F1534.

Er redete als wäre mit dieser Erfahrung die Welt untergegangen und ausgerechnet ich müßte ihn dafür bemitleiden

Vorgeschichte: F1539. Danien Wolf: Wahrscheinlich war das Palastgehirn Geron vom Silbersee der politisch bestinformierte Mensch der gesamten Glühwürmchenkultur und niemand dachte darüber nach, was er alles wußte

Danien Wolf erzählt:
Sie brauchten einige Monate, in denen ich immer wieder von einem zum anderen weitergereicht wurde. Beispielsweise war da Sirach von Tyr, ein sehr fetter, ziemlich kaputter Typ, der nach den Gehorsamsübungen und vorm Schlachten bei einem Kriegszug aus dem Schlachthaus der Echsen befreit worden war und sich mit mir einige Stunden darüber unterhalten hat, wie es ist, von Echsen gefoltert zu werden. Mir war gesagt worden, ich solle mal sehen, ob ich ihm irgendwie helfen kann. Ich glaube aber nicht, daß das ihr wirkliches Motiv war.

Er redete als wäre mit dieser Erfahrung die Welt untergegangen und ausgerechnet ich müßte ihn dafür bemitleiden. Ich weiß, daß es Menschen gibt, die mit solchen Erlebnissen einfach nicht fertigwerden und daher für den Rest ihres Lebens nicht mehr glücklich werden. Wenn ich etwas finde, womit ich jemandem helfen kann, besser mit schlimmen Erfahrungen fertigzuwerden, bin ich auch gerne bereit das zu tun. Aber ich bin ganz bestimmt nicht bereit, jemanden dafür zu bemitleiden, daß ihm nichts Schlimmeres passiert ist als mir. Ich bin nicht einmal bereit, so zu tun, als würde ich jemanden, der sich so benimmt, bemitleiden. Ich glaube auch nicht, daß das irgendjemandem hilft. Also erklärte ich ihm, daß es unterschiedliche Arten gibt, wie man mit solchen Erfahrungen umgehen kann und daß ich mir nicht von ihm einreden lasse, meine Erfahrungen wären nicht echt, nur weil ich besser damit fertiggeworden bin als er, denn dieses besser damit fertigwerden, ist meine persönliche Leistung, die ich mir von niemandem kleinreden lasse, nur weil es ihm schlechter geht. Ich bin übrigens überzeugt, daß er das, was er erzählt, wirklich erlebt hat, denn er kennt zu viele der typischen bizarren Erfahrungen, als daß es anderes hätte sein können.

Trotzdem wirkte er zu stabil für das, was er mir vorspielte und als wolle er eigentlich von mir wissen, ob ich wirklich ganz genau weiß, wie das Ganze abläuft.

Ich erzählte ihm von allem, woran ich mich in diesem Zusammenhang erinnern konnte und erklärte ihm, wie ich die psychologischen Zusammenhänge begriffen hatte. Bei den Verhören wechselte er dann plötzlich dazu, daß ich ja ganz bestimmt etwas verraten hätte. Ich erklärte ihm, daß ich selbstverständlich nicht an alles klare Erinnerungen hätte, weil mein Nervensystem oft so überreizt gewesen wäre, daß ich nicht mehr klar hatte denken können. Ich hätte aber darauf geachtet, in solchen Situationen möglichst keine klaren Worte mehr von mir zu geben und eher sehr peinliche Dinge zu machen, als meine Aufmerksamkeit irgendetwas wichtigen zuzuwenden. Tatsächlich hatte ich mir zeitweise einen Spaß daraus gemacht, die Echsen zu ärgern, indem ich ihre Fragen auf möglichst kreative Art falsch verstehe. Ich erzählte, daß ich ihre Fragen nach bestimmten Raumflügen teilweise beantwortet habe, als würde ich glauben, ich wäre ein Vögelchen, das versucht zu den Sternen hochzufliegen, weil es glaubt, das wären weiße Körner, die man fressen kann. Ich glaube nicht, daß sie mir abgenommen haben, daß ich verrückt geworden wäre, aber geärgert habe ich sie damit ganz schön, ohne daß mir das auf irgendwie erkennbare Art geschadet oder genutzt hatte, wenn man mal davon abgesehen hat, daß es mir Spaß gemacht hat, sie auf die Palme zu bringen. Da die Situation sowieso aussichtslos war, war mir das die Sache wert.

Der Mann behauptete, das könne gar nicht sein, so könne man mit so etwas gar nicht fertig werden. Ich grinste ihn zuckersüß an und meinte, ich hätte doch gesagt, daß man sehr unterschiedlich mit solchen Erfahrungen umgehen kann.

Ich wußte, daß ich nicht der einzige bin, der bei so etwas auf bizarre Ideen kommt. Ich war nämlich als junger Offizier einmal dabei gewesen, als wir Gefangene von Echsen aus solchen Folterkellern befreit hatten und ich hatte mit den Leuten reden sollen. Einerseits, um mich um sie zu kümmern, andererseits, um herauszufinden, ob sie irgendetwas Wichtiges wußten. Danach hatte ich mir gedacht, daß Foltern erst so richtig deutlich werden lassen, wie unterschiedlich Menschen sein können. Viele gehen daran so richtig kaputt während andere erst zeigen, was für eine Kraft und was für ein Mut in ihnen steckt. Nun ja und es gab halt auch einige Kandidaten für die bizarrsten denkbaren Ideen wie man Folterknechte ärgern oder verwirren kann.

Ich hatte damals gehofft so etwas nie wieder sehen zu müssen, war aber letztlich selber in so einer Situation gelandet, aus der mich niemand wieder befreit hatte, ehe die volle Zeit diese Foltern um war und ich zum Schlachten weggegeben wurde.

Kersti

Fortsetzung:
F1543. Sirach von Tyr: Ich dachte mir, daß ich ihm erzählen mußte, daß ich verstehen kann, wie sehr einen solche Foltern kaputt machen können, damit er Vertrauen faßt und ehrlich zugibt, was seine Motive sind

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben