erste Version: 2/2020
letzte Bearbeitung: 2/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Kriminelle Adelige und tödliche Sklaven

F1630.

Ich stellte fest, daß selbst der König schleimig sein kann

Vorgeschichte: F1628. Sim vom Licht: Ich fragte mich, wo Tharr vom Licht die Arroganz hernahm, Adeligen wirklich richtig schlechte Bewertungen zu geben

Tharr vom Licht erzählt:
Als ich zuhause angekommen war, hatte der König erst einmal drei Tage keine Zeit für mich. Mir war das ganz recht. In diesen Tagen war noch mein Vorgänger Sim vom Licht im Amt, der in den Ruhestand gehen und mich in meine Aufgabe einführen sollte. Außerdem redete ich mit all den etwas höherangigen Untergebenen, die bei den gezüchteten Technikern irgendwann einmal eine gute Bewertung erhalten hatten oder die ich oder Freunde, die mit mir im Palast aufgewachsen waren, für anständige Menschen hielten.

Ich stellte fest, daß selbst der König schleimig sein kann. Natürlich war ich sein Sohn und er wußte das, sonst würde ich nicht den Nachnamen vom Licht tragen. Aber ich hatte nie den Eindruck gehabt, daß er sich auch nur im Geringten für mich interessiert und daher fühlte ich mich nicht geschmeichelt, als er mich plötzlich seinen Sohn nannte. Ich fand im Gegenteil, daß er sich damit Leistungen auf sein Fähnchen geschrieben hatte, die andere erbracht hatten. Daß ich nicht so ein Abschaum war wie seine legitimen Söhne lag daran, daß er seine Finger bei meiner Erziehung eben nicht im Spiel gehabt hatte. Und nebenbei bemerkt, war ich der Ansicht, daß ich meine Intelligenz von meiner Mutter hatte und nicht von meinem Vater, dem es daran ja offensichtlich ein wenig mangelte. Er hatte in den letzten Jahren einige sehr dumme politische Entscheidungen getroffen, die ihm Leute zum Feind gemacht hatten, die er auch als Verbündete hätte haben können.

Das sagte ich ihm so natürlich nicht ins Gesicht, denn ich war nicht lebensmüde. Da er mir immerhin das, worum es ihm eigentlich ging mit der Versetzung mitgeschickt hatte und ich die Versetzung auch schon erhalten hatte, als wir bei der letzten Schlacht waren, hatte ich eine ermutigende Beurteilung des mehrfachen Mörders Diro vom Karst erhalten. Der Techniker des Kapitäns, der mein erster erster Offizier auf der Thorion gewesen war, hatte mir mitgeteilt, daß Diro den Strafer inzwischen tatsächlich nur benutzte, wenn sich jemand eine Strafe verdient hatte. Für meine Begriffe war das, war mir beschrieben wurde, immer noch zu oft und zu lange, aber nicht mehr völlig von jeglicher Vernunft befreit. Richtige Verbrechen waren dem Techniker nicht zu Ohren gekommen. Diro ist immer noch die Sorte Mensch, die ich zum Tod nicht ausstehen kann, aber immerhin nicht mehr wirklich in kriminelle Aktivitäten verstrickt gewesen.

Meinen legitimen Halbbruder Turin vom hohen Licht konnte ich von allen Prinzen, die ich kennengelernt hatte, am wenigsten ausstehen, dabei kannte ich alle, die nicht als sehr kleine Kinder gestorben waren, bevor ich zur Welt kam. Turin war zwar nicht richtig kriminell aber schon so verzogen, daß niemand wirklich etwas mit ihm zu tun haben will. Ihm fehlte es für meine Begriffe auch an der Art Vernunft, die man braucht, um ein Sternenreich zu regieren. Und den sollte ausgerechnet ich zu einem König erziehen?

Ehrlich gesagt, hatte ich überhaupt keine Lust auf diese Aufgabe und wäre durchaus gerne zur Thorion zurückgekehrt, weil mir die Kriegssklaven erheblich sympathischer waren als mein Halbbruder und das, was er so mit Freunden verwechselte. Um Diro sollte ich mich schließlich nachhaltig kümmern, damit der Prinz sich nicht mit Kriminellen abgibt, wenn der Herr König nicht mehr ist. Der König meinte, ich könne das Sternenreich vorm Untergang retten und deshalb hatte ich jetzt diese Arbeit. Ich konnte von Glück reden, daß ich kein Prinz war, denn offensichtlich war das ja noch gefährlicher als der zweitbeste seines Jahrgangs zu sein, wenn man als Sklave zur Welt gekommen ist. Meine legitimen Halbbrüder sind nämlich alle bis auf Turin tot.

Außerdem war der Palast nicht mehr das, was er gewesen war, als ich ein Kind war. Ich hatte mich zuerst gefragt, ob ich mir das nur einbilde, weil ich als Kind noch naiver gewesen war. Aber der frühere Sicherheitschef bestätigte meinen Eindruck und erklärte, daß der König ihn nach dem Tod seiner Frau nicht mehr so viel Unterstützung hätte zukommen lassen und unkluge Personalentscheidungen getroffen hätte. Er wäre nicht mehr derselbe gewesen wie vorher. Ich vermute, daß ich das nicht wirklich beurteilen kann, denn ich war beim Tod von seiner Frau zehn Jahre alt gewesen und ich hatte weder sie noch den König wirklich gekannt. Ich hatte nur mit den Prinzen gespielt und es doof gefunden, daß sie direkt danach plötzlich keine Lust mehr hatten, mitzuspielen. Für mich war das so fern gewesen, als wäre irgendein beliebiger Bediensteter gestorben, mit dem ich persönlich nichts zu tun hatte. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war diese Denkweise offensichtlich sehr selbstbezogen, aber ich glaube eigentlich, daß es für so kleine Kinder normal ist.

Kersti

Fortsetzung:
F1631. Tiro vom hohen Licht: Tharr wirkte verbittert, stachelig und arrogant

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben