erste Version: 5/2021
letzte Bearbeitung: 5/2021

Das Sternenreich der Zuchtmenschen: Gruselige Experimente

F2058.

Ich kann von Glück reden, daß ich eine Arbeit habe, für die ich meine Arme und Beine brauche, sonst hätten sie mir die auch noch abgeschnitten

Vorgeschichte: F2057. Jender LZB99-950-41: "Wieso die Hände brauche ich doch nicht für die Gespräche." antwortete ich und wunderte mich wieder einmal, wo das Verständnisproblem der Freigborenen lag

Dieter erzählt:
Jender hatte recht gehabt, daß es nach einer Woche nicht mehr wirklich wehtut, dafür hatte ich dann auch erst richtig begriffen, was sie gemacht hatten. Sie wollen nämlich gar keine Menschen, sondern Geräte die sie in ihr Flugschiffe einbauen können und da sie keine Menschen wollen, schneiden sie alles ab, was man für die Arbeit nicht unbedingt braucht. Deshalb haben sie mir auch lauter Anschlüsse eingebaut, mit denen man mich an Maschinen anschließen kann. Ich kann von Glück reden, daß ich eine Arbeit habe, für die ich meine Arme und Beine brauche, sonst hätten sie mir die auch noch abgeschnitten. Das haben sie nämlich so mit Semian gemacht. Dem haben sie alles abgeschnitten außer dem Gehirn und dann solle er für sie denken, weil sie das selber nicht gut genug können. Wenn du mich fragst, sind sie richtig böse.

Jender war echt komisch. Also richtig. Ihn stört das gar nicht, daß sie ihn zum Eunuch gemacht haben, denn er meint, daß er das ja nicht braucht, weil er nicht zur Zucht vorgesehen ist. Er findet das auch nicht schlimm, daß sie ihn so verdrahtet haben. Er meint, die Operationen hätten zwar sehr wehgetan, aber er wäre sehr froh, seine Implantate zu haben, weil man damit Raumschiffe fliegen kann und weil er ohne sie doch seine Intelligenz nicht richtig ausnutzen kann. Und wenn sie ihm alles abgeschnitten hätten, wie bei Semian, dann hätte er das auch nicht schlimm gefunden und wäre gerne ein Gehirnschiff geworden.

Jender LZB99-950-41 hat so einen komischen Namen, weil sie ihn gezüchtet haben, wie man Pferde züchtet und ihm auch keinen richtigen Namen gönnen, sondern einfach alle durchnummeriert haben. Und da sie böse sind, ist er stolz, nicht zu denen zu gehören, die ihn gezüchtet haben sondern ein Zuchtmensch zu sein. Jender ist ein echt netter Kerl, der aufpaßt, daß die bösen Götter hier den Gefangenen nichts tun und immer will, daß alle nett zueinander sind. Selbst über die Götter, die immer nur gemein zu ihm waren, sagt er daß man die doch auch nicht sterben lassen darf, weil sie auch Menschen sind. Jender mag auch jeden und lächelt jeden an, den er sieht und alle mögen ihn. Außer die Götter natürlich, die mögen nämlich niemanden und von denen hält man sich besser fern. Das hat selbst Jender begriffen und er bringt allen ganz viele Tricks bei, wie man sicherstellt, daß einen die Götter nicht finden.

Jender hat auch überall Augen - nun ja im Grund sind es Überwachungskameras und wir haben sie selbst repariert. Jender und Semian benutzen das nur, um uns bei allem möglichen zu helfen und sie drängen uns auch keine Hilfe auf, die wir nicht wollen, deshalb stört uns das nicht. Wenn die Götter sie so benutzen könnten, wie das Jender macht, dann wäre das zum fürchten. Das können die aber nicht. Jender hat uns gezeigt, wie man denen einen leeren Gang zeigt, wenn man nicht will, das sie einen sehen. Jender ist der Ansicht, man müßte sie daran gewöhnen, daß man Techniker nie bei der Arbeit sieht, damit sie einen nicht nerven und die Ansicht finde ich durchaus richtig. Na ja ich habe einen Gott kennengelernt, der nett ist und sich manchmal mit mir unterhält. Er hatte mich irgendwann angeschrieben und gefragt, ob ich ihm mal zeigen kann wie ich arbeite und ich habe ihm dann gesagt, wo ich gerade bin und es ihm erklärt. Er hat dann immer wieder mal über das Netz das Gespräch mit mir gesucht und wenn er etwas erwähnt hat, was mich interessiert hat, hat er es mir gezeigt. Er hat auch manchmal Sachen bei uns verteilt, einfach damit wir etwas haben, was uns gefällt. Götter sind halt auch unterschiedlich.

Auch der Arzt, vor dem ich zuerst so Angst hatte, scheint sich normalerweise wirklich Mühe zu geben, daß es uns gut geht. Allerdings hat mich nicht nur operiert, es war auch noch seine Idee. Er sagt, das war, weil die Leute wegen der schlechten Luft krank geworden sind und weil er Angst hatte, daß man sie bald gar nicht mehr atmen kann. Die Angst war, wie ich weiß, durchaus berechtigt, das verstehe ich schon. Deshalb hätte er gesucht, bis er herausgefunden hat, wie man diese Operationen durchführt, damit er Techniker hat, die in der Lage sind, eine Raumstation richtig zu reparieren. Aber ehrlich gesagt, stimme ich da eher Jender zu. Er sagt nämlich, daß man gar nicht so viele Techniker mit Implantaten braucht. Er ist in der Lage bis zu hundert Techniker so zu betreuen, daß sie die meisten Arbeiten genauso schnell machen, als hätten sie die Implantate. Wenn also jeder hundertste Techniker tatsächlich ein Zuchtmenschen mit Implantaten ist, braucht man keine weiteren operierten Techniker. Das glaubt ihm nur keiner und das liegt daran, daß sich das keiner vorstellen kann, der nicht selber ein Zuchtmensch wie Jender ist. Jender ist nämlich sehr viel intelligenter als ich. Ich kann nur einen wirklich intensiv betreuen und dazu zwei drei anderen mal auf Anfrage helfen. Das haben wir ausprobiert und seither betreue ich immer ein paar neue Leute. Jender hat gesagt, daß ich mir nicht einreden soll, ich wäre deshalb weniger wert, denn die meisten Arbeiten muß man einfach nur tun und wenn man die Arbeit richtig verteilt, dann wird alles erledigt und jedem geht es gut. Ich glaube, daß er damit recht hat, aber die Götter glauben ihm das nicht. Ich glaube, daß sie nur nicht zugeben wollen, daß Jender viel intelligenter ist als sie und das deshalb wirklich alles besser beurteilen kann. Also die logischen Dinge. Wenn ich ihm sage, wie ich mich mit bestimmten Dingen fühle, kann er das oft nicht nachvollziehen, weil er so anders ist. Daher berücksichtigt er zwar, was ich brauche, versteht das aber oft nicht wirklich.

Außerdem versucht er mir die ganze Zeit einzureden, daß diese ganzen Maschinen nur existieren, damit man seinen Spaß damit hat. Komischerweise macht die Arbeit wirklich Spaß. Ich glaube nur, es liegt nicht daran, daß ich Spaß an der Arbeit habe, sondern daß Jender Spaß an der Arbeit hat. Er findet ständig etwas an der Arbeit, das lustig oder spannend ist und zeigt das dann und das macht er so hartnäckig, daß alle es plötzlich auch interessant finden und Spaß an der Arbeit haben. Er macht das so erfolgreich, daß ich nach etwa einem halben Jahr überhaupt nicht mehr dazu kam, mich nach der Erde zu sehnen, die so viel schöner ist, weil ich zu viel hatte, das ich interessant an meinem neuen Leben fand.

Nach mir wurden noch sehr viele andere Menschen von der Erde so operiert wie ich, nur haben wir ihnen vorher erklärt, was der Sinn der Operationen ist, damit sie nicht Angst haben, daß man sie schlachten will. Natürlich will nach den Erklärungen immer noch niemand operiert werden, aber man weiß vorher, daß nachher das Leben weitergeht und daß auch nicht alles furchtbar ist. Jender und ich haben festgestellt, daß es besser ist, wenn ich das erkläre, als wenn er das erklärt, weil ich den Leuten ähnlicher bin. Sie fühlen sich von mir besser verstanden und ich kann ihnen eher die Antworten geben, die ihnen weiterhelfen.

Kersti

Fortsetzung:
F2059. Jender LZB99-950-41: Glücklicherweise waren die neuen Implantate so viel besser als die giftigen alten, daß auch freigeborene Sklaven lernen konnten, gerne mit ihnen zu arbeiten

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben