darauf achten, von vorneherein alle nötigen Pläne in der Tasche zu haben, damit man sich nicht verkalkuliert." antwortete sie.
Damit hatte sie natürlich recht. Ich hatte mich damals gewundert gehabt, warum es bei gedrittelten Rationen - und zwar Notrationen - keinen Aufstand gegeben hat. Das hatte mir der freigeborenen Freund meines Sohnes erklärt, indem er ausführlich beschrieb, wie sie auf jedes bißchen Kritik an ihrem Vorgehen reagiert hatten indem sie mit einer Engelsgeduld immer wieder anders erklärt hatten, warum ihre Lösung die Beste war. Diese Notreserven, bei denen die Hälfte des Lebenserhaltungssystems ausfallen muß, ehe wirklich etwas schief geht, hatten sie allerdings niemanden gegenüber erwähnt gehabt.

Ich fragte, was die Zuchtmenschen machen würden, wenn man berechtigte Kritik hat.
"Dann zeigen sie ihr System, um Verbesserungsvorschläge einzubringen, lassen den Betreffenden nachsehen, ob es so ähnliche Vorschläge gibt und ob alles, was er bedacht hat, da vollständig berücksichtigt ist und wenn nicht darf er ergänzen. Ich bin immer noch nicht so ganz in der Lage meine Vorschläge völlig richtig einzubringen, weil das System zu kompliziert ist, aber sie helfen immer gern." antwortete Dira.
"Berücksichtigen sie die Vorschläge auch?" fragte ich.
"Ja. Von mir haben sie einige berücksichtigt. Vor allem dein Söhnchen tut ja sein Bestes, um dafür zu sorgen, daß alles, was ich sage, beim König landet." antwortete sie.
Irritiert sah ich sie an.
"Er hat mir gesagt, daß er sich selber aufgrund seiner Abstammung als Zuchtmensch sieht." fuhr sie fort.
Mich überfiel ein Anflug von Verfolgungswahn bei dem Gedanken.
"Ich würde mir darum nicht zu viele Gedanken machen. Den Zuchtmenschen wäre weniger Kritik entgegengeschlagen, wenn sie nur die Leute von ihren Schiffen und von meinem Schiff gerettet hätten. Trotzdem haben sie sich entschieden, jeden zu retten, von dem sie meinten, ihn retten zu können. Das haben sie gemacht, obwohl niemand, der kein Zuchtmensch ist, mit ihnen freundlich umgeht." sagte Dira.

Damit hatte sie recht.
"Außerdem - traust du deinem Sohn zu, daß er dich fallen läßt?" fragte Dira mich.
"Nein." antwortete ich.
Es hatte mehrere Situationen gegeben, wo ein Anschlag gegen mich geplant gewesen war und eines meiner sieben Zuchtmenschen-Adoptivkinder hatte mich jedes mal gewarnt. Ich hatte den Eindruck, daß die Zuchtmenschen die Kinder nur als Boten eingesetzt haben und daß es ihnen vorher egal gewesen war, ob ich lebe oder sterbe und seit ich die Kinder hatte nicht mehr. Wenn sie mich hätten tot sehen wollen, um selber die Macht zu haben, hätte mein Sohn in den fünf Jahren, die er jetzt schon volljährig ist, mehrfach Gelegenheit gehabt, mich einfach nicht zu warnen und dann wäre ich bei einem Anschlag ums Leben gekommen, wie der, dem mein Vater zum Opfer gefallen ist oder der, durch den ich heute unfruchtbar bin. In beiden Fällen weiß ich, wer der Täter ist. Nicht der, der den Anschlag ausgeführt hat, sondern der Auftraggeber. Daß ich Zuchtmenschen als Adoptivkinder ausgewählt hatte, lag daran, daß ich mir gedacht hatte, wenn ich Kinder erziehe, dann werden sie sich als meine Kinder fühlen. Ich mußte feststellen, daß diese Annahme nicht so ganz stimmte. Die Kinder hängten sich ans Rockbändel von jedem, der ihrer Zuchtmenschenlinie angehört. Nur notfalls gaben sie sich mit anderen Zuchtmenschen zufrieden. Dabei hatte ich durchaus keine schlechte Beziehung zu ihnen, sie beschwerten sich nur bei den anderen Zuchtmenschen, daß ich sie einfach nicht verstehen würde - womit sie recht hatten, denn ihre Gedanken waren wirklich zu kompliziert, um sie so einfach verstehen zu können.

Plötzlich kam mir ein Gedanke, ich drückte den Rufknopf und fragte das Gehirnschiff, ob es eigentlich auch einen solchen Notfallplan hätte, bei dem ausgearbeitet sei, wie groß die Überladung sein könne, damit es mit vertretbarem Risiko völlig überladen heimkehren könne.
"Ja. Selbstverständlich liegt ein solcher Notfallplan ausgearbeitet vor." antwortete Gira LZB103-1765-22.
Aha. Selbstverständlich.
"Wer hat den denn ausgearbeitet?"
"Ich zusammen mit meinen Zuchtmenschen in der Mannschaft. Er beruht auf einem Standartplan für die Schiffsklasse, den wir an unsere Bedürfnisse angepaßt haben." antwortete Gira.
Aha. Standartplan.
"Gibt es irgendeinen gesellschaftlichen Notfall, für den ihr nicht vorausgeplant habt?"
"Ich halte es durchaus für denkbar, daß wir irgendeine mögliche Gefahr übersehen haben, für die man hätte vorausplanen müssen." antwortete sie.
"Dann hätte ich gerne eine Übersicht über die Notfalläne, die für mich in geeigneter Weise vereinfacht ist."
Das mit dem vereinfacht sagte ich, weil sie sonst immer zuerst das komplizierte Ding zeigen, was bei ihnen als Übersicht durchgeht, was aber kein normaler Mensch verstehen kann. Dabei haben sie immer eine vereinfachte Version, die sie nur aufrufen müssen.

Ich warf dann einen Blick darauf und stellte fest, daß sie wirklich für alles Notfallpläne haben, was man sich nur vorstellen kann. Ihr Staatsstreich war ja auch von dem Typ gewesen "Wir reißen die Macht an uns, indem wir euch vor eurer eigenen Dummheit retten". Sie machten sich nicht einmal die Mühe mich abzusetzen oder unfreundlich zu mir zu sein. Wenn ich brav bin und gute Ratschläge annehme, darf ich weiter König spielen, sonst bekomme ich Stubenarrest?

Kersti

Fortsetzung:
F1564. Der Drachenfürst: Deshalb hatten sie dafür gesorgt, daß die klügeren Zuchtmenschen jetzt bei den Tyrannen vom Licht herrschen
F1735. Turin vom hohen Licht: "Nein, mein König. Aber Treron hat sich bereits selber dazu aufgeschwungen und da es funktioniert hat, würden sie den Erfolg der Arbeit gefährden, wenn sie das nicht so machen würden." antwortete Saman

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben