F1697.

Das ganze geschah so harmonisch koordiniert, daß es wirkte, als wäre das eine Parade, eine Art Tanz, um vorzuführen, wie perfekt sich diese muskulösen Gestalten bewegen können

Vorgeschichte: F1708. Tharr vom Licht: Diro überraschte mich doch immer wieder, indem er bewies, daß er in vielen Dingen doch ausgesprochen kompetent ist

Diro von Karst erzählt:
So wirklich beruhigt war ich aber immer noch nicht, was Tharr betraf. Wenn ich mich auf der Station aufhielt war alles wunderbar, alle waren freundlich, was komisch war, weil sie mich ja wohl kaum als ihren Freund betrachten konnten. Jeder redete gut über Tharr. Aber trotzdem war ich nicht beruhigt, weil das alles zu gut zu der Vorstellung von einem Tharr paßte, der sich eine eigene Hausmacht schuf, um die Macht im Lichtreich zu übernehmen.

Trotzem fand ich nichts, was dieses Bild stützte, bis der Schmuggler zurückkehrte, den ich beauftragt hatte mit dem Löwenreich Handel zu führen. Ich habe zu ihm den Kontakt hergestellt, um ihn zu befragen. Zunächst war ich sehr überrascht, daß er sich freute, mich zu sehen und wie erfreut er mir erzählte, daß genau das, was ich gesagt hatte, dort willkommen gewesen war.

Dann erzählte er mir, was er so auf der Straße und bei Gesprächen im Raumhafenkaffee gehört hatte. Das wichtigste Gesprächsthema dort war nämlich gewesen, daß Tharr ihnen zehn der gezüchteten Techniker geschickt hatte, damit sie deren Fachleute ausbilden konnten und das, was er mir erzählte, erschrecke mich bis ins Mark. Tharr hatte wieder hinter meinem Rücken eine Entscheidung getroffen, bei der ich mich fragte, ob er sich mit dem Löwenreich gegen den König verbündet hatte.

Während des Gespräches, in dem ich erfuhr, daß das Löwenreich ohne Wissen des Königs technische Unterstützung erhalten hatte, bemühte ich mich, mir mein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Danach war ich aber wie erstarrt und überlegte hin und her, was ich tun könnte. Schließlich entschied ich, daß ich zuerst mit Tharr reden mußte.

Ich begab mich also zurück auf die Zuchtstation und teilte Tharr mit, daß ich mit ihm sprechen mußte. Wie bisher bei jeder solchen Gelegenheit hatte er sofort Zeit für mich. Ich fragte mich, wie er das immer machte, er mußte doch auch noch andere Dinge zu tun haben. Er begrüßte mich auch mit genau derselben zuvorkommenden Höflichkeit, mit der er mich immer begrüßt hatte, seit ich Turins Sicherheitschef bin.

Als ich sagte, daß ich erfahren hatte, daß er Techniker zu den Löwen geschickt hatte, sagte Tharr.
"Setz dich."
Ich war im Grunde zu unruhig, um mich zu setzen und lief deshalb weiter hin und her, während ich erzählte, was ich erfahren hatte. Tharr, der immer noch völlig ruhig und entspannt hinter seinem Schreibtisch saß, wiederholte strenger:
"Setz dich."
Ich blieb stehen und dachte mir, daß es tatsächlich albern wirkte, wenn ich so aufgescheucht hin- und herlief. Also zwang ich mich, mich zu setzen, fand es aber im Stillen unheimlich, wie entspannt er wirkte.
"Was glaubst du denn, wessen Pläne ich ausgeführt habe, als ich die Techniker zu den Löwen geschickt habe?" fragte er.
"Deine eigenen?" fragte ich.
"Falsch." antwortete er.

Alle Türen des Raumes öffneten sich und XZB12s kamen leise herein. Sie stellten sich nebeneinander die Wand entlang auf, bis sie rund um das Zimmer herum dicht an dicht standen. Das ganze geschah so harmonisch koordiniert, daß es wirkte, als wäre das eine Parade, eine Art Tanz, um vorzuführen, wie perfekt sich diese muskulösen Gestalten bewegen können. Sie waren fast unhörbar, sagten kein Wort, machten auch keine offensichtlich bedrohliche Geste. Trotzdem wirkte das sehr beklemmend, eben weil sie nichts sagten oder taten sondern nur schweigend wie Statuen da standen.

"Die Zuchtsklaven?" fragte ich und versuchte, nicht so verängstigt zu wirken, wie ich mich fühlte.
"So ist es." Tharr sah immer noch völlig entspannt aus, als wären er und ich allein im Raum. Er schien diese ganzen Zuchtsklaven nicht bemerkt zu haben. Tatsächlich mußte er sie gesehen haben, schließlich waren sie auch da, wo er gerade hinschaute, also hinter mir, "Sie haben mich nie bedroht und wenn ich widersprochen habe immer höflich und mit guten Argumenten geantwortet. Trotzdem mußt du dir im Klaren sein, daß, als ich mit Turin nach dem Anschlag hier eintraf, gerade ein Aufstand im Gange war. Sie hatten bereits mit den ersten Schritten ihres entsprechenden Planes begonnen und diejenigen Adeligen Kriminellen getötet, die zuerst beseitigt werden sollten. Als ich die Verwendung des Strafers verboten und jeden der ihn benutzt hat, eingesperrt habe, war mir das noch nicht bewußt, aber sie haben es mir später erzählt, weil sie ja irgendwie die Toten erklären mußten. Das Ganze wäre wesentlich blutiger geworden, wenn wir später eingetroffen wären, aber da dieser Alternativplan existierte, wo ich offiziell der Chef der Raumstation bin, schwenkten sie mitten in der Ausführung des Plans auf diesen Alternativplan um. Und du kannst mir glauben, die Zuchtsklaven hätten Erfolg gehabt. Sie fangen so etwas nicht an, bevor sie alles an der richtigen Stelle haben."
Mir lief es eisig kalt den Rücken herunter.

Ich fragte, was dann aus Turin wird.
"So lange er sich es nicht völlig mit den Zuchtmenschen verdirbt, wird er bis zu seinem Tod weiter König sein. Und da mache ich mir wenig Sorgen, denn Turin ist zu gutherzig, um richtig Ärger zu machen. Wir müssen nur darauf achten, daß er nichts wirklich Dummes tut, denn wir müssen die Zuchtsklaven zufriedenstellen, sonst haben wir ein Problem." antwortete Tharr.
Ich nickte, bekam aber kein weiteres Wort heraus.

Kersti

Fortsetzung:
F1709. Tharr vom Licht: Diro hatte Angst, als ich ihm erklärte, wie die Verhältnisse wirklich lagen

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben