erste Version: 6/2020
letzte Bearbeitung: 6/2020

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Verhandlungen mit Glühwürmchen

F1772.

Wer bringt es denn nicht fertig, einen richtigen Bündnisvertrag zu schließen, hilft seinem vormaligen Feind aber trotzdem, die eigene Armee aufzurüsten?

Vorgeschichte: F1759. Theorn Tiger: "Ich glaube, der König hatte nicht begriffen, daß Tharr mit den Kriegssklaven verbündet war." erklärte Silas

Sitar LZB2-37-10 erzählt:
Die letzten geheimen Nachrichten von zuhause hatten gelautet, daß die Zuchtmenschen den Verhandlungen auf jeden Fall zum Erfolg verhelfen würden. Entsprechend überrascht war ich von dem doch recht eigenartigem Ausgang der Verhandlungen. Wer bringt es denn nicht fertig, einen richtigen Bündnisvertrag zu schließen, hilft seinem vormaligen Feind aber trotzdem, die eigene Armee aufzurüsten?

Natürlich war die Situation eigentlich wesentlich komplizierter. Ich muß jedoch sagen, sie war zu kompliziert für mein Verständnis. Da waren ganz klar mehr als zwei Parteien beim Gegner am Werke gewesen und jede hatte gegenüber uns ihre eigenständige Diplomatie betrieben. Wenn Theorn Tiger das verwirrte, wunderte mich das gar nicht, denn ich war nach dem Bericht auch verwirrt. Immerhin hatte ich eine Liste der zehn gezüchteten Techniker, die mitgekommen waren und einer davon war mein jüngerer Halbbruder Silas, den ich wohl zu dem Thema löchern werde, bis ich es verstanden habe.

Ich hatte auch den Auftrag, die Techniker unterzubringen, was etwas umständlicher war, weil ich dafür sorgen mußte, daß der Container mit ihren Schlafschubladen einen geeigneten Anschluß für die Kanalisation erhielt, und zwar bevor sie am Abend zu Bett gehen. Ich beeilte mich daher, alles zu organisieren.

Dann flog ich hoch, um sie zu Boden zu fliegen und verdonnerte Silas dazu, mich auf dem Flug zu Boden mit den nötigen Informationen zu versorgen. Davon hatte er offensichtlich in weiser Vorraussicht einiges mitgebracht, was er mir zu lesen gab, während ich meine jüngeren Kollegen mit Informationen zum bestehenden Bauprogramm für Raumschiffe versorgte, damit sie sich Gedanken machen konnten, wie man das so schnell wie möglich auf den neuesten technischen Stand bringt.

Silas hatte etwas mitgebracht, was er Zuchtmenschenakten nannte und darin waren die verschiedenen politischen Fraktionen so ausführlich charakterisiert, daß man es sinnvoll vereinfachen mußte, um es den hiesigen Menschen verständlich zu machen.

Was mich besonders gewundert hatte, war, warum sie eigentlich ein Kind mitgeschickt hatten. Es war ein Junge, der noch die erste Klasse des Gymnasiums besuchte und sich mit Dira angefreundet hatte. Technikerkinder durften doch normalerweise nicht die Schule verlassen?

Ich war etwas verblüfft, wie sehr sie darauf brannten, endlich mit der Arbeit zu beginnen. Bei mir wunderten sich die Leute ja schon immer, wie gerne ich meine Arbeit tue, aber das war ja noch eine ganz andere Nummer!

Sie wollten noch am selben Tag alles untereinander verteilt haben und mit den wichtigsten Verantwortlichen ihres Bereiches gesprochen haben, wie sie ihre Aufgaben am besten erledigen können. Ich hatte es natürlich grundlegend vorbereitet, da ich schon vorher die Nachricht bekommen hatte, daß Techniker als Lehrer hierherkommen würden. Ich hatte den Personen, die das Schiffsbauprogramm organisierten auch schon vor Wochen gesagt, daß ich die Nachricht erhalten hatte, daß es beabsichtigt sei, uns Techniker als Lehrer zu schicken. Es war hilfreich, daß ich das war, was sie sich unter einem Techniker vorstellten. Im Lichtreich, wo ich herstammte, hinkte das technische Verständnis an den Universitäten, schon als ich gefangengenommen worden war, um Jahrzehnte hinter meinem eigenen technischen Wissen hinterher. Inzwischen war das Wissen auf den Universitäten völlig veraltet, weil sie die technischen Entwicklungen, die meine Brüder in der Flotte eingeführt hatten, überhaupt nicht auf den Universitäten gelehrt wurden.

Die Techniker waren im Lichtreich inzwischen damit befaßt, den Professoren Fortbildungskurse zu geben, die offensichtlich nicht auf besonders viel Gegenliebe stießen und das besonders, weil diese Fortbildungskurse wirklich alle Lebensbereiche umfaßten.

Hier war die Haltung völlig anders. Die Leute wußten, daß es wichtig war, unsere Technik zu modernisieren und sie waren sowohl kreativ genug, um auch noch zusätzliche Verbesserungen zu erfinden, als auch lernbereit genug, um aus den Technikern jedes Quentchen Wissen rauszuquetschen, was diese haben mochten. Da hier jede Putzfrau mit einem Respekt behandelt wird, der ihr Zuhause im Lichtreich niemals entgegengebracht werden würde, waren die Menschen hier weitaus besser darin, Leuten, die ihnen geistig überlegen sind, selbstbewußt gegenüberzutreten und sie gleichzeitig zu respektieren, egal welche gesellschaftliche Stellung sie theoretisch haben. Leistung zählt hier gleichzeitig mehr und weniger als zuhause.

Bei uns werden Sklaven wie ich ausschließlich nach ihrer Leistung beurteilt, während Adelige beinahe aussschließlich nach ihrer Stellung beurteilt werden. Ein Sklave, der nicht mehr arbeiten kann, landet in den Versuchslaboren. Adelige sind dagegen der Ansicht, daß sie zwar für einen Offizierposten bezahlt werden müssen, daß sie aber ihre Arbeit jederzeit auf aus einfacheren Verhältnissen stammende Untergebene abschieben dürfen und sie halten es für völlig normal, Leute nur zu ihrem Vergnügen zu quälen. Inzwischen beginnt sich das durch den nicht offiziell gemachten Sklavenaufstand zu ändern, aber das bewirkt auch, daß jeder Freigeborene sich in der Gesellschaft unsicher fühlt, weil er plötzlich nicht mehr weiß, nach welchen Regeln gespielt wird. Ausgesprochen selbstbewußte Menschen wie Tharr vielleicht ausgenommen.

Ich mußte wirklich jeden, der von dort kam, ausquetschen, wie sich das gesellschaftliche System dort verändert hatte, um darauf irgendeine sinnvolle Strategie aufbauen zu können.

Kersti

Fortsetzung:
F1773. Königin Tamara von Leuenhorst: Sitar hatte schon wieder Antworten auf Fragen gewußt, die die Delegationsmitglieder nicht einmal sinnvoll hatten formulieren können

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben