erste Version: 11/2019
letzte Bearbeitung: 11/2019

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Gruselige Experimente

F1494.

Als Sira wieder hereingeschoben wurde, fragte ich, warum in alles in der Welt sie die Befehle bei der Operation gegeben hatte

Vorgeschichte: F1493. Kersti: D

Diro von Karst erzählt:
Jender hatte mich aufgefordert, mich einfach hinzusetzen und zu warten, mein Schiff würde gleich kommen und sie hieße Sira LZB78-2900-3.

Sira hatte einen ausgesprochen großen Kopf, da ihr Vater derjenige gewesen war, bei dem diese Mutation das erste mal aufgetreten war und ihre Mutter diese Mutation ebenfalls von ihrem Vater geerbt hatte, so daß sie das Gen von beiden Seiten erhalten hatte. Außerdem hatte sie einige andere Mutationen, die in dieselbe Richtung gingen, in ihrem Genom. Sira war also sowohl Tochter als auch Enkelin dieses 78. Zuchtmannes der LZB-Linie. Daß dieser Vater inzwischen mit 3000 Frauen geschlafen hatte, lag daran daß wir in alle weiblichen Linien dieses Gen einbringen wollten, um möglichst wenig der genetischen Vielfalt der Zucht zu verlieren, während wir in möglichst jede Linie das Gen für die hohe Intelligenz einbringen.

Kurz nachdem ich mich hingesetzt hatte kam Sira herein und fragte mich, warum sie hierher gerufen worden sei. Ich stellte mich vor und sagte ihr, daß sie als mein Gehirnschiff vorgesehen sei und daß ich sie deshalb gerne jetzt schon kennenlernen würde. Mir war unklar, was sie sich dabei dachte, denn ihre Reaktion auf diese Ankündigung war lediglich höflich, auch wenn sie aus irgendeinem Grund, den ich nicht verstand, auch erleichtert wirkte. Ich dachte mir, daß ich sie wohl etwas besser kennenlernen mußte, wenn ich von ihr mehr Offenheit wollte.

Kurz darauf öffnete sich eine andere Tür, die zum Operationssaal, und ein Psychologe schob eine erschöpft aussehende Frau mit einem ähnlich großen Kopf herein. Die beiden Frauen begrüßten sich. Sie kannten sich offensichtlich und Sira fragte die andere, wie denn die Operation gewesen sei. Die beiden unterhielten sich über Details der Operation, die mir den Magen umdrehten. Sie redeten über feine Unterschiede in den Schmerzen in unterschiedlichen Phasen der Operation und wie es sich anfühlte, das zu erleben. Außerdem wunderten sie sich darüber, wie unpassend manche dieser auftretenden Gefühle waren, wenn man bedachte, daß einem der Bauch aufgeschnitten und lebenswichtige Organe entfernt wurden. Das war wirklich gruselig.

Ich sagte gar nichts dazu, denn ich dachte mir, daß sie untereinander viel offener waren, als wenn ich mich einmischen würde - und ich wollte es verstehen.

Dann wurden beide kurz nacheinander zur Operation gerufen und beide scheinen keinerlei Vorbehalte zu haben, das wie selbstverständlich mitzumachen. Eine Stimme, die sich als das Stationsgehirn vorstellte, fragte mich, ob ich die Operation beobachten wollte und ich stimmte zu.

Sira kam, da sie vor der Operation hatte duschen sollen, nackt herein und legte sich als sie gebeten wurde sich hinzulegen ohne erkennbares Zögern auf den Operationstisch. Es schien sie auch nicht zu stören, daß sie so festgeschnallt wurde, daß sie sich nicht rühren konnte. Dann wurde sie gefragt, ob ihr bewußt sei, was der erste Schritt der Operation sei. Sie sagte:
"Ja, mir muß zuerst der Bauch aufgeschnitten werden." und erklärte sehr genau, wie dabei vorgegangen wurde. Als es tatsächlich so gemacht wurde japste sie und schluchzte, sagte aber als sie gefragt wurde, was jetzt käme, den nächsten Schritt der Operation genauso genau an und klang dabei auch wieder gefaßt und als hätte sie tatsächlich das Gefühl, hier die Befehle zu geben. Ihre Anweisungen wurden auch so ausgeführt, als wäre das so, so daß ich beim Zusehen aus dem Gruseln nicht mehr heraus kam. Schließlich wurde sie gefragt, ob die Operation richtig abgeschlossen sei, sie schienen tatsächlich nachzuprüfen ob jedes Organ aus dem Bauchraum entfernt worden war und ob alle Geräte wieder im Kasten waren. Es wirkte wirklich als würde sie nachzählen, ob alles da ist. Dann sagte sie, ja es wäre fertig, es könnte zugemacht werden.

Als Sira wieder hereingeschoben wurde, fragte ich, warum in alles in der Welt sie die Befehle bei der Operation gegeben hatte.
"Das ist ein psychologischer Trick." antwortete sie.
Ich sah sie nur wortlos an.
"Psychologische Tricks funktionieren nämlich auch, wenn man ganz genau weiß, daß es ein psychologischer Trick ist. Der Trick hier hat zwei Teile. Ganz früher hat man die Leute mit dem Lähmstrahler betäubt, damit sie nicht zappeln und schreien können, während man sie operiert. Das Ausnehmen haben sie zwar üblicherweise überlebt, sind dann aber an der nachfolgenden Gehirnschiffoperation gestorben. Ich glaube, daß das aus purer Bosheit des freigeborenen Arztes geschehen ist, aber irgendeiner der Operatoren kam dann auf den Gedanken, das mit dem Lähmstrahler einfach bleiben zu lassen und den Patienten zu zwingen daß er sagt, was gerade getan wird."
F41. Kersti: Das erste Gehirnschiff: Operationen
"Das war dann nach zwanzig erfolglosen Operationen das erste Gehirnschiff, das überlebt hat und danach haben sie es immer so gemacht, mit dem Ergebnis daß grob drei von fünf Leute die Operationen überlebt haben. Lange hat sich an dieser Quote und dem Verfahren nichts geändert. Vor über zehn Jahren entschieden daß Zuchtmenschen der Krieger- und Technikerzuchtlinien zu Gehirnschiffen umoperiert werden sollten und daß das Problem der mangelnden Allgemeinbildung darüber behoben werden sollten, daß sie vorher zehn Jahre lang zuerst eine Offiziersausbidung und dann wie freigeborene Offiziere mit demselben Recht auf Urlaub und Freizeit leben sollten, bevor sie zum Gehirnschiff gemacht werden. Bei den Operationen kamen alle Krieger um und alle Techniker haben sie überlebt."
"Hast du eine Ahnung, warum das so ist?" fragte ich.
"Sira, du mußt zur Operation." sagte die Lautsprecherstimme des Schiffgehirns.
"Wir haben einen sehr engen Zeitplan." sagte der Psychologe, der sie hereingeschoben hatte und schob sie wieder hinaus.
Ich fühlte mich aus dem Gleichgewicht gebracht, protestierte aber nicht.

Dann erst wurde mir klar, daß da ja noch eine junge Frau war, die bald operiert werden würde. Ich entschuldigte mich bei ihr, daß ich ihr die Gesprächszeit weggenommen hatte, obwohl ich den Eindruck gehabt hatte, daß das Gespräch vor der Operation zumindest für Sira sehr wichtig gewesen sei.
"Herr Karst wir haben den Eindruck, daß sie versuchen, Dinge zu verstehen, die sie schon vor Jahren hätten verstehen sollen, bevor sie angefangen haben, hier Befehle zu geben. Da sie sich jetzt darum bemühen und es für uns sehr wichtig ist, daß sie das vertehen und berücksichtigen, werde ich alles tun, damit sie Gelegenheit dazu erhalten." antwortete die junge Frau mir.
Ich konnte diese Antwort kaum fassen, wenn ich daran dachte, daß sie jetzt gleich operiert werden würde, trotzdem meinte ich:
"Was meinte Sira denn eben mit 'Das ist ein psychologischer Trick'?"
"Man fühlt sich nicht ganz so hilflos, wenn man selber die einzelnen Schritte der Operation ansagt, obwohl man natürlich ganz genau weiß, daß sie nicht damit aufhören würden, wenn man sagen würde 'Nein bitte nicht!'"
Sie wurde rausgerufen und ging wie selbstverständlich zur Operation, vorher bat sie das Stationsgehirn aber noch, mir einen Straferfilm zu zeigen.

Kersti

Fortsetzung:
F1495. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben