erste Version: 11/2019
letzte Bearbeitung: 11/2019

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Gruselige Experimente

F1496.

"Gendis hat mir etwas erzählt von Leuten, die die Kinder ihrer Bediensteten an Versuchsanstalten verkaufen und sich dann wundern, wenn ihr eigenes Kind schlecht behandelt wird. Ich glaube er hat wieder eine von seinen Depressionen." erklärte Sira

Vorgeschichte: F1495. Kersti: D

Diro von Karst erzählt:
Ich hatte mich zum Grübeln auf das Schiff zurückgezogen. Eine Frau mit erkennbar kleinerem Kopf als Sira hatte mich sehr förmlich willkommengeheißen und sich als ihre Kapitänin vorgestellt.

"Gibt es wirklich Orte wo niemand freundlich zu Kindern ist?" fragte mich eine Lautsprecherstimme.
"Ja und wie man sieht, kommt dabei nur Mist heraus." antwortete ich und fragte mich, ob das Stationsgehirn mich auf meine Koje auf dem Schiff verfolgt hatte, um verspätet doch noch meine Entschuldigung anzunehmen, die zugegebenermaßen wirklich nicht formvollendet war. Aber ich habe versucht das Gehirn zu besänftigen. Für ihn hatte vor 257 Jahren bei dieser grausamen Operation das Leben geendet, für mich hatte es vor gut fünzig Jahren begonnen, als ich den Prinz kennenlernte und ich werde nicht aufhören ihm dafür dankbar zu sein, daß er mich aus der Hölle meiner Kindheit erlöst hat.

Allerdings muß ich zugeben, daß ich noch wesentlich länger manchmal gedankenlos grausam und herzhaft egoistisch war. Das hat sich erst mit den Kindern des Königs geändert, wo ich das erste mal miterlebt habe, wie richtige Eltern mit ihren Kindern umgehen. Habe ich die Kinder manchmal beneidet! Warum keine Frau mich hatte haben wollen, beginne ich jetzt langsam zu begreifen, wo ich ein alter Mann werde. Aber immerhin betrachtet mich der König als Mitglied seiner erweiterten Familie.

"Sag mal rede ich jetzt mit Gendis vom Tal oder mit Sira LZB78-2900-3?" fragte ich.
"Sira. Gendis hat mir etwas erzählt von Leuten die die Kinder ihrer Bediensteten an Versuchsanstalten verkaufen und sich dann wundern, wenn ihr eigenes Kind schlecht behandelt wird. Ich glaube, er hat wieder eine von seinen Depressionen." erklärte sie.
"Ich glaube nicht, daß mein Vater sich darüber gewundert hat. Er wußte doch gar nicht wie man nett zu wem auch immer ist. Er wußte auch nicht wie normale Leute mit ihren Kindern umgehen. Ich hatte Angst vor ihm, weil er sich ständig grausame Scherze einfallen lassen hat und dann meinte, ein großer Junge weint doch nicht." antwortete ich.
"Ich dachte, daß die Freigeborenen eigentlich ganz normal mit Talis umgehen. Wir haben uns nämlich alle die Filme angesehen, die das Palastgehirn von ihm gemacht hat, damit seine Mutter weiß, wie es ihrem Sohn geht. Ich fand aber, daß er ganz komische Spielsachen hat." erklärte Sira.
Das berührte mich sehr seltsam. Diese gezüchteten Menschen, wo die Zuchtmütter Kinder bekommen, bis die Geschlechtsorgane nicht mehr funktionstüchtig sind und die kaum genug Zeit haben können, um sich um jedes Kind ausreichend zu kümmern, fanden den Umgang mit dem Prinzen ganz normal und mir, dem angeblich so verwöhnten reichen Fatzke, war das wie der Himmel vorgekommen?

Ich weiß, daß der König sich keine Gedanken gemacht hat, ob die Mutter von Talis sich Sorgen um ihr Kind macht. Er hat die Kinder lieb gewonnen und sich um sie Gedanken gemacht, aber daß es da echte Eltern gibt, die die Kinder vermissen und sich Gedanken machen, ob es ihnen gut geht, da hat er nie drüber nachgedacht. Ich glaube, er ist auch nicht auf den Gedanken gekommen, daß eine Frau die mindestens ein Kind pro Jahr bekommt, Zeit oder Muße haben könnte, sich jahrelang Filme von einem Kind, das man ihr als Säugling weggenommen hat, anzusehen. Ich fragte ob Talis Mutter sich immer noch Filme von ihm austauscht.
"Talis hat als Zehnjähriger angefangen, ihr Briefe zu schreiben." antwortete Sira.
Ich hatte erfahren, daß er sich Filme vom Kindergarten der Zuchtstation angesehen hatte, weil er sich als zweijähriger bitterlich beschwert hat, daß die Kinder dort schöneres Spielzeug hätten. Der König hat daraufhin in der Station angefragt, was dort als altergemäßes Spielzeug für ein Kind seines Alters galt und war erstaunt, wie kompliziert diese technischen Spielzeuge waren, aus denen die Kinder ihre spätere Arbeit lernen sollten. Sein Sohn bekam dann das Spielzeug, was er wollte, den gesamten Kindergartensatz an technischen Spielzeugen. Daß er sich so regelmäßig mit seiner Mutter austauscht, war mir aber unbekannt gewesen. Ich fragte mich, ob der Palasttechniker den Jungen dazu angehalten hatte, seiner Mutter zu schreiben. Wenn ich mir das so recht überlege, würde es mich nicht wundern.

Ich war im Nachhinein sehr froh, daß der König damals, als er die Kinder mitbrachte, auch gleich einen neuen Palasttechniker mitgebracht hat, weil abzusehen war, daß der Alte kurz darauf an der Folgen der Implantate sterben würde. So war der Junge immerhin erwachsen, als seine wichtigste Bezugsperson an den Folgen der Implantate gestorben ist. Mir war bis dahin nicht bewußt gewesen, was für Schmerzen diese Menschen in dem letzten Jahr haben, wo die Vergiftungssymptome Überhand nehmen. Er hat sich nicht beschwert und eher dazu geneigt sich zu verkriechen, wenn es ihm richtig schlecht ging, doch da Talis regelmäßig nach ihm gesehen hat, habe ich es hautnah mitbekommen. Als ich nachfragte, warum man das normalerweise nicht sieht, meinte das Palastgehirn: "Wir verstecken sie, damit die Freigeborenen sie nicht umbringen."

Das Kindermädchen, das die jüngeren Kinder von der Station mitgeschickt bekommen hatten, war eine aufgrund ihrer zu geringen Intelligenz aussortierte Zuchtmutter gewesen, so daß sie nicht so bald sterben wird, da sie keine Implantate hat. Ihr ist auch erlaubt worden zu heiraten und mit ihrem Mann zwei weitere Kinder zu bekommen, die zwar offiziell keine Prinzen und Prinzessinnen waren wie ihre Halbgeschwister, aber mit ihnen zusammen wie Prinzen und Prinzessinnen aufwuchsen.

Die zu geringe Intelligenz war natürlich relativ. Den Gesprächen, die die junge Frau mit den Kindern, um die sie sich kümmern sollte, führte, konnte ich nicht wirklich folgen. Anfangs hatten wir uns Sorgen gemacht, daß die Zuchtsklaven Intrigen gegen uns spinnen könnten, als wir feststellten, daß Talis von ihnen politisch beeinflußt wurde. Wenn ich mir das so recht überlege, war das Unsinn. Ich glaube nämlich, den Zuchtsklaven ist das Wort "gegen" nicht bekannt. Sie sind viel zu kooperativ für so etwas und haben uns letztlich vor unserer eigenen Dummheit gerettet, indem sie uns über Talis beigebracht haben, wie man seine eigenen Interessen sehr viel wirksamer durchsetzt, indem man sorgfältig darauf achtet, die Interessen anderer, wo immer möglich, mit zu berücksichtigen. Als mein König die Führung des Staates übernommen hat, war er ein schlechter König, weil er zu jung und unerfahren war und deshab zu kurzsichtig entschieden hat. Als er das Kind adoptiert hat, hatte er sich beinahe alle politischen Verbündeten verspielt und da ich das Wort sozial noch nicht einmal buchstabieren konnte, hätte ich ihm auch nicht sagen können, woran das liegt. Bei dem König funktionierte der Trick, weil er, wo er die Leute persönlich kannte, immer freundlich war und ihm nur der Weitblick fehlte, um die Folgen seiner Entscheidungen für andere Menschen mit zu berücksichtigen. Wenn man ihm deutlich sagte, wie das, was er macht, sich für andere Menschen anfühlt, dachte er darüber nach und entschied freundlicher. Ich hörte mir diese ganzen immer direkter geführten Diskussionen an und lernte daraus, wie man sozial denkt. Die positive Erfahrung, die wir mit dem Palasttechniker gemacht hatten, war der Anstoß für die Idee gewesen uns bei den jüngeren Kindern ein geeignetes Kindermädchen mitschicken zu lassen. Im Grunde haben wir den Weitblick der Zuchtmenschen weit unterschätzt. Wir dachten nämlich, daß sie als Zuchtmutter keine weitreichenden politischen Verbindungen haben könnte, deshalb könnten wir ihre absolute Loyalität erringen. Tatsächlich hatten die Zuchtmenschen, wie es mir heute scheint das weitreichenste politische Netz, das es bei uns gibt. Der König kann Kurierschiffe verschicken oder die offiziellen Postschiffe verwenden. Die Zuchtmenschen verschicken ihre private Post mit jedem einzelnen Schiff, das es in unserem Reich überhaupt gibt, denn jedes dieser Schiffe wird von einem von ihnen gewartet.

Insgesamt sind wir sehr froh um dieses Kindermädchen, denn sie ist heute eine der wichtigsten politischen Beraterinnen des Königs.

Kersti

Fortsetzung:
F1497. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben