F1945.

Ich fühlte mich ertappt, denn mein neuer Vorgesetzter hatte sehr genau beschrieben, wie ich ich eine Flucht plane und selbstverständlich würde ich für alle Fälle Fluchtpläne schmieden!

Vorgeschichte: F1944. Karl: Ich erhielt den Auftrag, daß ich den Außerirdischen abholen solle, um herauszubekommen, was wir über die Technik lernen könnten

Xita LZB23-17-20 erzählt:
Der Junge, der mir als Lehrling vorgestellt worden war, war wirklich sehr niedlich. Er stellte mir eine merkwürdige Mischung aus Fragen, wie sie unsere eigenen Kinder normalerweise stellen und solchen, wie sie Freigeborene stellen, die wirklich Freundschaft mit einem von uns schließen wollen. Daß ich ihm diese kindlich direkten Fagen beantwortete, bewirkte, daß die erwachsenen irdischen Techniker sich auch trauten diese Fragen sehr viel früher zu stellen als üblich. Mir war das ganze recht, weil Freigeborene gewöhnlich viel entspannter sind, nachdem man ihnen diese Fragen beantwortet hat. Sie machen sich so krause Vorstellungen davon, wie es sein könnte, auf einer Zuchtstation aufzuwachsen, daß sie völlig verdreht sind, bis man ihnen erklärt hat, wie es wirklich ist.

Es gab auch einige fachliche Fragen, aber ich stellte fest, daß ich nicht gut genug über ihre Technik informiert bin, um die richtigen Erklärungen zu finden. Mein neuer Vorgesetzter sah das auch genau so und meinte, er würde mir jetzt die Bibliothek zeigen, damit ich mich über den Stand ihrer Technik informieren könnten. Zuerst drückte er mir jedoch ein technisches Wörterbuch in die Hand und zeigte mir, wo die Handbücher für die Geräte in unserer Abteilung standen. An der Bibliothek verblüffte mich, daß sie ganze Datenbanken auf Papier haben und daß sie es so organisiert haben, daß man was man sucht auch finden kann, obwohl man keine automatischen Suchfunktion über die Daten laufen lassen kann. Es gab wohl noch einige Geheime Abteilungen, doch sie sah durchaus beeindruckend groß aus.

Ich fragte ihn, wo ich nachschauen kann, welche Fertigbauteile überhaupt für unsere Arbeit zur Verfügung stehen, denn es wäre ja sinnvoll, vorhandene Fertigbauteile zu verwenden, wann immer das möglich ist. Er zeigte mir daraufhin, daß mein Arbeitszimmer einen Schrank hatte, in dem einige häufig gebrauchte Werkzeuge und Bauteile vorhanden waren. Dann zeigte er mir einen größeren Raum in der Abteilung, in dem größere Fertigbauteile und weitere Vorräte lagen. Schließlich führte er mich zu einer Halle, wo eine junge Dame dafür zuständig war, Material nachzubestellen, wenn das was wir hier hatten, nicht ausreichte. Er erklärte mir, ich könnte aus ganz Deutschland alles bestellen, was uns für unsere Arbeit nützlich sein könnte. Er zeigte mir mehrere Kataloge, in denen man die benötigten Bauteile auswählen konnte.

Dann gingen wir zum Abendessen und unterhielten uns allgemein darüber, was gebraucht wurde, und wie er sich unsere Zusammenarbeit vorstellte, dabei sagte er, daß ich mich innerhalb seiner Abteilung frei bewegen dürfe. Wolle ich diese verlassen, müßte ich irgendeinen der anderen Mitarbeiter als Begleitung mitnehmen. Ich fragte ihn scherzhaft, ob er denn keine Angst hätte, daß ich mich in die Wildnis verirren könnte.
"Nein. Schließlich gibt es die anderen Truppen in fast derselben Uniform, die ihnen auch gerne den rechten Weg weisen würden, wirklich. Da sie ein intelligenter Mensch sind, der weiß wie man eine Flucht strategisch plant, bin ich absolut überzeugt, daß es völlig ausreicht, wenn unser Lehrling sie begleitet, damit sie keine für diesen erkennbaren Dinge tun, die einer Flucht oder dem ausspionieren von Staatsgeheimnissen dienen. Das heißt nicht, daß sie nichts dergleichen tun, aber ein ganzer Trupp Wachmänner würde das nicht besser verhindern können als ein einzelner Lehrling, denn der Lehrling wird immerhin technisch ausgebildet, wie wir beiden es sind und würde deshalb für eine Flucht auf ganz ähnliche Gedanken verfallen, wie wir beiden, auch wenn ihm noch das Fachwissen fehlt, um es gekonnt umzusetzen. Ich glaube zwar, daß sie den Jungen zu diversen Kinderstreichen überreden könnten, aber ich bin überzeugt daß er die Bedeutung unserer Forschung für die nationale Sicherheit durchaus verstanden hat. Wenn ich allerdings versuchen würde, sie von der Bibliothek fernzuhalten, wäre das ein grober taktischer Fehler, denn dann würden sie schon aus purer Langeweile anfangen, Industriespionage zu betreiben, was uns gar nicht recht sein kann." antwortete er.
Ich fühlte mich ertappt, denn er hatte sehr genau beschrieben, wie ich vorgehe, wenn ich eine Flucht plane und selbstverständlich würde ich für alle Fälle Fluchtpläne schmieden und mein Bestes tun, damit alle glauben, daß ich überhaupt keinen Wunsch hege, jemals wieder heimzukehren. Und genau weil niemand wissen soll, daß ich überhaupt in diesse Richtung denke, reicht eben tatsächlich ein einzelner Lehrling, um mich davon abzuhalten, irgendetwas zu tun, was dieser Lehrling als Fluchtversuch oder Industriespionage erkennen könnte. Tatsächlich muß man bei Lehrlingen oft noch vorsichtiger sein als bei erwachsenen Menschen, denn wer Jahrzehnte in einem Beruf gearbeitet hat, hat die technischen Grenzen seiner Kultur oft so sehr als absolute Wahrheiten verinnerlicht, daß er davon abweichende Technik nicht mehr als Technik erkennt. Ein solcher Junge sieht eine Verhaltensweise wie Überwachungskameras verstecken und auch wenn er gar nicht weiß, was er da gefunden hat, reicht seine Fantasie, um sich ein so sehr verkleinertes Telefon vorzustellen, daß er es nicht mehr als solches identifizieren kann. Ach ja und mit dem aus purer Langeweile Industriespionage betreiben, hatte mein neuer Vorgesetzter auch recht. Man denke nur an die peinliche Episode mit der auseinandergebauten Schreibmaschine!

Natürlich hatte ich im Augenblick kein dringendes Bedürfnis, hier wegzukommen, aber Briefe nach Hause schreiben können wollte ich schon. Das durfte nicht über offizielle Kanäle laufen, da die Freigeborenen meiner Heimatkultur nicht davon wissen durften, daß ich Briefe schreibe, weil sie der Ansicht waren, dazu hätte ich kein Recht. Ich mußte es also irgendwie heimlich machen und konnte dabei wahrscheinlich nicht auf die Hilfe von irgendeinem der einheimischen Techniker hoffen, da deren irdischen Herrscher sich normalerweise bewußt waren, daß man anständig mit Untergebenen umgehen muß, um sich ihre Loyalität nicht zu verspielen. Die beste Chance dazu bot wahrscheinlich das Telefonnetz, aber dazu mußte ich irgendwie herausbekommen, wie ich irgendjemanden von unseren Technikern damit ansteuere. Wahrscheinlich wurde es benutzt, denn so weit ich das verstanden hatte handelte es sich um ein weltweites Datennetz, aber ich war einfach noch nicht lange genug auf der Erde tätig, um darüber bescheid zu wissen, wie ich eigene Leute darüber kontaktiere. Der erste Schritt war jedenfalls, daß ich einen Grund finden mußte, regelmäßig zu telefonieren, um möglichst viele Details über das Netz auskundschaften zu können, ohne daß es jemanden wundert. Ich sagte also, daß es sinnvoll wäre, mir einen Adapter für das Telefonnetz zu bauen, damit die Leute der Abteilung mich jederzeit anrufen können, wenn sie Fragen zu ihrer Arbeit hätten. Auf seine Frage, wozu das gut sein solle, sie könnten doch jederzeit zu mir reinkommen, antwortete ich, daß ich nur einen Mund hätte aber zehn Telefongespräche gleichzeitig über die in meinen Körper eingepflanzte Elektronik führen könnte.

Als ich den Gesichtsausdruck meines Vorgesetzten sah, wußte ich, daß er mal wieder etwas verstanden hatte, was ich ihm nicht hatte mitteilen wollen. Trotzdem erlaubte er mir, meinen Plan umzusetzen.

Kersti

Fortsetzung:
F1946. Karl: Ich würde ja gerne Xitas Gesicht sehen, wenn sie merkt, welch primitive veraltete Technik wir benutzen, um sicherzustellen, daß niemand unbemerkt Gespräche führt, die er nicht führen darf!

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben