F1538.

"Silas Gutmenschenfsassade hat ja Risse bekommen! Wie hast du denn das gemacht?" fragte er mich

Vorgeschichte: F1537. Danien Wolf: Ich sah die glückliche Miene von Jan und mir kamen die Tränen, weil Koris so etwas nie wieder erleben würde

Danien Wolf erzählt:
Dann wandte ich mich wieder an den Psychologen und fragte ihn, ob er jetzt wüßte, warum die Zuchtmenschen so fügsam wären.
"Ja aber warum sagen sie denn nie etwas?" fragte er.
Ich bat das Gehirn, jetzt den Straferfilm zu zeigen. Dieser Film begann damit, daß eine Gruppe frei geborener Kriegssklaven, ihre Befehle bekam. Wie Glühwürmchenbefehle das oft sind, waren die Anweisungen so bescheuert, wie sie nur sein konnten, indem der Absetzpunkt so gewählt worden war, daß man sie auf dem freien Feld absetzen wollte, statt die Mauer hundert Meter weiter rechts als Deckung auszunutzen. So schlecht diese Fußtruppen ausgebildet war, waren sie immerhin nicht dumm genug, um nicht zu erkennen, daß der Befehl richtig dumm war. Sie unterhielten sich darüber, sagten, daß sie das aber nicht so machen wollten und mit ihren Vorgesetzten darüber reden wollten. Als das nächste mal jemand in ihr Quartier kam, sprachen sie ihn zögernd und höflich darauf an, daß sie einen Verbesserungsvorschlag hätten. Selbst das war den Freigeborenen Idioten zu viel gewesen. Jeder der einen Piep gesagt hatte, wurde bis zur Besinnungslosigkeit gefoltert. Danach waren alle so verängstigt, daß sie es nicht mehr wagten, in Deckung zu gehen, wie sie es eigentlich gewollt hatten und die Schlacht ging dadurch schlechter aus, als sie hätte ausgehen müssen.

Ich erklärte dem Psychologen, daß es sehr viele solche Straferfilme gäbe. Mir wäre bisher jedes mal, wenn ich eine entsprechende Frage gestellt hätte, ein anderer solcher Film gezeigt worden und das seien mindestens zwanzig oder dreißig verschiedene Filme gewesen, die immer jemand anders mir vorgeführt hätte. Daher würde ich nicht annehmen, daß sich die Leute abgesprochen hätten, welche Filme ich noch nicht kenne.
"Wie viele von der Sorte gibt es denn?" fragte mich der sichtlich erschütterte Psychologe.
"Was meinst du Geron?" fragte ich das Palastgehirn.
"Keine Ahnung", antwortete Geron vom Silbersee, "Aber ich habe im Augenblick 7034 davon in meinem persönlichen Archiv. Die meisten habe ich selbst gedreht, aber etwa 1000 habe ich mir von anderen Gehirnen geben lassen um auch für Situationen, die hier nicht auftreten können, passende Beispiele zu haben, die ich bei Bedarf zeigen kann."
Gehirne sind immer ausgesprochene Datensammler.
"Bei den Sklaven der Echsen gibt es Gehorsamsübungen, wo sie sich selbst auf Befehl mit dem Strafer foltern müssen, um zu zeigen, daß sie mit allem zufrieden sind, was die Echsen von ihnen wollen. Die Zuchtmenschen hier wollen sicherstellen, daß ihren eigenen Kindern so etwas nie passiert und zeigen ihnen Straferfilme, damit sie wissen, daß man besser darauf achtet, daß die Freigeborenen nie einen Anlaß finden, den Strafer zu benutzen. Während man Schweinen ein Leben lang vormachen kann die Welt wäre in Ordnung, wissen Menschen immer Bescheid, wofür sie gezüchtet werden und man muß ihnen mit Foltern drohen, wenn man erreichen will, daß sie sich in so etwas fügen. Ehrlich gesagt finde ich am Schlimmsten, daß Kelo nicht einmal denken durfte, daß er doch eigentlich lieber leben würde, weil man durch so eine Erziehung in seiner Persönlichkeit völlig verbogen wird." erklärte ich.
Ich wollte noch weiterreden, aber der Psychloge verbot mir das Wort und rannte raus. Ich sah ihm verblüfft nach, wartete vergeblich auf seine Rückkehr und fragte dann das Gehirn, was er machte.
"Er wird nicht zurückkommen. Er ist zuerst auf Klo und hat sich übergeben und jetzt ist er unterwegs zur Wirtschaft, um sich zu besaufen." meinte das Gehirn.
"Hat Dira Zeit?"
"Ja. Sie macht gerade Pause."
Ich meldete ihr, daß ich glaubte, dem Psychologen eine zu große Dosis Wahrheit verpaßt zu haben und daß sich wohl jemand um ihn kümmern müßte.

Ich erhielt fast augenblicklich andere Befehle, bei wem ich mich zum Gespräch melden sollte, die ich selbstverständlich ebenso prompt befolgte. Im Grundkurs Verhörstechnik, der zur Offiziersausbildung gehört, war diese Methode erwähnt worden. Man überlastet jemanden so sehr mit möglichst unterschiedlichen Befragungen, daß er wegen Überforderung den Überblick verliert und auch emotional überlastet ist, dann bekommt seine Fassade Risse und man sieht an seinen emotionalen Reaktionen, ob er das ist, was er zu sein behauptet. Natürlich bekam meinen Fassade Risse, wie man daran merken konnte, daß ich in den letzten Tagen mehrfach in Tränen ausgebrochen war. Ich hatte trotzdem Zweifel an dieser Theorie, denn während ich vor meinem unfreiwilligen Ausflug zu den Echsen nicht nur nicht mit so etwas hätte umgehen können, sondern mich bestimmt auch sehr unklug verhalten hätte, wußte ich jetzt sehr genau, wie ich jeden dieser Fassadenrisse ausnutzen konnte, um den Leuten genau das zu zeigen, was ich sie sehen lassen wollte und sie merkten es nicht einmal!

Abends als ich nach dem letzten Termin totmüde in Bett fallen wollte, kreuzte Sirach von Tyr bei mir auf. Das war der Typ, den ich hatte bemitleiden sollen, weil ihm nichts Schlimmeres passiert ist als mir. Ich grüßte ihn, obwohl ich eigentlich keine Lust hatte, noch mit irgendwem zu reden.
"Silas Gutmenschenfsassade hat ja Risse bekommen! Wie hast du denn das gemacht?" fragte er mich.
"Ich habe vorher mit Echsenfassaden geübt. Da bekommt man die benötigten Muskeln!" antwortete ich.
"Trotzdem. Ich habe es auch versucht und mir ist es nicht gelungen." meinte er.
"Er hat mich auch ganz schön genervt. Besonders weil er immer weiß, wie man möglichst schnell unfaßbar viel Porzellan zerschlägt. Geron kannst du mal zeigen, wie Silas Jan kennenlernen wollte?"
Das Gehirn zeigte die Szene im Gasthaus und ich merkte, daß Sirach sofort sah, daß Jan seinen Vorgesetzten zu Hilfe rief, während Silas ihn erst bemerkt hatte, als er schon vor ihm stand.
"Wenn man ihn darauf angesprochen hätte, hätte er behauptet, daß er doch nichts dafür kann, daß er so groß ist und die Leute immer Angst kriegen. Das machen sie immer so." kommentierte Sirach von Tyr die merkwürdige Kombination aus Einschüchterungstaktik und beinahe unterwürfiger Höflichkeit, die der verantwortliche Offizier benutzte.
"Er hat es aber auch verdient, wenn er es so anfängt." antwortete ich, schließlich hätte ich nicht gewußt, womit man so einem Jungen noch mehr Angst hätte einjagen können.
"Ich hasse es, das zu sagen, aber er weiß es einfach nicht besser." meinte Sirach.
"Nun, dann sollte er sich eben fortbilden!" gab ich zurück.
"So etwas. Ich glaube, er hat zufälligerweise gerade einen Fortbildungskurs bei ihnen gebucht. Ich wünsche viel Spaß bei dem Versuch, ihn durch die Abschlußprüfung zu bringen!"
Wie jeder Ausbilder weiß, wird der Wert eines Ausbilders danach beurteilt, wie viele seiner Schüler das lernen, was sie lernen sollen und möglichst noch einiges dazu. Jeder Fehler des Schülers wird dem Lehrer in die Schuhe geschoben, bekommt man den Eindruck, wenn man Leute ausbildet. Dem Lehrling oder Offiziersanwärter versucht man aber weiszumachen, wenn er versagt, sei das allein sein Fehler. Die Wahrheit liegt natürlich irgendwo zwischen den beiden Extremen, denn man kann nur Potentiale ausbilden, die auch existieren, andererseits nützt die beste Begabung nichts, wenn sie keine Ausbildung erhält. Und wenn der Schüler nichts lernen will, kann man auch nichts in ihn reinprügeln, andererseits ist ein echter Schüler immer eine undurchschaubare Mischung aus verschiedenen Motivationen, von denen einige den Wunsch zu lernen unterstützen, anderen diesem Ziel im Wege stehen.
"Immerhin habe ich kompetente Unterstützung. Geron hat mir einen gewissen Saman XZB12-123-77 vorbeigeschickt und der scheint zu wissen, wie man ignorante Gutmenschen zu zweit in die Zange nimmt - eigentlich zu dritt, schließlich hat Geron die passenden Filme dazu geliefert." sagte ich.
"Ja. Saman ist schon eine Marke. Den bitte ich auch immer wieder mal um Hilfe, wenn ich nicht weiß, wie ich naiven Jünglingen gewissen Dinge verklickern soll." meinte er.

Kersti

Fortsetzung:
F1533. Danien Wolf: Allein die Tatsache, daß ich auch nicht besser gewesen war, zeigt natürlich, daß ich mich wirklich zusammenreißen und Silas etwas mehr Geduld entgegenbringen sollte

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben