F2416.

Ich hatte gesagt, daß das zittern nichts mit Angst zu tun hatte, aber das stimmte nicht

Vorgeschichte: F2415. Kersti: D

Autor: Hans Hermann von Katte erzählt:
Ich hatte gesagt, daß das zittern nichts mit Angst zu tun hatte, aber das stimmte nicht. Ich hatte eine Scheißangst vor weiteren Foltern und jedesmal, wenn ich darüber nachdachte, begann ich haltlos zu zittern und zu weinen. Das mit dem zittern und weinen wäre natürlich anders gewesen, wenn ich nicht so gefoltert worden waren, mein Körper war einfach unstabiler als ich das von früher von mir kannte und deshalb hatte ich das nicht unter Kontrolle. Glücklicherweise hatte ich, bevor sie mich für die nächsten Verhöre abholten, Zeit gehabt, strategische Überlegungen anzustellen und war zu dem Schluß gekommen, daß ich exakt nichts tun konnte, um weitere Foltern zu vermeiden. Das Problem war nämlich, daß ich zu gut der Hälfte der Situationen, zu denen sie mich befragen wollten, rein gar nichts wußte. Es bestand natürlich die Gefahr, daß sie darauf kamen, daß ein zweites Netz existierte, aber das war sicherlich nicht der erste Gedanke, auf den sie kommen würden. Im Gegenteil würden sie wahrscheinlich zuerst denken, daß ich zu diesen Situationen besonders ausweichend antworte, weil dort besonders wichtige Details besprochen worden wären, die ich nicht verraten wollte.

Ich übte mich also weiterhin darin, völlig unwichtige Details zu erinnern und zu erzählen und stellte dabei fest, daß das hilfreich war, weil es mich von den Schmerzen und der Angst ablenkte, wenn ich so intensiv wie irgendmöglich in die Wahrnehmung eines Eichenblattes, das ich mir mal genau angesehen hatte, weil es ja so wunderschön war, eintauchte. Außerdem tat ich,als sei ich völlig verängstigt, was ziemlich einfach war, weil ich ja wirklich Angst hatte und erzählte ihnen dann genau die Details, die sie mir vorher erzählt hatten, ob ich davon nun gewußt hatte oder nicht.

Ich betonte auch mehrfach, daß der Prinz noch ein Kind war und wie viel erwachsener ich sei. Dabei war ich tatsächlich noch nicht volljährig gewesen, als ich zu seinem Fechtlehrer erklärt worden war. Andererseits heißt es ja, daß Jugendliche immer besonders betonen, wie erwachsen und heldenhaft sie sind und besonders dazu neigen, nur wenige Jahre jüngere als kleine Kinder zu betrachten. Ich gebe zu, das habe ich auch getan, aber nicht in dem Maße, wie ich es darstellte, als ich verhört wurde. Ich hoffe, ich habe da nicht zu dick aufgetragen.

Mein Humor ließ mich übrigens nicht im Stich, aber das war wirklich merkwürdig, denn oft bin ich, wenn ich überhaupt nicht mehr weiter wußte, weil alles so furchtbar wehtat und sie so drängende Fragen stellten, auf irgendeinen völlig absurden Gedanken gekommen, habe den erzählt und konnte dann einfach nicht mehr aufhören zu lachen, als wäre das der beste Witz, den ich je gehört habe. Weitere Foltern verschlimmerten den Lachanfall nur.

Während der Foltern weckten sie mich mehrfach, indem sie mir einen Eimer Wasser über den Kopf schütteten, weil ich die Besinnung verloren hatte. Später begriff ich daß immer jemand seine Finger an meinem Handgelenk hatte, um meinen Herzschlag zu kontrollieren. Das hieß natürlich, daß sie mich jetzt nicht umbringen wollten, aber ich wußte nicht, ob da irgendetwas dran gut war. Ich glaubte nicht, daß ich hier lebend wieder herauskommen würde und eigentlich wünschte ich mir nur, daß alles endlich vorbei ist.

Als ich das nächste mal in meiner Zelle erwachte, hatte ich das Gefühl, das Zimmer wäre viel dunkler wäre als beim letzten mal und das, obwohl ich sehen konnte, daß draußen strahlender Sonnenschein herrschte.

Das erschreckte mich, denn ich wußte, daß das hieß, daß ich dabei war, den Kontakt zu Gott verlieren, also versuchte ich zu beten, doch das gelang mir einfach nicht, sondern jedes mal, wenn ich es versuchte, begann ich nur jämmerlich zu weinen, weil mir das ganze Elend noch viel bewußter wurde. Ich versuchte es trotzdem weiter.

Kersti

Fortsetzung:
F2417. Kersti: D

Quelle

Erinnerung an ein eigenes früheres Leben.
V12. Kersti: Hauptfehlerquellen bei Erinnerungen an frühere Leben