erste Version: 5/2021
letzte Bearbeitung: 5/2021

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Gruselige Experimente

F2053.

Ich dachte mir, als er kam, um mich herauszuholen, daß Jender im Grunde ganz in Ordnung ist

Vorgeschichte: F2052. Jender LZB99-950-41: Nachdem ich die erste Abschätzung der Schäden an der Station gemacht hatte, war ich bedient und wunderte mich, daß ich die Luft überhaupt noch atmen konnte

Giro erzählt:
Jender LZB99-950-41 kommt von einem anderen Stern und der ist echt verrückt. Er meinte nämlich, arbeiten macht doch Spaß und deshalb müßten wir uns freuen, arbeiten zu können. Ich sagte ihm daß er spinnt. Sie haben mich von zu Hause entführt, kastriert und jedesmal wenn ich etwas gesagt habe gefoltert und dann soll ich für die arbeiten wollen? Nein, will ich nicht. Er verblüffte mich damit, daß er mich nicht bestrafte wie alle anderen, sondern nur verwirrt und nachdenklich wirkte. Jender redete mit jedem Einzelnen und erklärte ihm, daß Arbeit doch eigentlich Spaß macht und daß sie das auch merken würden, wenn sie anfangen würde zu arbeiten. Aber natürlich macht sie keinen Spaß. Man arbeitet, weil sie einen dazu zwingen und nur wenn sie hingucken. Als ihm das alle so sagten, wirkte er verwirrt und verzweifelt und erklärte uns, daß man doch die Lebenshaltungssysteme in Ordnung halten muß, weil man sonst die Luft nicht atmen kann. Ehrlich gesagt fand ich, daß man die Luft hier wirklich nicht atmen kann, aber es gibt Bereiche, wo das noch viel schlimmer ist und da geht man nicht hin.

Jender blieb auch in den nächsten Tagen bei seinem Thema Lebenshaltung und erwartete hartnäckig, daß wir Spaß daran hatten, die zu reparieren. Komischerweise gab es Leute, die anfingen, tatsächlich zu arbeiten, als er sie hartnäckig und freundlich dazu ermahnte. Ich hatte das jedenfalls nicht vor. Er brachte mich in eiem Gangabschnitt, wo ich mit einem dieser Computer die Lebenshaltung durchprüfen sollte, wie er uns das erklärt hatte. Natürlich tat ich nichts dergleichen, sondern erkundete die Umgebung.

Dann merkte ich, daß die Luft schlechter wurde, drehte um, ging zu meinem Ausgangspunkt zurück, wo ich auch nicht mehr richtig atmen konnte. Es war langsam richtig beängstigend, weil ich mich schon ganz schummerig fühlte, ich versuchte also den Gangabschnitt zu verlassen. Die Tür war zu und in dem Augenblick setzte es bei mir aus, ich dachte nicht einmal daran, daß Türen über die Elektronik geöffnet werden, die man überprüfen muß, wenn sie nicht funktionieren, sondern trommelte wütend gegen die Tür, was aber niemand hörte oder zumindest niemanden interessierte. Mir wurde dann natürlich viel schneller schwarz vor Augen.

Als ich wieder zu mir kam, kniete Jender neben mir und sagte, er hätte mir doch gesagt, daß ich die Lebenshaltung überprüfen soll, weil man ohne sie nicht atmen kann. Ich fand den Spruch scheinheilig, denn ich war überzeugt, daß er die Tür absichtlich versperrt hat. Das sagte ich ihm auch, worauf er antwortete, ja das hätte er gemacht, weil er sich nämlich wirklich Sorgen macht, daß man die Luft bald nicht mehr atmen kann. Ich dachte mir, daß er damit wahrscheinlich recht hat. Andererseits würde das wahrscheinlich nicht so schnell gehen und ich fand, daß diese Außerirdischen, die mich entführt hatten es wirklich verdient hatten, an einer kaputten Lebenshaltung zu sterben, weil sie systematisch dafür sorgten, daß man gar nicht mehr leben will. Darauf antwortete er mir, er wolle aber leben und deshalb würde er es mir nicht durchgehen lassen, wenn ich mich aufführen würde wie ein Krimineller Adeliger, der meint, die lebensnotwendige Arbeit sei nur für andere da.
"Vergleich mich gefälligst nicht mit den Kriminellen Adeligen!" fuhr ich ihn an.
"Wenn du nicht mit ihnen verglichen werden willst, dann benimm dich auch nicht wie einer." gab er zurück.
"Mache ich ja auch nicht. Ich foltere Leute nicht wegen nichts und wieder nichts." wehrte ich mich.
"Aber nur, weil du nicht kannst. Schließlich haben sie dir keinen Strafer in die Hand eingepflanzt." antwortete er.
Ich mußte daran denken, wie ich mir ausgemalt hatte, diese verdammten Typen, die immer ohne jeden Grund irgendwelche Grausamkeiten begingen, auch mal so mit dem Strafer foltern zu können, wie sie das mit mir immer machten - und zwar ohne jeden Grund. Es stimmt ja, daß ich rebellisch bin, aber manche der anderen sind nur unterwürfig und sie werden auch ständig gefoltert. Aber um ehrlich zu sein, Jender hatte immer darauf geachtet, uns rechtzeitig zu warnen, wenn einer der Kriminellen unter diesen Adeligen vorbeikam, damit wir uns verstecken konnten, ehe er uns sah.
Er half mir auf die Beine und befahl mir wieder, die Lebenshaltung zu warten. Ich bekam Angst, rief "nein!" und wollte wegrennen, er nachte eine Bewegung und ich lag schneller am Boden, als ich denken konnte. Damit hatte er meinen Respekt. Er konnte richtig kämpfen und nutzte nicht nur feige irgendwelche technischen Geräte, gegen die man wirklich keine Chance hat.

Die Tür war wieder zu, bis ich mich aufgerappelt hatte und diesmal dachte ich daran, an den Computer zu gehen, der mir anzeigte, daß die Tür nicht nur ausgestellt sondern auch mechanisch blockiert worden war, so daß ich den Gangabschnitt nicht würde verlassen können. Nun gut, ich hatte die Handbücher gelesen, weil es sonst hier nichts zu tun gab und wenn ich hier nicht ersticken wollte, mußte ich mir die Lebenshaltung ansehen. Ich setze mich also vor den Wartungscomputer, rief die entsprechende Datei auf und stellte fest, daß die Lebenshaltung für diesen Gang einfach ausgestellt worden war. Ich hätte sie also nur wieder anstellen müssen. Das tat ich und dachte mir, daß ich sie besser auch durchprüfe, denn wenn ich das nicht tue, wäre der Effekt wahrscheinlich, daß Jender über diesen Stecker, mit dem er sich einfach an das Computernetz anschließen kann, mal eben nachschaut, ob ich die Fehler im System suche und wenn ich nicht tue, stellt er die Lebenshaltung einfach wieder aus. Ich prüfte die Lebenshaltung also durch und stellte fest, daß sie in diesem Gangabschnitt gar nicht funktionierte, sondern nur eine Notversorgung lief, die die Lebenshaltung benachbarter Gangabschnitte mitverwendet. Ich notierte mir also, was ich alles reparieren mußte. Dabei stellte ich fest, daß fast alles kaputt war und sah nach, ob genug Ersatzteile im Schrank waren. Waren es nicht. Ich dachte nach, fragte ab, was wenigstens noch notdürftig funktionierte und entschied, daß ich zwar nicht beide Systeme reparieren konnte, aber wenn ich aus dem Hauptsystem die noch funktionierenden Teile ins Ersatzsystem tue und die vorhandenen Ersatzteile verwende, kann ich zumindest noch das Ersatzsystem zum Laufen kriegen. Jender hatte recht gehabt. Man muß sich wirklich Sorgen machen, daß man bald die Luft gar nicht mehr atmen kann.

Ich begann also mit der Arbeit und während ich das tat, mußte ich immer wieder Einzelheiten in den Handbüchern nachlesen, weil ich das nicht so perfekt im Kopf hatte. Trotzdem kam ich ganz gut voran. Als ich dachte, ich wäre fertig, prüfte ich das System noch einmal durch und stellte fest, daß ich noch einiges übersehen hatte. Ich reparierte das auch noch. Diesmal hatte ich bei der Reparatur einen Fehler gemacht. Es fehlte mir wirklich an Übung! Ich ging also hin, korrigierte meinen Fehler und trug dann ein, daß ich fertig war. Jender reagierte sofort, indem er über den Raumlautsprecher sagte, er würde sich das mal ansehen. Er erklärte mir, daß die Softwareeinstellungen noch nicht perfekt waren und woran man das erkennt. Ich korrigierte es entsprechend und dann meinte er, daß ich ja offensichtlich sehr viel kompetenter wäre, als ich bisher zugegeben hätte. Er hätte vermutet, daß er mir mehr erklären müßte. Er würde sich freuen, daß so ein kompetenter Fachmann mit ihm zusammenarbeten würde. Ich war überrascht über das Lob.

Ich dachte mir, als er kam, um mich herauszuholen, daß Jender im Grunde ganz in Ordnung ist. Er hatte sich wirklich Sorgen gemacht und hatte recht, daß ja irgendjemand alles reparieren muß. Um ehrlich zu sein, war ich so wütend gewesen, daß ich nur noch alle umbringen hatte wollen. Jender hatte es anders als alle anderen zuerst mit Freundlichkeit versucht, nur war ich dafür längst nicht mehr ansprechbar gewesen und hatte mir damit die Strafe eingefangen, die so etwas verdient.

Kersti

Fortsetzung:
F2054. Jender LZB99-950-41: Dann redete ein Arzt, der sagte, er hätte in den Unterlagen eine Anleitung gefunden, wie man die Implantate, die ich habe, Menschen einpflanzt

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben